Sorgen vor Pharma-Lobby belasten neuen EU-Gesundheitsausschuss

Nach der Abstimmung im EU-Parlament äußerten einige Europaabgeordnete die Befürchtung, dass der Ausschuss die Interessen der Industrie über die öffentliche Gesundheit stellen könnte. [Buena Vista Images]

Das EU-Parlament hat am Mittwoch (18. Dezember) die Einrichtung eines ständigen Ausschusses für öffentliche Gesundheit (SANT) gebilligt. Dennoch befürchten einige EU-Abgeordnete, dass der Ausschuss zu einem Tummelplatz für Lobbyisten der Pharmabranche werden könnte.

Nach der Abstimmung äußerten einige Europaabgeordnete die Befürchtung, dass der Ausschuss die Interessen der Industrie über die öffentliche Gesundheit stellen könnte.

„Es bleibt abzuwarten, ob die EVP-Fraktion diesen Ausschuss ausschließlich dazu nutzen wird, die Interessen der Pharma- oder Tabaklobby voranzutreiben, oder ob sie mit der demokratischen Mitte zusammenarbeiten wird, um sich für das Wohlergehen der Patienten einzusetzen“, sagte der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken (S&D) gegenüber Euractiv.

Wölken ist einer der ehemaligen Berichterstatter zur EU-Arzneimittelreform.

Diese Bedenken wurden bereits im September von anderen EU-Abgeordneten der Fraktionen S&D, Grüne/EFA und EU-Linke geäußert.

Geld regiert die Welt

Die größten Pharmaunternehmen geben laut dem Transparenzregister der EU schwindelerregende Summen für Lobbyarbeit aus.

Novartis gab im Jahr 2023 zwischen zwei und 2,5 Millionen Euro für Aktivitäten aus, die unter das Transparenzregister fallen, während Sanofi und Roche zwischen 1,75 und zwei Millionen Euro beziehungsweise zwei Millionen Euro für die Förderung ihrer Interessen in Brüssel ausgaben. Das Budget von Pfizer lag zwischen 1,25 und 1,5 Millionen Euro.

Die Eintragung in das EU-Transparenzregister ist freiwillig. Interessengruppen – von NGOs bis hin zu großen Handelsverbänden – oder ihre Vertreter müssen jedoch beim EU-Parlament registriert sein, um Veranstaltungen organisieren oder sich mit Abgeordneten treffen zu können.

Dabei müssen Unternehmen ihre Ausgaben für Lobbying-Aktivitäten, einschließlich Veranstaltungen, das dafür benötigte Organisationsteam sowie Treffen mit Ausschussmitgliedern, schätzen

Brüsseler Lobbyfirmen an der Spitze

Ein erheblicher Teil der Budgets, die Unternehmen für Lobbyarbeit bereitstellen, fließt in die bekanntesten Brüsseler Lobbyfirmen wie die RPP Gruppe.

Im Jahr 2023 zahlte Abbvie zwischen 100.000 und 200.000 Euro an die RPP Gruppe für Unterstützung bei der EU-Pharmastrategie, der Richtlinie über klinische Studien und dem EU4Health-Programm. Novartis stellte einen ähnlichen Betrag für die Unterstützung des Europäischen Raums für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, EHDS) bereit.

Pfizer wiederum verlässt sich vor allem auf Fleishman-Hillard und FTI Consulting, wenn es um das Arzneimittelpaket, den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten oder die Richtlinie über die Abwasserbehandlung geht.

Unter den Branchenverbänden gab MedTech Europe bis zu 1,75 Millionen Euro aus. Doch selbst das war noch weit entfernt von den Ausgaben des Europäischen Pharma-Verbands (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations, EFPIA), die für das Haushaltsjahr 2023 Lobbying-Ausgaben zwischen 5,5 und 6 Millionen Euro angab.

Es stützte sich auch auf mehrere Lobbyfirmen wie Acumen Public Affairs und FTI Consulting, was zusätzliche Kosten verursachte.

Über 300 Treffen seit Juli

Seit Beginn der neuen Legislaturperiode des EU-Parlaments im Juli 2024 wurden von der Nichtregierungsorganisation Transparency International rund 319 Treffen, Begegnungen oder Diskussionen zwischen EU-Abgeordneten des Gesundheitsausschusses und Interessenvertretern aufgezeichnet.

Den Erklärungen der Europaabgeordneten zufolge konzentrierten sich die jüngsten Treffen zwischen EU-Parlamentsmitgliedern und Akteuren des Sektors auf Dossiers, die voraussichtlich in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsausschusses fallen werden, wie etwa die künftige Gesetzgebung zu kritischen Arzneimitteln oder das Biotech-Gesetz.

Darüber hinaus wurden in den Diskussionen auch Themen wie Arzneimittelknappheit, das Pharmapaket, die Regulierung des Sektors, psychische Gesundheit und seltene Krankheiten behandelt. Die Akteure des Sektors haben sich oft an bestimmte Europaabgeordnete gewandt, mit denen sie sprechen möchten.

EU-Abgeordnete wie Laurent Castillo (EVP, Frankreich), Stine Bosse (Renew, Dänemark), Tomislav Sokol (EVP, Kroatien), András Kulja (EVP, Ungarn) und Nicolás González Casares (S&D, Spanien) hatten im selben Zeitraum jeweils mindestens etwa 20 Treffen.

EU-Parlament stimmt für vollwertigen Gesundheitsausschuss

Die EU-Abgeordneten haben die Einrichtung eines ständigen Gesundheitsausschusses (SANT) beschlossen. Nach monatelangen Verhandlungen fiel die Entscheidung in der letzten Plenarsitzung des Jahres am Mittwoch (18. Dezember) in Straßburg.

[Bearbeitet von Martina Monti/Jeremias Lin]

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