Krankenhausreform-Eklat: Habeck macht Woidke Vorwürfe – Entlassung der Grünen-Ministerin „ein Alarmzeichen“
Der Bundesrat hat am Freitag die Krankenhausreform beschlossen. In Brandenburg kam es zum Eklat. SPD-Ministerpräsident hat Grünen-Ministerin entlassen.
Das Wichtigste in
diesem News-Ticker
- Krankenhausreform beschlossen: Rotes Kreuz sieht „verpasste Chance“ – Generalsekretär: „Finanzielle Lage der Krankenhäuser ist dramatisch“
- Erfolg für Lauterbach: Bundesrat billigt Krankenhausreform – Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kann in Kraft treten.
- Streit um Krankenhausreform: Woidke entlässt Gesundheitsministerin – Brandenburgs Landesgesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) nicht mehr im Amt
- Krankenhausreform: Bayern pocht auf Vermittlungsausschuss – Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU): „Muss sinnvoll und praxisorientiert sein.“
Update vom 22. November, 20.45 Uhr: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Einsatz Nonnemachers für die Reformpläne gewürdigt: „Sie hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass in Brandenburg die Notfallversorgung in dem Umfang erhalten bleiben kann, wie sie notwendig ist. Das ist ihr Verdienst.“
Die Grünen-Bundesspitze kritisierte Regierungschef Woidke nach der Entlassung der Grünen-Ministerin scharf. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck nannte dessen Vorgehen „unfassbar“. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Habeck: „Egal, wie sehr man politisch auseinander liegt, man sollte immer einen menschlichen Umgang miteinander pflegen. Die Entlassung ist ein Alarmzeichen: Das passiert, wenn sich ein SPD-Ministerpräsident im Vorgriff auf eine Koalition schon mal Sahra Wagenknechts Bündnis andient.“
Grünen-Ministerin äußert sich nach Entlassung: „Ich bereue das nicht“
Update vom 22. November, 18.29 Uhr: Nach ihrer Entlassung hat sich Ursula Nonnemacher (Grüne) im Gespräch mit dem Stern geäußert. Die Gesundheitsministerin habe demnach damit gerechnet, „dass es heute zu einem Eklat kommen könnte“. Über den Rauswurf durch den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) sagte Nonnemacher jedoch: „Von einer möglichen Entlassung habe ich erst heute früh erfahren.“
Über den Grund des Eklats sagte die Grünen-Politikerin: „Gestern hatte mir die Staatskanzlei signalisiert, dass Herr Woidke dafür stimmen will, die Krankenhausreform seines SPD-Parteigenossen, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Aber das hätte klar gegen den Koalitionsvertrag verstoßen. Dort steht: Wenn wir in der Landesregierung keine Einigung erzielen, stimmen wir im Bundesrat mit Enthaltung. Und ich war klar gegen den Vermittlungsausschuss in der Sache.“ Über den Rauswurf sagte sie weiter: „Ich bereue das nicht.“
Grünen-Minister in Brandenburg tritt nach Entlassung der Gesundheitsministerin zurück
Update vom 22. November, 15.56 Uhr: Brandenburgs Grünen-Agrarminister Axel Vogel tritt nach der Entlassung von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher zurück. Die Grünen und Vogel sähen laut dpa keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Vogel bestätigte dem Spiegel den Bericht. Sein Rücktritt sei die Konsequenz aus dem respektlosen Umgang des Ministerpräsidenten mit Nonnemacher, erklärte Vogel laut AFP.
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Woidke zur Entlassung von Nonnemacher: „Kann mir nicht auf der Nase rumtanzen lassen“
Update vom 22. November, 15.12 Uhr: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat die Entlassung von Ursula Nonnemacher (Grüne) im Streit um die Krankenhausreform gerechtfertigt. „Ich kann mir da nicht auf der Nase rumtanzen lassen“, sagte der SPD-Politiker den Sendern RTL und ntv mit Blick auf die ehemalige Gesundheitsministerin von Brandenburg. Man sei vor zwei Tagen nach einer Konferenz mit Vertretern der Krankenhäuser, Landkreise und Kommunen zu dem Schluss gekommen, dass die geplante Reform dringend überarbeitet werden müsse und dazu der Vermittlungsausschuss anzurufen sei. Nonnemacher sei dazu nicht bereit gewesen, sagte Woidke dem Sender Phoenix.
Er könne als Ministerpräsident „nicht zulassen, dass ein klares Votum, das wir auch im Land haben“, im Bundesrat konterkariert werde, fuhr Woidke fort. Nonnemacher hatte nach eigenen Angaben angekündigt, sich bei der Abstimmung für Brandenburg zu enthalten und nicht für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen. Damit wäre Brandenburgs Stimme nicht gezählt worden.
Krankenhausreform beschlossen: Rotes Kreuz sieht „verpasste Chance“
Update vom 22. November, 13.29 Uhr: Das Deutsche Rote Kreuz zeigt sich unzufrieden, dass der Bundesrat zur Krankenhausreform nicht den Vermittlungsausschuss anruft. Dies sei „bedauerlich“, sagte dessen Generalsekretär Christian Reuter zu IPPEN.MEDIA. „Damit haben die Bundesländer die Chance verpasst, diese vermurkste Reform in eine wirklich gelingende Krankenhausreform zu verändern“, meinte er. „Die finanzielle Lage der Krankenhäuser in Deutschland ist desaströs und dramatisch“, fügte er an.
Thüringen stimmt uneinheitlich zur Krankenhausreform ab
Update vom 22. November, 12.28 Uhr: Der Bundesrat ruft zur Krankenhausreform nicht den Vermittlungsausschuss an. Das lag auch an Thüringen. Das Bundesland hat im Bundesrat in der Frage uneinheitlich abgestimmt. Zunächst stimmte Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) für die Anrufung des Vermittlungsausschusses – Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) widersprach aber diesem Stimmverhalten. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) stellte daraufhin fest, dass Thüringen uneinheitlich abgestimmt hat, die Stimme wurde als ungültig gewertet.
Erfolg für Lauterbach: Bundesrat billigt Krankenhausreform
Update vom 22. November, 11.55 Uhr: Der Bundesrat hat die umstrittene Krankenhaus-Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) passieren lassen. Bei der heutigen Abstimmung kam ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht auf die nötige Mehrheit. Damit kann die Reform in Kraft treten.
Krimi um Ampel-Krankenhausreform: SPD-Landeschef schasst Ministerin kurz vor Abstimmung
Update vom 22. November, 11.14 Uhr: Am Tag der Entscheidung über die Krankenhausreform im Bundesrat hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen. Sie sei von ihren Amtsgeschäften entbunden, teilte die Staatskanzlei mit. Nach dpa-Informationen soll ein Konflikt über die Krankenhausreform Grund für die Entlassung sein.
Offizielle Angaben gibt es bislang nicht. Das Boulevardblatt Bild indes interpretiert den Vorgang so, dass ein SPD-Landeschef seine grüne Gesundheitsministerin entlasse, weil sie für die Krankenhausreform eines SPD-Gesundheitsministers stimmen wollte. Nonnenmacher wäre ohnehin in wenigen Tagen aus dem Amt ausgeschieden. Sie hatte vor einem vorläufigen Aus der Krankenhausreform im Bundesrat gewarnt. „Wenn eine neue Bundesregierung mit der Krankenhausreform von vorn anfängt, bekommen wir eine neue Zeit der Unsicherheit“, hatte sie kürzlich gesagt.
Streit um Krankenhausreform: Woidke entlässt Gesundheitsministerin
Update vom 22. November, 10.40 Uhr: Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen. Hintergrund ist mutmaßlich der Streit um die Krankenhausreform, wie der Sender rbb berichtet. Nonnemacher wollte sich heute in der Länderkammer dagegen aussprechen, den Vermittlungsausschuss anzurufen, hieß es in dem Bericht weiter. Ihre Argumentation: Dadurch würden sich dringend benötigte finanzielle Hilfen für Brandenburgs Krankenhäuser verzögern.
Bundesrat stimmt über Lauterbachs Krankenhausreform ab – Bayern will Vorhaben noch stoppen
Erstmeldung: Berlin – Am Freitag soll die umstrittene Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ihre letzte Hürde im Bundesrat nehmen. Die Länderkammer entscheidet heute in Berlin, ob sie das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz passieren lässt – oder ob sie es in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schickt und die Umsetzung vorerst stoppt. Ob eine Verständigung im Vermittlungsausschuss zeitlich überhaupt noch umsetzbar wäre, bevor im Februar 2025 Neuwahlen auf Bundesebene anstehen, ist ungewiss. Die Überweisung der Krankenhausreform könnte also de facto ihr Ende sein.
Krankenhausreform: Bayern pocht auf Vermittlungsausschuss
Aus Bayern waren am frühen Freitagmorgen kritische Stimmen zu hören, die sich gegen Lauterbachs Krankenhausreform richteten. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hat an alle Bundesländer appelliert, die Krankenhausreform zur Nachbesserung in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Die Landesministerin betonte jedoch, dass es ihrer Partei nicht darum gehe, die Reform zu Fall zu bringen, sondern die Versorgungssicherheit in allen Teilen Deutschlands unter den neuen Regeln sicherzustellen. Das sagte die CSU-Politikerin der Augsburger Allgemeinen (Freitagsausgabe). „Auch Bayern ist für eine Krankenhausreform – aber sie muss sinnvoll und praxisorientiert sein“, fuhr Gerlach fort.
Die Länder müssten auch eigenständig festlegen dürfen, an welchen Standorten sie Leistungen zum Beispiel in Kooperation oder andere Ausnahmen von den Anforderungen der neuen Leistungsgruppen zuließen. „Das sind zentrale Forderungen Bayerns und vieler anderer Länder“, sagte die CSU-Politikerin.
Lauterbach pocht auf Verabschiedung der Krankenhausreform – kritische Töne auch aus NRW
Auch aus NRW kommen kritische Töne. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kritisiert vor allem die fehlende Umsetzbarkeit des Vorhabens. Das Problem sei, dass der Bundesgesundheitsminister mit dem Gesetz Standards setze, „die wir einfach in der ländlichen Fläche nicht hinkriegen, weil wir die Leute nicht haben“, sagte er im „Morgenmagazin“ der ARD. Genug Zeit, um das Gesetz zu ändern, gibt es laut Laumann aber: „Wenn sich da vernünftige Leute zusammensetzen, ist das nach meiner Meinung in einem halben Tag besprochen.“
Gesundheitsminister Lauterbach hatte am Donnerstag noch für die Verabschiedung des Vorhabens geworben. „Da geht es um alles“, schrieb Lauterbach auf dem Kurznachrichtendienst X mit Blick auf das Votum der Länderkammer. „Die Reform würde durch mehr Spezialisierung jeden Tag Menschen das Leben retten.“ Auch im Interview mit der ARD betonte Lauterbach am Donnerstag die Relevanz der Reform „Wir verlieren jeden Tag Leben, weil wir nicht genug spezialisiert sind“. Mit der geplanten Krankenhausreform wären die Prognosen „für viele Krebspatienten und auch für viele Patienten mit großen Herzoperationen“ besser. Es gehe in erster Linie nicht um Geld, „sondern um Lebensrettung“.
Lauterbachs Krankenhausreform soll letzte Hürde im Bundesrat nehmen
Im Kern soll die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll Anreize zu immer mehr Fällen und medizinisch teils nicht optimalen Eingriffen beseitigen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen daher auch neue „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen die jeweiligen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern – etwa beim Fachpersonal oder der Behandlungserfahrung. Kommen soll zudem ein milliardenschwerer „Transformationsfonds“, um die aufwendige Neuorganisation finanziell zu unterstützen.
Die gesetzlichen Krankenkassen appellierten, die Reform passieren zu lassen. „Wir können es uns nicht erlauben, auf die ‚perfekte Reform‘ zu warten“, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis. Ein „Weiter-so“ ohne eine Perspektive für eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten wäre ein fatales Signal. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat die Länder derweil dazu aufgefordert, die Krankenhausreform in den Vermittlungsausschuss zu schicken. „Wir appellieren an die Länder, die Krankenhausreform in den Vermittlungsausschuss zu überweisen“, sagte DKG-Chef Gerald Gaß der Rheinischen Post von Freitag. „Wenn sowohl Bund als auch Länder guten Willens sind, kann diese Reform gerettet und zu einem besseren Gesetz gemacht werden.“ Die Sitzung des Bundesrates startet um 9.30 Uhr. (fd)