30 Juli 2021

Du bist gegangen

Sie haben dir nicht geglaubt.

Du warst noch jung, ein Mädchen mit Träumen, mit Phantasie.

Sie haben dir nicht geglaubt.

Das passiert irgendwo anders, nur nicht hier.

Sie haben dir nicht geglaubt.

So ein netter Mann, selbst vier Kinder und immer freundlich.

Sie haben dir nicht geglaubt.

Dich zu missbrauchen, immer wieder.

Ich habe dir geglaubt.

 

Jetzt liegst du da, auf dem Teppich.

Da gibt es nichts mehr zu glauben.

Du bist tot.


[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenDienstliche Glossen] 

20 Juli 2021

Zum Geburtstag meiner Tochter (2021)

Letztes Jahr haben sich zwei Zweien getroffen. Und ein Jahr ihre Verbindung als Zwilling gelebt. Das ändert sich ab heute, löst doch die Drei die zweite Zwei ab. Auf dem Weg durch den Verkehr des Lebens hat sich nun die Zwei nach vorne gesetzt und sitzt auf Steuer- und Beifahrersitz. Auf der Rücksitzbank hat es sich die Drei bequem gemacht, genug Platz für ihre beiden großen Busen.

Lustig ist die Fahrt und zwischendurch kommt von hinten Lachen und Gejohle, jetzt ist Kinder an die Macht zu hören, gebt den Kindern das Kommando tönt es dreistimmig.

Überhaupt, warum nicht auch mal tauschen? Die Drei beginnt zu quengeln, will auch mal vorne sitzen und lenken, sehr zum Verdruss der Zwei. Das Lachen verebbt, die Atmosphäre wird gespannt. Dann hat die Zwei eine Idee, „wir drehen das Auto einfach um, dann sitzt Du vorne, aber ich lenke immer noch“, versucht sie einen Kompromiss zu finden.

Nach kurzem Nachdenken willigt die Drei ein, denn egal wie die Führungssache ist, damit sind die beiden Zweiunddreißig und das kann sich doch sehen lassen. 

Nun hat die Drei auch noch einen guten Einfall: „Wir suchen uns ein anderes Pärchen, koppeln die beiden Autos und dann geht richtig die Post ab.“ Eine Dreiundzwanzig zusammen mit einer Zweiunddreißig: Das ist die Schnappszahl auf fünf.

„Juchhu,“ jodelt die jetzt wieder fröhliche Drei, „wir rocken das Leben“. Und ein wenig nachdenklich setzt sie hinterher: „Denk Dir nur, hätten wir das letztes Jahr gemacht, dann hätten wir auch eine Schnappszahl erreicht, aber nur die auf vier.“

„Mega,“ schließt die Zwei das Gespräch, „und das auch noch gerade im Jahr 2021, in dem unser Vater der Zahlen auch gerade fünfundfünfzig geworden ist - wenn das kein glücklicher Zufall ist.“

[Andere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken, Dienstliche Glossen] 



16 Juli 2021

In der Traumwelt

Es ist schon spät, müde schlendere ich zum Bett, lege mich behutsam auf die weiche Matratze, die kuschelige Bettdecke und lösche das Licht. Du liegst neben mir, auch müde und im Halbschlaf tastest du nach meiner Hand, hältst sie und wir machen uns auf den Weg in eine andere Welt, die wir jede Nacht besuchen.

Noch sind die Gedanken nicht bereit, mich aus der Alltagswelt zu entlassen, der vergangene Tag geht mir genauso durch den Kopf wie der folgende; sind die Überlegungen am Anfang noch strukturiert, so kommen sie mehr und mehr durcheinander, bilden ein zunehmend chaotisches Durcheinander.

Gerade höre ich dich langsamer und gleichmäßiger atmen, du bist schon in der Traumwelt angekommen, „ich komme gleich“, möchte ich dir zurufen, aber das würde unsere Wanderung stören und so nehme ich deine Hand nur etwas fester und sehe jetzt den hellen Weg durch ein sonniges Feld vor mir, durch das wir spazieren gehen. Am Waldrand wird es dunkler, der Weg jetzt etwas saftiger bewachsen, nicht mehr so deutlich als Weg zu erkennen, dann noch etwas dunkler und die Geräusche ändern sich vom Zirpen der Grillen zu waldruhigem Knacken von Ästen, begleitet vom Wechsel der Gerüche hin zu einem feuchten, geradezu moderigen Waldpilzaroma.


Wir laufen weiter, immer tiefer in den Wald hinein und eine tiefe Entspannung legt sich über mich, jetzt wird auch mein Atem langsamer, die Gedanken entlassen die Verarbeitung der Vergangenheit und der Zukunft, nur du bist noch bei mir, im Wegdämmern spüre ich noch mal bewusst deine Hand, bevor ich eins werde mit dir und dem Wald und dem Boden.

09 Juli 2021

Die Fahrkarte


Ich habe sie in der Hand. Ganz fest. Ich kann sie in die Tasche stecken. Ich bin noch einige Kilometer vom Bahnhof entfernt. Es wäre kein Problem, den Zug einfach fahren zu lassen. Nennen Sie es Bequemlichkeit. In meiner Hosentasche drückt mich etwas. Ein kleines Stück harter Pappe drängt mich hin. Zu meinem Bahnhof.

Noch zwanzig Minuten.

Ein Bier, und er ist weg. Aber sie ist nicht weg. Ich könnte sie natürlich auch einfach vergessen.

Verlieren. So einfach geht es nicht. Mein Zug wird nicht ohne mich fahren. Ich stehe auf der Straße. Auf irgendeiner Straße in irgendeinem Viertel irgendeiner großen Stadt. Die Stadt mag mich nicht. Ich mag sie nicht.

Nein, ich mag sie wirklich nicht, und nur noch fünfzehn Minuten.

Irgendwoher kommt eine kleine Träne. Die Fahrkarte ist mehr als die Bezahlung für ein Transportmittel. Sie ist das Siegel unserer Trennung. Ich und die Stadt. Die Stadt und ich. Wir waren kein Traumpaar. Ein paar schöne Tage, gerade schön genug für eine Träne. Mehr wäre Verschwendung.

Noch zehn Minuten.

Noch kann ich umkehren. Mir fällt alles wieder ein, das Eis, das mir runtergefallen ist, das Kino, ganz dunkel in der letzten Reihe, die Spaziergänge und die unzähligen Fotos. Und immer warst du da.

Noch fünf Minuten.

Gewiss sind die Weichen schon gestellt. Nur noch einsteigen und alles vergessen. Nur sie, sie darf ich nicht vergessen. Wie ich das Bett gemacht habe, und das Licht, ja, das Licht habe ich angezündet. Nur ein paar Kerzen. Aber das Telefon hat nicht geklingelt und ich war einsam.

Ich steige ein. Ich weiß nicht, wohin erfährt, und ich glaube nicht, dass es einen Schaffner gibt, der dich sehen will. Der Zug rollt an. Du hast mich verlassen.
[02/1985]

[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenDienstliche Glossen] 

02 Juli 2021

Der wahre Grund für mein Schreiben von Blogs

Ich werde gelegentlich gefragt, warum ich eigentlich dauernd was in einen Blog schreibe. Dann erzähle ich von interessanten Ideen, die ich gerne teilen möchte. Weise auf intellektuelle oder gar literarische Fähigkeiten hin. Aber das ist natürlich glatt gelogen.

Der wahre Grund ist viel simpler. Da ich für einen Freizeitautor ziemlich fleißig schreibe, kommt einiges an Material zusammen. Das könnte ich nehmen und abheften, was mir aber nicht sicher genug ist. Dann gibt es die Alternative, es in eine Datencloud zu laden. Da bin ich skeptisch, denn die Wolken können auch mal regnen und weg ist das ganze Geschreibsel.

 Wodurch ich zu der Möglichkeit der Blogs gekommen bin. Sie unterscheiden sich zwar in der Leserschaft von der Datencloud (dort sind es Hacker und Geheimdienste, hier deutlich weniger „Follower“ mit zu viel Zeit). Aber sie sind ebenso sicher und ich verteile das Risiko des Vergessens nicht nur auf Computer-Festplatten, sondern auch auf mehrere Schultern. Meine Leser sind sozusagen unfreiwillig mein ausgelagertes Gedächtnis. Und das ist gut so, denn ich merke, wie ich im Laufe des fortschreitenden Alters immer vergesslicher werde.

[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenDienstliche Glossen] 

  翻译: