29 März 2024

Urlaub

Urlaub
Hauptsache raus hier

Hauptsache was los da

Nur nicht zu viel mit

Am liebsten oben ohne

Cocktail im Preis inklusiv

Schwimmbad ganz exklusiv

Mein Zimmer ganz oben

Bar ist ganz unten

Essen ist billig

Der Flug ist teuer

Ich wohne im Einzelzimmer

Und pfeif‘ mir eins.

22 März 2024

Kurz-Roman

Mini-Roman

Auf die Welt gekommen. Schreien, sabbern, schlafen.
Die erste Bewegung. Robben, krabbeln, vorwärtsschieben.
Gehen lernen. Überhaupt ganz viel lernen. Wie geht dies, was höre ich da.
Da sind ja auch noch andere. Krabbelgruppe, Kindergarten, Schule
Auszubildende, Lehrlinge, Studierende.
Und die große Liebe.
Einstieg ins Berufsleben. Ellenbogen, Taktik und Chancen
Karriere und Zielstrebigkeit. Mit Geschick die Leiter hoch.
Familie und Kinder. Heim und Hund.
Zenit erreicht. Nachrückende Nachwuchskräfte ohne Respekt.
Nochmal alles auf eine Karte. Das war noch nicht alles.
Dem Ruhestand entgegen. Die Resilienz des Alterns
So schwer alles. Gesundheit, Körper, Denken und Machen.
Die Enkel kommen. So viel Zeit.
Noch geht es weiter. Das Lebenslicht flackert.
Zufriedener Rückblick. Viel erreicht, jetzt ist genug.
Trotzdem war es zu früh.

15 März 2024

Lebensetappe 4: Am Ende des Weges

Als wir uns das letzte Mal sahen. Irgendwo im Backstage-Bereich einer kleinen Bühne in der Provinz. Du warst nass geschwitzt, beim Auftritt hattest du mal wieder alles gegeben. Das war dein ganzes Leben lang so: Immer alles geben, das war dein Anspruch, das warst du dir schuldig, das musste das Publikum von dir erwarten können.

Lebensetappe 4 Am Ende des Weges
Ein wenig kurzatmig warst du, eine Wasserflasche in der Hand, die Zeiten mit Bier und Schnaps sind schon lange vorbei. "Und", willst du von mir wissen, "war es gut heute Abend?" Immer diese Frage, nie ob du gut warst, sondern ob es gut war. Ich nicke und du nimmst noch mal einen Schluck aus der Flasche. Dein T-Shirt klebt dir am Körper, "ok", sagst du, und streckst die Faust in meine Richtung: Schlag ein! und ziehst sie zurück, machst einen großen Schritt auf mich zu und nimmst mich in den Arm.

Du fühlst dich feucht an und warm, es ist mir unangenehm, auch oder gerade weil es eine persönliche, ja intime Berührung ist. Ich spüre deine Schwäche, heute bist du nicht nur körperlich erschöpft, auch emotional hast du dich noch mal komplett verausgabt. Wenn du auf der Bühne bist, ist das Publikum nur im ersten Moment da, danach wird es zu einer Art Medium, einer Schwingung, die du aufnimmst, in dir verstärkst und dann wieder ausstrahlst.

Dieser Prozess der Verwandlung in eine Art Transzendenz, Entschlüpfen aus dem Körper und Übergang in eine andere Form der Existenz macht deine Auftritte aus. Sichtbar, physisch vorhanden und doch nicht wirklich greifbar.

Aber jetzt bist du greifbar, drückst mich feste an dich, dann "bitte geh raus, ich komme gleich nach" und schiebst mich aus der Garderobe. Ich stehe vor der Tür, fast zugeschlagen hast du sie hinter mir, orientiere mich kurz und gehe zu den anderen. Sie stehen da, schauen kurz in meine Richtung, auch deine Frau dabei und alle sind vom Auftritt noch geflashed. Aftershow eben, tausendmal erlebt.

Es ist offensichtlich, dass sie nichts ahnen, keiner von ihnen, deine Frau am wenigsten, es wird geraucht und von Ferne höre ich das Publikum noch vereinzelt klatschen, während es  den Saal verlässt. Es könnte ein Abend wie so oft gewesen sein, aber er war anders, ein Aufflackern vor dem endgültigen Verlöschen oder habe nur ich das gespürt?

Es war ein Roadie, der dich in der Garderobe fand. Ganz entspannt schienst du im Stuhl vor dem Schminkspiegel zu sitzen, schlafend hätte man meinen können, aber es war kein Schlaf.

08 März 2024

Lebensetappe 3: Die brüchige Himmelsleiter

Lebensetappe 3 Die brüchige Himmelsleiter

Das Einkaufszentrum ist ziemlich voll, Menschenmassen drücken sich durch die Gänge und stehen vor den Geschäften. Weiter hinten wird es etwas ruhiger, und genau dort sehe ich eine Frau, wild gestikulierend, sie redet auf eine Verkäuferin ein.

There's a lady who's sure all that glitters is gold
And she's buying a stairway to Heaven

Im Näherkommen kann ich einzelne Wortfetzen auffangen, offensichtlich geht es um eine Retoure oder eine Reklamation, jedenfalls scheint etwas nicht so zu klappen, wie es sich die Kundin vorstellt. Sie ist Mitte vierzig, eine schöne Frau, früher wahrscheinlich sogar ein Model-Typ. Unübersehbar ist sie es nicht gewohnt, nicht ihren Willen zu bekommen.

When she gets there she knows, if the stores are all closed
With a word she can get what she came for

Sie hat ganz rote Wangen, hitzig versucht sie, an der Verkäuferin vorbei zur Geschäftsführerin vorzudringen. Die Angestellte bleibt ruhig, erklärt ihr geduldig die Probleme mit ihrem Anliegen und lässt sich nicht von ihrer inzwischen schrill gewordenen Stimme und von den lautstark vorgetragenen Drohungen beeindrucken.

Dear lady, can you hear the wind blow?
And did you know
Your stairway lies on the whispering wind?

Wütend steht sie da, manche Leute drehen sich nach ihr um, aber eigentlich nicht nach ihr sondern nach der Quelle der Schreierei. Sie ist außer sich, aber mit diesem Auftritt kommt sie ganz offensichtlich nicht weiter. Einen Moment lang keift sie noch mal, dann wird sie still, wirft den Kopf in den Nacken und eilt davon. Noch mal ein kurzer Anflug von Souveränität.

There walks a lady we all know
Who shines white light and wants to show
How everything still turns to gold




01 März 2024

Lebensetappe 2: Lass mich mal durch

Lebensetappe 2: Lass mich mal durch
Fred hatte sie angeschleppt. Eine junge Studentin, naturschön, linksliberal, angehende Sozialpädagogin, wild. Fred erzählte, dass er sie auf einer Demo kennengelernt hatte. Sie hatten gemeinsam an der Startbahn West gekämpft, zuerst friedlich, dann zunehmend aggressiv.

Berta kam also zu uns in die WG und erwies sich als ziemlich robust und trinkfest. Sie hatte eine sehr direkte Art, sprach alle Dinge unumwunden an und kannte keine Hemmungen. Jungs, auf die sie Lust hatte zog sie ohne Umwege in das nächste erreichbare Schlafzimmer, wer ihrer Meinung widersprach konnte aber auch mal einen derben Schlag oder Tritt abbekommen.

Überhaupt: Ihre Erzfeinde waren die Bullenschweine. Von denen wurde sie regelmäßig gejagt, einfach weil sie zur Demo gekommen war. Fragte man nach, war sie dann doch nicht so ganz unschuldig an der ruppigen Behandlung durch die Polizisten. Trotzdem fühlte sie sich von denen permanent gegängelt und weitgehend grundlos mit dem Schlagstock verprügelt.

Ihre Eltern hatten sie zuerst ja auch so erzogen, Kind, lass dir nichts gefallen, als Mädchen schon gar nicht. Aber im Laufe der Pubertät hatte sich dieser Ansatz dann verselbständigt, Berta war aufmüpfig mit Hang zur Brutalität geworden. Wo sie auftauchte ging jede Harmonie in polare Haltungen über, sorgte ihre bei Bedarf mit Handgreiflichkeit vertretene Meinung für geladene Stimmung.

Allerdings konnte sich Berta auch für Dinge begeistern und dann ihre ganze Energie helfend und konstruktiv einbringen. Der Schutz der Bäume, die Unterstützung der betroffenen Anwohner und die Ablehnung der durchgeboxten Entscheidung zum Bau der Startbahn nahmen sie voll in Anspruch. Sie kämpfte verbissen mit aller Kraft gegen alle, die ihr entgegentraten.

Den Befehl „Lass mich mal durch“, schrie sie dem Polizist ins Gesicht, der sie am Betreten der Baustelle hindern wollte und ging damit in die Geschichte der Demonstranten ein. Der Beamte war perplex, dass diese junge Frau völlig unerwartet dermaßen laut werden konnte, ihm den Helm vom Kopf schlug und ihn mit geschicktem Tritt sogar zu Boden segeln ließ.

Die Prügel seiner Kollegen, die Verhaftung und die Gerichtsverhandlung nahm sie ungewohnt gelassen. Der Richter war sprachlos, als sie ihm vorschlug, anstelle der Strafe Sex mit dem geschädigten Polizisten haben zu wollen. Ihr sei es wichtig auszudrücken, dass sie nichts gegen den Mann habe, sondern nur gegen das irre System, dem er sich verschrieben habe. Es blieb dann letztlich doch beim verhängten Urteil, aber einen reißerischen Artikel in der Lokalzeitung gab es schon.

[Lebensetappe 1: Willkommen auf der Welt]
[Lebensetappe 3: Die brüchige Himmelsleiter]
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