Aus dem Kurs: Unconscious Bias – Unbewusste Denkmuster erkennen und ändern

Die Perspektive wechseln

Haben wir die Kapazitäten, die Perspektive zu wechseln und die Welt genauso wahrzunehmen wie unser Gegenüber? Welche Grenzen hat unsere Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen? Der Philosoph Thomas Nagel hat Anfang 1970 ein Essay veröffentlicht, das auf interessante Art und Weise die Grenzen unserer Wahrnehmung beschreibt. Unter dem Titel Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? entwickelte Nagel eine Theorie darüber, wie viel beziehungsweise wie wenig wir über die Weltansicht eines anderen Wesens wissen können. Mit Echoortung haben Fledermäuse die faszinierende Fähigkeit, sich ohne Sehvermögen in völliger Dunkelheit zu orientieren. Sie stoßen dabei Ultraschallwellen aus, die von Objekten im Raum zurückgeworfen werden. Die einzelnen Echos werden von der Fledermaus wahrgenommen und in ihrem Gehirn in ein dreidimensionales Bild der Umgebung umgewandelt. Kann ein Mensch diese Fähigkeit entwickeln? Laut Nagel: nein. Egal, wie gründlich Wissenschaftler beispielsweise die Fähigkeit zur Echoortung bei Fledermäusen studieren, wir werden nie in der Lage sein, unsere Umgebung so wahrzunehmen wie eine Fledermaus; es sei denn, unter den Zuschauern dieses Videotrainings sitzt Batman. Wir können uns lediglich vorstellen, wie es sich anfühlen könnte, eine Fledermaus zu sein. Die gute Nachricht ist, Sie haben absolut die Kapazität, sich vorzustellen, wie die Welt aus der Perspektive von jemand anderem aussehen könnte. Der erste Schritt ist es, Bewusstsein dafür zu schaffen. Studien mit blinden Menschen haben gezeigt, dass ihr Hörvermögen sich so gut ausgebildet hat, dass Umgebungsgeräusche von Regionen im Gehirn verarbeitet werden, die eher dem Sehvermögen zuzuordnen sind. Echoortung ist also eine erlernte Fähigkeit und unser Gehirn kann sich anpassen. Wenn Sie wissen möchten, wie gut Sie sich ohne Sehvermögen in einem Raum orientieren können, gehen Sie doch mal zu einem Essen im Dunkeln, bekannt als Dinner in the Dark. Sie werden blinde Menschen im wahrsten Sinne des Wortes mit anderen Augen sehen. Thomas Nagel zeigt in seinem Essay die Grenzen unserer Wahrnehmung auf. Er spricht von Fledermäusen, aber es könnten natürlich auch andere Menschen sein. In den Achtzigerjahren entwickelte Nagel seine Idee zur Wahrnehmung weiter. Sein Buch Der Blick von nirgendwo gilt heute als Klassiker der Philosophie. Er beschäftigt sich darin mit einer einzigen Frage: Wie können wir unsere subjektive Perspektive mit einer objektiven Sicht auf diese Welt verbinden? Eine wichtige Erkenntnis ist, dass der Blick von nirgendwo nicht existiert. Gemäß Nagel ist es unsere lebenslange Aufgabe, unseren objektiven Blick zu trainieren. Es gilt das Spannungsfeld zwischen zwei Perspektiven zu überbrücken, unsere eigene und die unseres Gegenübers. Dies kann nur durch eine Sowohl-als-auch-Einstellung erreicht werden und nicht durch ein Entweder-oder-Denken. Versuchen Sie doch einfach mal, bei Ihrem nächsten Gespräch mit einem Teammitglied sich vollständig in diesen Menschen hineinzuversetzen. Sie erreichen dies durch uneingeschränkte Aufmerksamkeit und intensives Zuhören. Wie mag die Person ihre Umgebung wahrnehmen? Wie wirken Sie auf sie? Wie sieht die Welt mit ihren Augen aus? Es gibt so viele Perspektiven, wie es Menschen gibt. Die Welt ist und bleibt dadurch chaotisch, komplex, vielfältig und mehrdeutig. Sie ist viel mehr als "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht" oder eine Bewertung auf einer Skala von 1 bis 5. Wenn Sie noch mehr über das Thema Perspektivenwechsel lernen möchten, schauen Sie sich gerne das Video Unterschiedliche Perspektiven erkennen aus meinem Videotraining Multikulturelle Teams führen an.

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