⚖ Was passiert, wenn sich zwei Aktionäre, die beide 50% der Aktien einer Aktiengesellschaft halten, zerstreiten und sich nicht mehr einigen können (sog. «Pattsituation» oder «Dead Lock»)?
Eine Pattsituation im Aktionariat kann insbesondere zu einem sog. Organisationsmangel führen, z.B. weil durch die Uneinigkeit bzw. Stimmengleichheit in der Generalversammlung der Verwaltungsrat oder die Revisionsstelle nicht mehr gewählt werden können und der Gesellschaft in der Folge eines der vorgeschriebenen Organe fehlt (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1 OR).
Fehlt eines der vorgeschriebenen Organe, kann beim Gericht beantragt werden, dass es die erforderlichen Massnahmen zur Behebung des Organisationsmangels ergreift. Gemäss Art. 731b Abs. 1bis OR kann das Gericht insbesondere:
- der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand wiederherzustellen ist;
- das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen;
- die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen.
Ein ebensolches gerichtliches Organisationsmangelverfahren war Gegenstand des kürzlich erschienenen Urteils des Bundesgerichts 4A_50/2024 vom 5. Juni 2024 (wobei hier nur auf die in Erwägung 3.1.1 genannten Grundzüge eigegangen wird).
Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung hielt das Bundesgericht fest, dass es sich bei den oben genannten Massnahmen nur um einen exemplifikativen, nicht abschliessenden Katalog handelt und das Gericht auch nicht gesetzlich typisierte Massnahmen anordnen kann.
Für den Fall blockierter Zweipersonenaktiengesellschaften erwähnt das Bundesgericht explizit auch die Möglichkeit der Übernahme der Aktien des einen Aktionärs durch den anderen im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Versteigerung. Von Relevanz ist auch, dass dem Gericht ein sehr weiter Ermessenspielraum zugestanden wird und die sog. Offizialmaxime gilt. Das Gericht ist deshalb nicht an die Parteianträge gebunden und kann sogar andere als von einem Gesuchsteller beantragte Massnahmen ergreifen. Insofern ist man stückweit auch dem "Gutdünken" des Gerichts ausgesetzt. Sollte aus Sicht des Gerichts keine der denkbaren Massnahmen zum Ziel führen, wird die Gesellschaft aufgelöst und über sie der Konkurs eröffnet.
Es gilt daher gut zu überlegen, ob ein Zweipersonenaktionariat mit hälftiger Kapitalbeteiligung gewollt ist. Immerhin bestehen gesellschaftsrechtliche sowie vertragliche Möglichkeiten einem Organisationsmangel so gut wie möglich vorzubeugen. Auf vertraglicher Ebene bieten sich Aktionärbindungsverträge an, indem man sich z.B. das Recht einräumen lässt, einen oder mehrere VRs benennen zu dürfen. Diesen vertraglichen Anspruch kann man alsdann notfalls auch vor Gericht durchsetzen.