Vom Zeitgeist erdrückt? Oder: "wie wir uns selbst ausbremsen". Das muss jetzt raus bei mir! Unsere Gesellschaft gleicht einer Bühne, auf der jeder seinen eigenen Monolog führt. Freizeit ist zur heiligen Kuh geworden, Lernen ein müdes Schulterzucken wert. Statt Gemeinschaftssinn dominieren Solo-Abenteuer, gestreamte Serien und der nächste Konsumrausch. Wir geben immer mehr aus – für Weihnachtsgeschenke, Kinder als Statussymbole oder den neuesten Technik-Hype – aber echte Großzügigkeit? Fehlanzeige. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter auseinander, während auf den Straßen Brutalität und Egoismus regieren. Kinder sollen heute wie Prinzen und Prinzessinnen aufwachsen, perfekt behütet und von Grenzen möglichst unberührt. Doch wo führt das hin? Zu einer Gesellschaft, die Erziehung als notwendiges Übel ansieht, ohne ihre Tragweite zu begreifen. Und dann wundern wir uns, wenn die nächste Generation mit Verantwortung oder gar Höflichkeit nichts mehr anzufangen weiß. Ein weiteres Symptom: die Fähigkeit, echte Diskussionen zu führen, scheint zu verschwinden. Statt Argumenten dominieren Ignoranz und die Weigerung zuzuhören. Dialektik? Fehlanzeige. Statt auf einer sachlichen oder gar wissenschaftlichen Basis zu diskutieren, wird mit roher Emotionalität agiert. Das spaltet nicht nur Familien und Freundeskreise, sondern erschwert auch den Austausch in Unternehmen und Politik. Auch in der Unterhaltungswelt hat sich der Fokus verschoben: Früher fesselten Geschichten durch Tiefe und Intelligenz, heute durch Zooms auf spritzendes Blut und laute Effekte. Superhelden sind keine Vorbilder mehr, sondern Gewaltmaschinen, die oft nur sich selbst feiern. Gemeinschaft, Werte oder das Einbinden der Zuschauer in die Interpretation? Altmodisch! Die Krönung: Wir trennen uns selbst (!) immer stärker in Konsumenten und Produzenten. Dank KI könnten wir kreativer denn je sein, doch wir bleiben bei Copy-Paste stecken. Führung wird gemieden, Verantwortung an die nächste Generation abgeschoben. Das sehen wir in vielen Unternehmen, die wir beraten. Besonders gefährlich: Die Meinungshoheit. Früher hatten wir zahlreiche Quellen, um uns ein eigenes Bild zu machen. Heute werden uns Meinungen und sogar Handlungsanweisungen in Artikeln direkt mitgeliefert. Der gesellschaftliche Mainstream sollte kritisch reflektiert werden, ohne dabei als „gelenkter Staatsjournalismus“ abgestempelt zu werden. Diese Entwicklung macht unsere Demokratie anfällig, weil sie uns die Fähigkeit nimmt, wirklich eigenständig zu denken und zu handeln. Könnte es sein, dass uns genau das, was wir als „Fortschritt“ feiern, zum gesellschaftlichen Rückschritt führt? Oder haben wir einfach vergessen, was es bedeutet, wirklich gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten? Vielleicht sollten wir aufhören, die Schuld bei der Politik, der KI oder dem „System“ zu suchen – und stattdessen bei uns selbst anfangen.
Beitrag von Dirk Linn
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