Beitrag von Dr. Júlia Pommerening

Von Nazis und Selbstzweifel (www.der-disrupteur.de)   Vor einigen Tagen las ich in meiner Heimatzeitung, die aufgrund befürchteter völkischer Assoziationen so nicht mehr genannt werden will, von einem Uhrenhersteller in der Sächsischen Schweiz. Genauer gesagt einem aus Glashütte, wo man Chronographen fertigt, für die man sich auch einen Kleinwagen an das Handgelenk binden könnte, wäre der nicht erheblich zu schwer. Dieser Uhrenhersteller sorgte sich nun um die um ihn herum erstarkende AfD, den zunehmenden Faschismus und sein Image. Was geschieht, wurde eine Gesellschafterin in dem Beitrag zitiert, wenn uns unsere Kunden Fragen zu stellen beginnen? Beispielsweise, ob ihre Uhr von einem Nazi zusammengeschraubt wurde? Oder aus den Merkmalen des Produkts Duldung oder gar Sympathie für rechtes Standing gedeutet würde? Der Autor sparte nicht mit Lob über einen solchen klaren Klassenstandpunkt. Immerhin wäre der Uhrenhersteller eines der wenigen Unternehmen, das sich eindeutig gegen rechts positionierte, während nahezu alle DAX-Konzerne schweigen würden. Mich beeindruckte der Beitrag sehr und ich überlegte, dazu eine Kolumne zu schreiben. Glaubt man den Wahlforschungsinstituten, werden in diesem Jahr und in dieser Region nahezu dreißig Prozent die AfD wählen. Also etwa jeder Dritte der beim Bäcker Wartenden. Diese Kolumne, überlegte ich, müsste nicht das Spaltende, sondern das Gemeinsame betonen. Das miteinander leben und auskommen, das aufeinander zu gehen. Es ist doch nicht die komplette Viererkette einer Fußballmannschaft Nazi. Unter den AfD-Wählern sind auch Mitläufer, Gefrustete. Menschen, die in einer Diktatur groß wurden, und nun aus den von der Politik gesendeten Signalen die Wiederkehr eines Regimes zu erkennen glauben. Wie viele der acht Elternpaare einer 25-kindrigen Grundschulklasse könnten wir aus der Fascho-Ecke, in die sie gestellt wurden, herausholen? Indem wir mit ihnen reden, ihnen reale Zwänge erklären und die ideologisierende Politik zugunsten einer pragmatischen, für alle Seiten akzeptablen Entwicklung korrigieren. Doch dann kamen die Selbstzweifel. Würde ich nicht mit einer solchen Kolumne selbst in das Fadenkreuz der Demokratiebewahrer geraten? Von denjenigen, die die Laternen meiner Heimatstadt mit „FCK AfD“ oder „Nazis ausrotten“ Aufklebern überziehen. Die Briefkästen anzünden, Reifen zerstechen und besonders missliebigen Personen mit Holzlatten auflauern. Und was würden meine Freunde und Kollegen dazu sagen, wenn ich so in den Ruch des Rechten geriete? Würden sie von mir abrücken, obwohl sie nicht so recht sagen könnten, was mir vorzuwerfen sei? Würde ich abgeschnitten sein, Aufträge verlieren und von Leuten hofiert werden, mit denen ich mich noch nie gemein fühlte? Irgendwie bin ich froh, dass ich diese Kolumne, die mir in Anbetracht der Reportage in den Sinn kam, nicht geschrieben habe…

WIR LASSEN UNS UNSERE FREIHEIT NICHT NEHMEN so hieß und heißt es zuverlässig immer dann von staatlicher Seite, wenn wieder ein fürchterlicher Terroranschlag unsere "freiheitliche westliche Welt" erschüttert hat. Echt jetzt? Nein! Terroranschläge und Terrordrohungen bedrohen uns längst so sehr, dass unsere Freiheit massiv nicht nur eingeschränkt, sondern uns ganz konkret "genommen" wird. Letztes Beispiel: Die Absage von drei Konzerten des amerikanischen Superstars Taylor Swift. Wenn es keine Freiheitsbeschränkung, ja ein "Wegnehmen" von Freiheit ist, Konzerte seiner Wahl wann und wo auch immer ohne Furcht besuchen zu können, was dann? Also: Die Freiheit derer, die dafür viel aus sich genommen haben, diese Konzerte zu besuchen, ist natürlich "genommen" worden. Wenn es - wie selbst in Deutschland mittlerweile mehrere - sogenannte "No-go-areas" gibt, dann wird Freiheit nicht nur eingeschränkt, sondern "genommen". Wenn der erfahrene Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, erklärt (im aktuellen FOCUS), dass es in Deutschland "jederzeit und überall" zu einem Terroranschlag kommen kann, dann ist unsere Freiheit, so zu leben, wie wir es wollen, massiv bedroht, ja, durch ein vor einigen Jahren noch unnötiges "vorsichtiges Verhalten" genommen. Wenn Jahreswechsel in Berlin, die EM jüngst in Deutschland und aktuell die Olympischen Spiele in Frankreich nur noch unter dem Schutz von Tausenden von Soldaten und Polizisten - in Paris 45 000!! - abgehalten werden können, ist unsere Freiheit nicht nur bedroht; und den Sicherheitskräften, die selber sicher auch gerne einmal zu Konzerten oder Sportveranstaltungen gehen würden, "genommen"! Also Schluss mit dem Gerede von "Wir lassen uns unsere Werte und unsere Art zu leben nicht nehmen", sondern hin zu mehr wirkungsvollen Maßnahmen zu unser aller Schutz, auch wenn dann überzogener Datenschutz - Reul: "Der übereifrige Datenschutz darf nicht der Bremsklotz für die Innere Sicherheit sein" - geschleift werden muss, damit wir nicht auf Gedeih und Verderb von ausländischen Diensten zum Schutz unserer Sicherheit angewiesen bleiben. Damit uns unsere Freiheit nicht länger und immer mehr genommen wird, muss "in großem Stil", so Bundeskanzler Scholz vollmundig, abgeschoben; auch nach Syrien und Afghanistan. Scholz: "Das Sicherheitsinteresse Deutschlands (aktuell mehr als 400 Messerattacken, also mehr als zwei pro Tag!!!) wiegt schwerer als die Schutzinteressen des Täters". Es müssen Grenzkontrollen , die während der EM erfolgreich waren - Baden-Württembergs Innenminister Strobel: "Die Kritik am Binnengrenzschutz ist eindeutig widerlegt" - beibehalten und die geometrische Gesichtserkennung - gerade erst wieder von der Gewerkschaft der Polizei mit Nachdruck gefordert, zugelassen werden. Gerhart Baum ist zuzustimmen, "dass die Freiheit eine Lebens-, ja Überlebensfrage ist und bleibt". Richtig! Und die muss geschützt und verteidigt werden, damit sie uns nicht genommen wird.

Ich bin wütend! Wütend auf Journalist*innen, die ihren Job nicht machen und stattdessen mutmaßen, nicht sauber recherchieren und munter an der Eskalationsspirale um #Khelif weiterdrehen. Sie zerstören damit Vertrauen in unsere Medien. Das ist, als würden sie Rechtsextremen und Verschwörungsgläubigen den Ball auf den Elfmeterpunkt legen und den Torwart wegschicken. Gestern ist die allgemeine Empörungswelle bei Verschwörungserzählungen angekommen: Der algerische Präsident setzt auf die Juden-Verschwörung. In Deutschland ist die Russen-Verschwörung ein beliebtes Narrativ. Erschreckend: Die Sportschau macht mit. Statt aufzuklären, zu versachlichen und die Emotionen runterzukochen, wird munter mit an der Verschwörungsspirale gedreht. Auf meinen sachlichen Einwand hatte das Social-Media-Team der Sportschau nur Herablassung übrig. Zum Nachlesen: https://lnkd.in/edZUXE7h Es ist simpel. Fakt: Es gibt IBA-Testergebnisse. Unklar: Wie vertrauenswürdig sind sie. Klärung: IOC gibt eigenen Test in Auftrag Alles andere ist verantwortungslos sowohl gegenüber den mutmaßlich intergeschlechtlichen Boxer*innen wie den Frauen, die gegen sie antreten. Alles andere bringt keine Klarheit und dreht die Hetz- und Mutmaßungsspirale bloß weiter. Daher bitte: Weg mit dem Verschwörungs-Geblubber. Her mit klaren menschenrechtlichen und fachwissenschaftlichen Kritierien, mit journalistischer Ethik und Aufklärungsinteresse. Serviceteil: Gegen Desinformation hilft strikte Sachlichkeit und Transparenz. Von den vielen Artikeln, die zum Thema IBA und IOC geschrieben wurden, ist der Text von Sportjournalist Alan Abrahamson derjenige, der am detailliersten nachzeichnet, was genau passiert und bekannt ist. Till Randolf Amelung hat sich ebenfalls mit der dem Drama um Khelif und den Frauensport befasst, zunächst erschienen bei Initiative Queer Nations, dann bei Ruhrbarone: https://lnkd.in/ePqp9vCN Khelif tut mir aufrichtig leid. Aber mit Mutmaßungen und Verschwörungserzählungen kommen wir nicht weiter. Für Olympia ist das Desaster gesetzt. Da ändern wir nichts mehr. Aber für die Zukunft. Alle runterkochen. Tief durchatmen Confirmation Bias in Pause schicken. Offen sein für Wissenschaft, Fakten und die komplexen Verstrickungen von Sicherheit, Fairness, Inklusion. Der Professor für Sport-Physiologie Ross Tucker bringt das Problem in diesem Videoausschnitt auf den Punkt: https://lnkd.in/ecXp7fBH Wissen zu DSD: Evolutionsbiologin Carole Hooven auf Twitter unter @hoovlet Wissen zu Leistungsunterschieden: Tommy Lundberg, auf Twitter unter @TLexercise #frauensport #ioc #journalismus #sportschau #fairness

Die großartige #Anna_Schneider, Chefreporterin Freiheit bei WELT/n-tv: "Es ist momentan gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Also, was den Status quo der Demokratierettungsmaßnahmen in Deutschland angeht. Das liegt mitunter am Stakkato der beiden selbst ernannten Demokratiesirenen der Ampel (die sozialdemokratische Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus, wer sonst), das wohl am besten als irgendetwas zwischen sehr beeindruckend und sehr beunruhigend bezeichnet werden kann. Beeindruckend, weil man es mit viel gutem Willen offenbar wirklich schafft, sich gar nicht mehr zu spüren und beunruhigend, weil es tatsächlich so aussieht, als würde man das auch wollen. Es riecht also sehr streng und eher unangenehm nach linksgrüner Nervosität, was wohl daran liegt, dass die Nachwehen des sogenannten Geheimtreffens diverser Rechtsaußen-Gemüter in Potsdam langsam ihre Schlagkraft verlieren. Insofern ist es sehr verständlich, dass noch schnell alles mitgenommen werden soll, um Andersdenkende, wenn schon nicht vom Andersdenken, doch aber wenigstens vom Anderssprechen abzuhalten. So meinte Nancy Faeser: „Wir wollen bei Rechtsextremismus jeden Stein umdrehen. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen." Das ist schon ein äußerst spannendes Verständnis von Rechtsextremismus, möchte man meinen. Wenn jeder, der den Staat verhöhnt, ein Rechtsextremist ist, dann hat Deutschland tatsächlich ein Problem – es steht sogar zu befürchten, dass es zur Bekämpfung dieses ungewollten Gedankenguts gar nicht genügend Sicherheitskräfte gäbe. Einmal ganz abgesehen davon, dass man sich schon fragen darf, ob es tatsächlich keine Extremisten anderer Art gibt, um die es sich auch zu kümmern gelte; die Lichtermeere der Anti-Rechts-Demonstrationszüge machten offenbar endgültig nicht nur am linken, sondern auch am islamistischen Auge blind. Aber noch einmal zurück zu den Staatsverhöhnern, weil es so wunderbar zeigt, dass Faeser wie Paus die Demokratie nicht einmal retten könnten, wenn sie es wollten. Es ist erlaubt, den Staat und insbesondere die Regierung zu verhöhnen, und dass man das im Jahr 2024 in Deutschland tatsächlich laut aussprechen muss, grenzt latent an Wahnsinn, den man spätestens nach den politischen Gräueln der Coronazeit doch hinter sich gewünscht hatte. Insofern kann man eigentlich nur hoffen, dass das nun wirklich die allerletzten Zuckungen der Ampel sind. So ganz im Sinne der Demokratie."

🤢 Ich könnte kotzen 🤢 ... und je mehr ich dazu recherchiere, desto schlimmer wird es. Das Video von Sylt - ein Thema, das mich wütend macht! Ich habe das Glück in das wieder vereinigte Deutschland geboren worden zu sein. Die Jahre 1933 - 1945 kenne ich nur aus Büchern, Filmen oder Dokus - von meinen Großeltern habe ich dazu wenig bis nichts gehört. Darüber wurde nicht gesprochen. Gestern am 23.05.2024 haben wir 75 Jahre Grundgesetz gefeiert. Als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege habe ich den Eid geschworen, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren. Das sage ich nicht nur so, sondern das meine ich auch so. Es gibt die ersten Video, die anders geschnitten veröffentlicht sind, und Diskussionen darüber, ob das Video vielleicht ein Fake ist. Das Problem dabei: Selbst wenn es ein Fake wäre, genau diese Situationen passieren aktuell in unserem Land. Und wir sind alle gemeinsam dazu aufgerufen, dagegen zu halten. Großen Respekt an die Arbeitgeber der beteiligten Personen die Firma Serviceplan Group sowie Milena Karl, dass direkt fristlose Kündigungen ausgesprochen wurden. Wäre das bei mir in der Kanzlei der Fall, säße die Person auch direkt vor der Tür! Für mich wäre auch das der falsche Weg "mit den Personen zuerst zu sprechen" - der Zug ist bei diesem gravierenden Vorfall komplett abgefahren. Ich danke Euch, dass ihr Rassismus keinen Platz bietet! Ein LEIDER nur kleiner Ausschnitt mit denselben Vorfällen, nur nicht so medial begleitet: 10.11.2023 und 16.01.2024: Erntefest im vorpommerschen Bergholz und Personen skandiert darin gemeinsam mit anderen ausländerfeindliche und rechte Parolen. Weihnachtsfeier im emsländischen Messingen, auf der ausländerfeindliche Parolen gesungen worden sein sollen. 13.01.2024: In Diskotheken und Volksfesten in ganz Deutschland wurde die ausländerfeindliche Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" über die gegrölt, unter anderem in Landsberg am Lech, in Weiden in der Oberpfalz und in Greding im Altmühltal, dort nach BR-Recherchen offenbar auch von Mitgliedern und Landtagsabgeordneten der AfD und ihrer Jugendorganisation "Junge Alternative" Mai 2024: #Sylt Und heute - 24.05.2024 ??? Daher muss jeder von uns VORHER nachdenken, was diese Sätze und Wörter bedeutet. Was ist der geschichtliche Hintergrund? Es ist weder lustig, noch harmlos. ❗❗ Nochmal ganz klar und laut und auch mein Apell: Rassismus hat keinen Platz bei uns! Sprecht mit eurem Freundeskreis, mit euren Bekannten, mit Jugendlichen und Kindern, mit den Personen auf eurer Arbeit und sensibilisiert einander und stumpft nicht ab. Und wir müssen auch dort einschreiten, wenn Personen dieses Lied singen, wenn eben gerade kein Handy filmt. Alle Nachweise im ersten Kommentar. #MiteinandernichtGegeneinander #gegenrassismus #fürmehrtoleranz

Das wirklich Provokative an der faschistischen Partygemeinde auf Sylt war, dass es sich offensichtlich um privilegierte junge Menschen handelte, die Freude daran verspürten, nach unten zu treten. Einfach so. Weil sie es können. Nach unten treten ist en vogue. Bürgergeldempfänger, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen in Armut und prekären Lebenslagen, Angehörige sexueller Minderheiten und viele andere benachteiligte soziale Gruppen teilen in diesen Tagen eine gemeinsame Erfahrung: Teile der selbsternannten ‘normalen Mehrheitsgesellschaft' wollen sie nicht mehr tolerieren. Soziale Ausgrenzung ist der neue politische Sport. Die unmissverständliche Botschaft lautet: You are not welcome here anymore. Eigentlich haben wir einen hervorragenden Gesellschaftsvertrag. 75 Jahre Grundgesetz werden zu Recht diese Tage gefeiert. Aber ich fühle es nicht. Trotz rechtsstaatlicher Absicherung erscheint ein substantieller Teil der sozialen Kommunikation vieler Mitbürger*innen wie ein Krieg aller gegen alle, der ‚bellum omnium contra omnes‘, der fiktive vorrechtliche Naturzustand, den Thomas Hobbes in seinem Levithian beschrieben hat. Soziale digitale Netzwerke tragen entscheidend zur Erosion unserer westlichen Gesellschaften bei, denn noch nie konnten so viele Menschen den Boden der Tatsachen völlig verlassen und permanent in ihren Fiktionen leben. Dabei handelt es sich nicht einmal um nützliche Fiktionen, wie Spinoza sie beschrieb, sondern um desintegrierende, antisoziale Vorstellungen in autoritären Parallelwelten. Wenn wir uns nicht einmal mehr auf einen Konsens über Fakten einigen können, macht es wenig Sinn, gemeinsame Konzepte und Methoden zu entwickeln, um gewünschte Zukünfte zu erreichen. Tatsachen verschwinden aber nicht dadurch, indem man sie leugnet. So stolperte der AfD-Abgeordnete Maximilan Krah in seiner fiktiven Welt über die Gräueltaten der SS in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs. Selbst dem Rassemblement National war die AfD zu sehr Adolf, und das will was heißen. AfD-Bundeschef Chrupalla bedankte sich trotzdem bei Krah und wir lernen: Es handelt sich nie um Einzelfälle, sondern um gefährliche kollektive Fiktionen. Vielleicht ist es gerade das, was uns die Medien lehren: Wir können heute weitgehend sanktionslos in fiktionalen Welten leben. Selbst wenn andere in ihrer Würde verletzt werden, steht immer eine Meute hinter einem. Sprachliche Selbstdarstellungen kommen kaum ohne brachiale Formulierungen aus. Dass den Worten oft genug auch Taten folgen, ist allen sehr wohl bewusst. Wer in einer solchen Atmosphäre wagt, Selbstkritik zu üben, wird medial zerrissen. Alle sind Opfer. Alle sind in Verteidigungsstellung. Wir erleben den Advent der Dissensgesellschaft. Nach unten treten ist das sadistische Hobby der Privilegierten geworden. In diesen Milieus lebt die Lust an der Not und der Angst der anderen: die Dissensgesellschaft als Vorspiel einer neuen autokratischen, regressiven Utopie.  

🌐 Das Video und vor allem die diversen Empörungen über selbiges sind heute viral gegangen: Die „Sylter Fascho Schickeria“, wie die Welt titelte, „schockt Deutschland“. 👑 Der Jurist und Politologe Albrecht von Lucke musste auf ntvNachrichten erst einmal klarstellen, dass rechte Ideologie in Deutschland nie ein Randphänomen war, wie auch der #Sozialchauvinismus in der Oberschicht keines ist. Auch der Wissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden weist auf #phoenix auf die #Normalisierung rechtsextremer Gesinnung hin. Ähnlich wie von Lucke führt er dies auf die mangelnde „soziale Kontrolle“ und damit letztlich ein indirektes Einverständnis der Umwelt zurück. 📣 Bereits seit 2006 verweist die #MitteStudie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit jeder neuen Erhebung genau auf diese Tatsache, zuletzt 2023: „Die Demokratie, ihre Grundprinzipien, Abläufe und Institutionen werden von einigen zunehmend mit Distanz betrachtet.“ (https://lnkd.in/eWhGUpqc) 📈 Beispielhaft zeichnet die #Extremismus- und Terrorismusexpertin Julia Ebner mit beeindruckenden Felduntersuchungen den Weg rechter Agenden in den #Mainstream nach, zuletzt mit ihrem Buch „Going Mainstream: How Extremists Are Taking Over“. 💊 Insbesondere die Inhalte der #manosphere zeigen sich dabei als überaus anschlussfähig. Begriffe aus den Untiefen der #Incel-Bewegung, wie „Chad“ und „Stacy“ oder das Black-/Red-/Blue-Pill-Idiom gehören inzwischen zum gewöhnlichen Vokabular auf Social-Media-Plattformen. Offen misogyne, autoritäre Charaktere wie Andrew Tate haben Millionen Follower, wobei wir uns das *innen hier mehrheitlich sparen können. 🚻 Auch #trans*feindliche Aussagen finden über alle politischen Lager hinweg Zustimmung bis hinein die #Linke (Partei wie Bewegung) und Teile der Frauenbewegung (#TERFs). 🔎 Trotz berechtigter Aufregung und geweckter Aufmerksamkeit für relevante, faschistische Kommunikations-Strategien, wie das sogenannten #dogwhistling und die Rolle von #Algorithmen bei der Verbreitung menschenfeindlicher Inhalte, bleibt leider wieder eine zentrale Frage meist außen vor: Wieso sind rechte Inhalte scheinbar so leicht, insbesondere medial, zu popularisieren? 📖 Einer der wohl wichtigsten Vertreter der Film-Soziologie als auch der frühen Kritischen Theorie, Siegfried Kracauer, ging dieser Frage bereits seit den 1920er-Jahre nach. Seine Erkenntnisse systematisierte er unter anderem in seinem Essay „Das Ornament der Masse“ von 1927 und später im Buch „From Caligari to Hitler. A Psychological History of the German Film“ von 1947. 🔥 Für Kracauer kolonisieren rechten Narrative eben nicht „neutrale“, bürgerliche Diskurse, sondern nutzen bereits vorhandene Sinnstrukturen und Orientierungsmuster, welche sie dann lediglich katalysieren müssen. Erst dieser „Faschismus des Herzens“ (W. H. Gass), der tief im Alltag verwurzelt ist, macht die „Prosecco-Nazis“ begreifbar.

So, wir haben jetzt ein paar Tage unseren Spaß mit dem Sylt-Video gehabt. Mittlerweile habe ich andere Videos gesehen, wo auf Schützenfesten (in Cloppenburg) und generellen mehrheitsgesellschaftlichen Zusammenkünften zu dem Lied „L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino dieselben Parolen skandiert wurden. Anscheinend hat sich dies in den üblichen Ecken der Deutschen Mehrheitsgesellschaft eingebürgert. Als jemand, der mit Stoppelfeten aufgewachsen ist, ist mir dieses Verhalten nicht fremd. Es gibt so ein paar Bastionen des Weißseins, wo solche Dinge halt gehen. Immer entschuldigt dadurch, dass dort eben reichlich Alkohol konsumiert wurde. Warum also ist das Sylt-Video viral gegangen? Warum befeuert es so viele Reaktionen und einen Aktionismus, wie ich ihn selten gesehen habe?  Ich denke, der Faktor hier ist Klasse. Ein Element, das in Deutschland gerne ignoriert wird. Wir sehen junge, reiche Menschen mit Sonnenbrillen im gegelten Haar, weißen Hemden, über die Schultern geschlungene Pullis, den Habitus der Reichen, und wir sind wütend. Ihr Nationalismus und Rassismus gibt uns die moralische Katharsis, endlich mal zurückschlagen zu können gegen ‚die da oben‘. Fühle ich total! Was dabei allerdings zu kurz kommt, ist die Reflektion des Gefühls. Die gegenwärtige Regierung hat schon längst erkannt, woher der Wind weht. In ihrer rassistischen Politik geht es nicht allein darum, der AfD Stimmen zu klauen. Was hier allerdings indirekt durch die Regierung adressiert wird, ist der schwindende Wohlstand Deutschlands. Seit Corona, dem Krieg in der Ukraine und den nicht mehr zu leugnenden Auswirkungen des Klimawandels macht sich Unruhe in der Mittelklasse breit. Vor zwei Jahren machte SpOn eine Umfrage über das Befinden der Deutschen. Der Titel war „Die Wut der Deutschen wächst“. Auf Platz 1–3 der Gefühle waren Unsicherheit, Wut, Verlust von Kontrolle/Macht. Da die Regierenden darauf keine konstruktiven Antworten haben, hetzt man gegen Ausländer, welche konsequenter abgeschoben werden müssen, gegen angebliche Clan-Kriminalität, zerstört das Recht auf Asyl und baut die Festung Europa aus, damit zukünftige Klimaflüchtlinge außen vor bleiben.  Wir müssen mehr über Klasse reden, darüber, wie Wohlstand in Deutschland verteilt wird und über den schwindenden Sozialstaat. Denn der Hass, den wir, die BPOCs Deutschlands, erleben, ist nur ein Symptom. „Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg“ ist ein Ausdruck, dass profitable Arbeit knapp wird, dass die Preise zu hoch sind, dass die Wut der Deutschen wächst. Wir, die Nicht-Weißen, die Ausländer, die Migras, sind der Kollateralschaden deutscher Unzufriedenheit und Unsicherheit. Eine Unzufriedenheit, die, wie wir aus den 90ern wissen, töten kann. Also wenn ihr dieses besondere Extra an Wut für die Rassisten auf Sylt in euch gespürt habt, fragt euch, warum ihr das weniger fühlt, wenn es beim Schützenfest um die Ecke passiert. Denn dass irgendein Sönke-Johannes seinen Job verliert, hilft mir herzlich wenig weiter.

Was würden Psychologen als Erstes über Bundesräte sagen? Dass sie am Ende auch nur Menschen sind. Sie dürsten am Sterbebett der alten Weltordnung nach Orientierung wie wir alle, wünschen sich in eine einfachere Zeit zurück. Vielleicht ins Damals, als Präzision, Postkarte und Privatsphäre noch den Dreiklang der Schweiz bestimmten. Niemand baut genauere Uhren, verkauft eine schönere Alpenidylle – und verdient vor allem so viel Geld mit Geheimnissen. Die Eidgenossen nennen es Diskretion, ihre Feinde Heimlichtuerei. Schweigen ist Gold für den Tresor. Schweigen gehört zur Staatsräson wie das Rivella zum Skifahren. Doch im Zeitalter der neuen Unübersichtlichkeit liegt auch diese Gewissheit längst auf dem Müllhaufen der Geschichte. Geheimnisse gelten plötzlich als verpönt, Transparenz als vertrauenschaffende Führungsqualität – oder doch nicht? Zu viele Grautöne können ein Regierungsmitglied schon einmal überfordern, wie diese Woche zeigt. Albert Rösti gibt vor einer Schulklasse den nahbaren Regenten. Er vermeidet fade Floskeln, bezieht vor dem Nachwuchs Stellung, plaudert offen über seine Vorliebe für den Kandidaten im Kampf ums Weisse Haus: «Ich tendiere eher zu Donald Trump.» Schön authentisch, ist man versucht zu sagen. Aber es bleibt beim Versuch. Transparenz ist nicht gleich Transparenz. Unabhängig von der Frage, ob man als Demokrat dem Feldherrn der Capitol-Stürmer öffentlich huldigen darf, muss sich ein Bundesrat Kommentare zu ausländischen Wahlen verklemmen. Das gehört zum Regierungshandwerk. Denn wie dumm steht ein Land da, wenn am Ende die vermeintlich falsche Kandidatin gewinnt und schon vor dem ersten Kontakt mit der neuen Administration Eiszeit herrscht? Die Diplomatentruppe die Scherben zusammenkehren muss? Rösti ist mit seinem Transparenzproblem nicht alleine. Während er hätte schweigen sollen, gilt für manche Kollegen das Gegenteil. Statt offen zu informieren, flüchten sie sich in alte Muster. Seit zwanzig Jahren gilt das Öffentlichkeitsgesetz, dank dem unter anderem Journalisten die Herausgabe von Unterlagen fordern können. Doch hinter den Kulissen grassiert eine neue Unsitte. Sitzungen finden ohne Protokoll statt. Und wo Dokumente existieren, wird gemauert und geschwärzt. Das belegt der Fall der Berater im VBS von Viola Amherd. Das stolze Honorar für ihre persönliche Mitarbeiterin rückt das Departement nur zögerlich an die NZZ heraus, beim Job für den pensionierten Direktor des Bundesamtes für Justiz weigert man sich noch. Regierungshandeln ist keine Egoshow, sondern eine vom Volk geliehene Macht zum Wohle des Landes. Dazu gehört der angemessene Umgang mit Transparenz. Immerhin macht Wirtschaftsminister Guy Parmelin erste Fortschritte. Der fotografiert jeden Blumenstrauss im Bundesratszimmer. Die Bilder zeigte er kürzlich einem Pressefotografen. Florale Glasnost fürs Herz. https://lnkd.in/eGM42Ez3

📖 Druckfreigabe erteilt! Die Ergebnisse der #Europawahlen stecken wohl allen noch in den Knochen, und viele fragen sich: Was können wir tun, um #Demokratie nicht nur zu verteidigen, sondern weiterzuentwickeln? Ein Baustein liegt meines Erachtens darin, wie wir einander tagtäglich begegnen. Demokratie, das sind nicht nur "die da oben", das sind nicht abstrakte #Institutionen und komplizierte Prozesse. Demokratie, das sind auch wir alle, das sind die Gespräche in der Nachbarschaft, die Hilfe im Freundeskreis, ja sogar unser Verhalten auf den übervollen Straßen. Wem und wie wir einander begegnen hat Auswirkungen darauf, wie hoch unser Vertrauen ineinander ist. Und ohne Vertrauen funktioniert Demokratie nicht sonderlich gut. Wem begegnen wir eigentlich morgens vor der Haustür, wem auf der Straße, wem beim Sport - und wie hat sich das verändert? Wie können Begegnungsorte aussehen, die das Vertrauen ineinander stärken, die eher angenehm als unangenehm sind? Und was können wir selbst tun? Darauf gehe ich in meinem buch "Demokratie fehlt Begegnung" ein. Die Druckfreigabe habe ich gerade erteilt, das Buch kommt spätestens Ende August, vielleicht schon ein wenig früher.