Nicht vergessen! In Deutschland gehen wir auf die Feierlichkeiten zu anlässlich des 75. Jahrestages der Annahme (8. Mai) und der Verkündigung (23. Mai) des Grundgesetzes. Dieses Gesetz, in dem die Achtung der Menschenwürde als Dreh- und Angelpunkt der deutschen Nachkriegsordnung festgeschrieben wurde, wurde vier Jahre nach der Katastrophe des Holocausts von Konrad Adenauer am 8. Mai 1949 in Bonn unterzeichnet. Zwei Tage vor diesem bundesdeutschen Feiertag begeht Israel – seit 1951 – den „Yom Hashoah“, den „Tag des Gedenkens an die Schoah“ am 6. Mai. Hier fallen zwei Daten eng zusammen, die aufeinander bezogen werden müssen – und deren Verhältnis zugleich eine ambivalente Erinnerungspraxis zeigt: Das Grundgesetz distanzierte sich klar von der Menschenverachtung des Nationalsozialismus. Der „große Wurf“, der den Müttern und Vätern des Grundgesetzes 1949 gelang hinsichtlich der Grundlegung einer humanen, solidarischen, demokratischen, freiheitlichen Ordnung wurde weltweit anerkannt und ist unumstritten. Umso mehr mag es nachdenklich stimmen, dass es bis 1996, also 47 Jahre dauerte, bis auch in Deutschland ein explizites, öffentliches und rechtlich verankertes Gedenken an das unsagbare Verbrechen, das Deutschland an dem jüdischen Volk begangen hat, eingeführt wurde: der 27. Januar als Gedenktag an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee 1945. (Weitere 9 Jahre später erklärten die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Gedenktag an den Holocaust.) Wie ist diese Jahrzehnte dauernde Verzögerung zu erklären? Die Konsequenz für die deutsche Gesellschaft aus Faschismus und Krieg wurde mit dem Grundgesetz schnell und gewissermaßen erfolgreich gezogen, eine gute Ordnung, ein Neuanfang waren da – man hatte vermeintlich seine Lektion gelernt. Doch man vergaß damals und noch lange Jahrzehnte die Opfer. So erhält das freudige Ereignis, ein Grundgesetz wie das bundesdeutsche zu haben, einen bitteren Beigeschmack, lag doch auch hier die Sorge um das eigene Haus so viele Jahrzehnte näher als die Wahrnehmung derer, die sich kein Gehör verschaffen konnten, der Vernichteten in deutschen Konzentrationslagern. Dass dies nun anders ist, sich die Wahrnehmung in Deutschland geändert hat, das können wir bei den Feierlichkeiten in diesem Jahr zeigen, indem wir deutlich die Vorgeschichte unseres Grundgesetzes, die Verbrechen und die Opfer benennen, das jüdische Volk um Vergebung bitten und ihm unsere Freundschaft und Loyalität zeigen.
Beitrag von Dr. Johannes Sabel
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Die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau jährt sich an diesem Montag, 29. April, zum 79. Mal. Es ist eines dieser Daten, an denen die deutsche Erinnerungskultur in den Fokus rückt. In einem Essay habe ich mich an einer Bestandsaufnahme versucht. Wie lebendig ist die Erinnerung an die NS-Verbrechen in Dachau? Was bedroht sie? Und was gibt Grund zur Hoffnung? Leider erscheint die deutsche Erinnerungskultur, die sogar international gelobt wird, vielen Menschen als eine Selbstverständlichkeit. Doch das ist sie nicht: Erinnern hieß schon immer kämpfen: In den Nachkriegsjahren war es der Kampf der KZ-Überlebenden um die Anerkennung ihres Leids in einer Gesellschaft, die lieber schwieg, statt über die deutsche Schuld zu sprechen. Heute, 79 Jahre nach Kriegsende, ist es ein Kampf um den Erhalt des Vermächtnisses dieser Überlebenden, die immer weniger und bald komplett verschwunden sein werden. Und ausgerechnet jetzt, mit dem Ende der Zeitzeugen muss die Erinnerung an die NS-Vergangenheit gegen so viele Widerstände kämpfen wie seit Jahrzehnten nicht mehr: Geschichtsrevisionistische Tendenzen in der Gesellschaft, ein entfesselter Antisemitismus oder eine rechtsextreme Partei, der Umfragen Wahlsiege in drei Bundesländern voraussagen - all diese Gegenkräfte der Erinnerung bedrohen die Gedenkkultur existenziell. Doch trotz der miesen Vorzeichen: Der Kampf um die Erinnerung ist alles andere als verloren. Nur braucht es dafür eine gesellschaftliche Kraftanstrengung. Wenn die Erinnerungskultur in Zukunft lebendig sein soll, kommt es auf jeden Einzelnen an. Erinnern heißt kämpfen. Heute umso mehr.
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#Gratulation #an #Meron #Mendel und seine Ehefrau #Saba-#Nur #Cheema , zur Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille 2025! Weniger erfreulich jedoch die daran geübte und m.E. anmaßende Kritik des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster. Näheres dazu in den folgenden Links verschiedener Medien. Meron Mendel ist jemand, der zum israelisch-palästinensischen Verhältnis unbequeme Fragen stellt und sich gemeinsam mit seiner Frau für eine Neujustierung der Politik des Staates Israel ggü. den Palästinensern einsetzt. Diese politische Neuausrichtung ist trotz des furchtbaren Hamas-Pogroms vom 07.10.2023 und des immer noch laufenden Gazakriegs geboten. Je früher, je besser! Denn wer glaubt, er alleine sei im Vollbesitz der alleinigen Wahrheit, wird nie etwas zur Veränderung bzw. zu Besserem beitragen können. Vielmehr schränken Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit die eigene Denk-und Urteilsfähigkeit ein und vermitteln eine bloß trügerische Sicherheit. Wer ideologische Mauern errichtet und sich selbst genügt, entzieht sich der Auseinandersetzung mit gegenteiligen Meinungen und begibt sich gedanklich in eine Wagenburg. Diese wie auch die realen hatten in der Geschichte jedoch noch nie Bestand! Früher oder später wurden sie allesamt vom Weltgeschehen überrollt und landeten auf dem Müllberg überkommenen Denkens. "Revivals" wird es nicht besser ergehen. Wer jedoch das Wesentliche bewahren will, muss auch bereit sein, sich unbeqemen Fragen zu stellen und ggf. unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Was ist das einzig Bewahrenswerte für Israel? Es ist der unbedingte Fortbestand des eigenen demokratischen Staates in einer unruhigen Region, dem einzig hinreichend sicheren Zufluchtsort für alle Juden weltweit! Schon alleine deshalb muss Israel an einem baldigen friedlichen Zusammenleben mit den Palästinensern gelegen sein. Oder will sich Jerusalem "bis in alle Ewigkeit" darauf konzentrieren müssen, die Hydra palästinensischen oder islamistischen Terrors bekämpfen zu müssen? Israel hat mehrfach bewiesen, dass es zu politisch klugen, wenn auch von seinem Gegenüber nicht immer belohnten Handeln fähig ist: 1995 mit der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens und 2005 mit dem Rückzug aus dem Gazastreifen. Die Folgen von beidem sind bekannt, aber gerade deshalb wert, daraus die "richtigen" Lehren zu ziehen. Sobald wie möglich! Dass diese nicht im fortgesetzten Verweigern eines eigenständigen, politisch wie wirtschaftlich lebensfähigen palästinensischen Staats durch Israel bestehen können, sollte auf der Hand liegen. Auch wenn das aktuell für viele in Israel verständlicherweise schwer vorstellbar ist. https://lnkd.in/e8aZY6dW https://lnkd.in/eSUxm4K2 https://lnkd.in/eY_AYCie https://lnkd.in/exvMy98P https://lnkd.in/eHfX3E2V
Scharfe Kritik an Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille
juedische-allgemeine.de
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8. Mai 1828 Geburtstag Henry Dunant 22.08.1864 Genfer Konvention 12.08.1949 Genfer Abkommen Mit dem 8. Mai begeht die weltweite Rotkreuz-Community den Geburtstag Henry Dunants, der nicht nur der Gründungsvater dieser weltweiten humanitären Bewegung ist; Henry Dunant hat auch den Grundstein für das heute noch weltweit gültige humanitäre Völkerrecht in der Genfer Konvention von 1864 gelegt. Nach den schrecklichen Erfahrungen des 2. Weltkriegs wurde klar, dass die bisherigen Regelungen zum Verhalten im Krieg erweitert werden müssen. Neben der ausdrücklichen Benennung der Betroffenen auf See wurden insbesondere auf die hohe Anzahl von zivilen Betroffenen des zweiten Weltkriegs reagiert und im 4. Genfer Abkommen deren Schutz erstmalig ausdrücklich geregelt. Die aktuell in den Medien vertretenen Konflikte in der Ukraine und im Gaza-Streifen lassen vermuten, dass es zu einer Vielzahl von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht komme – zeitweilig entsteht so der Eindruck, dass die Genfer Abkommen ihre Bedeutung verloren haben könnten. Wenn man jedoch mit Betroffenen der bewaffneten Konflikte spricht, so heben diese – bei aller Kritik an den Verstößen gegen die Genfer Abkommen – immer hervor, dass es das Rote Kreuz ist, dass auch in den finstersten Situationen als zumeist als letzte verbliebene Institution, den Betroffenen der Konflikte – seien es Zivilisten oder Kombattanten – zur Seite steht. Dies ist aber, in an Betracht der menschenfeindlichen Umgebung eines bewaffneten Konfliktes nur dann möglich, wenn sich die Konfliktparteien zumindest an gewisse Mindestregeln – wie zum Beispiel Hilfskräfte unter dem Schutz des Roten Kreuzes nicht anzugreifen – halten. Diese humanitäre Einstellung inmitten eines bewaffneten Konflikts aber ist durch die Regelungen der Genfer Abkommen und die Verpflichtung aller Staaten auf diese Regelungen erst denkbar geworden und durch den gegenseitigen Respekt und den Respekt vor den Genfer Abkommen tagtägliche Praxis auf den Schlachtfeldern der Welt. Insofern ist für alle Betroffenen von bewaffneten Konflikten der 8. Mai nicht nur ein guter Feiertag – es ist für die viele Betroffenen auch ein Tag der Hoffnung auf mehr Menschlichkeit. Happy Birthday Rotes Kreuz M. Sieland
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2025 bietet Anlass zu vielerlei Gedenken: Vor 80 Jahren wurden die Überlebenden im Vernichtungslager Auschwitz befreit. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Der Umgang mit dieser heiklen Vergangenheit hat sich über die Jahrzehnte gewandelt. Wie entwickelte sich unsere Erinnerungskultur?
Erinnerungskultur in Deutschland: Vergangenheit, die nicht vergeht
stuttgarter-zeitung.de
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80. Gedenktag 20. Juli 1944 Der 20. Juli 1944: Beginn der neuen deutschen Demokratie Das sieht sich - kurz beleuchtet – als sehr gewagte Aussage an. Aber zeigen nicht heutige innerdeutsche und internationale Geschehen genau auf die Sekunde, in der unser heutiges Leben begonnen hat? Innerdeutsch: ringen wir nicht heute, wie 1938 Generaloberst Beck um die gesellschaftliche allgemeine Freiheit ringt, in der lediglich „rote Linien“ zu bedenken sind? International sehen wir zu, wie in der Ukraine und im GAZA versucht wird, sich gegen die autokratischen Strukturen zu wehren? 3 bis 4 Generationen nach dem Attentats-Versuch auf Hitler wird mehrheitlich in Deutschland der damalige Konflikt gar nicht mehr wahrgenommen oder gar erwähnt. Unsere Feiertage kennt jeder auswendig, aber selbst die Tatsache, dass am heutigen 75. Jahrestag unser Grundgesetz gültig wurde, nachdem es am 3. Mai 1949 beschlossen worden ar, wissen oder wußten nur wenige. Es gibt die Stiftung des 20. Juli 1944, die eigentlich dafür verantwortlich ist, dass die Sekunde, in der Graf Schenk von Stauffenberg in Berlin standrechtlich erschossen wurde und im Kugelregen ausrief: „es lebe unser heiliges Deutschland“ in unserer Gesellschaft nachhaltig widerhallt. Denn diese Sekunde ist eines der Samenkörner unserer heutigen deutschen Demokratie!!! Das sollten wir nie vergessen! A.v.H.
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Oppenhoff. Mohren. Cohn Musiktheaterstück über Haltung und Widerstand von Florian Fischer und Kerstin Grübmeyer mit Musik von Malcolm Kemp Uraufführung Ab Mitte der 1930er Jahre war Aachen ein »Tor in die Freiheit«, durch das vom Terror der Nationalsozialisten bedrohte Menschen die Flucht über Belgien oder Holland wagten. Sie gingen große Risiken ein, waren auf Hilfe angewiesen und mussten ihre Unversehrtheit oft teuer bezahlen. Vor dem Hintergrund dieser historischen Situation erzählt »Oppenhoff. Mohren. Cohn«eine Geschichte von Widerstand, Dissidenz, Verzweiflung und Kampfgeist. Was motiviert Menschen dazu, sich einem gewalttätigen System zu widersetzen? Und kann Solidarität funktionieren, über ideologische Grenzen und Klassenunterschiede hinweg? Inspiriert von den Lebenswegen historischer Figuren wie dem ehemaligen Aachener Oberbürgermeister Franz Oppenhoff (1902-1945) oder der Widerstandskämpferin Marianne Cohn (1922-1945) verfolgen wir gebannt, ob ein als »entartet« gebrandmarktes Kunstwerk vor der Zerstörung bewahrt werden kann und ob einer jungen Frau die Flucht gelingt. In Zeiten des globalen Rechtsrucks ist die Beschäftigung mit antifaschistischem Widerstand hochaktuell. Lieder und Protestsongs machen uns Mut gegen die Einschüchterung rechter Erzählungen und stärken unseren Sinn für eine Gemeinschaft ohne Ausgrenzung und Gewalt. https://lnkd.in/eCbU7jAn
Oppenhoff. Mohren. Cohn
theateraachen.de
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Der 9.11. weckt viele Erinnerungen an deutsche Geschichte. Neben dem Mauerfall 1989 und der zweifachen Ausrufung der Republik zum Ende des 1. Weltkriegs 1918 verbindet man dieses Datum nicht nur mit landesgeschichtlichen Wendepunkten, sondern vor allem auch mit der menschenverachtenden Agenda des NS-Regimes, wie es der Hitlerputsch 1923 und die Reichspogromnacht 1938 verdeutlichten. Erinnern ist essentiell, wobei sich Erinnerungskultur mit diversen Herausforderungen konfrontiert sieht; ganz besonders im Kontext des Nationalsozialismus. Bei der gestrigen Tagung der Bezirksheimatpflege Mittelfranken in Ansbach widmeten sich eine Reihe von Refert:innen und interessierten Zuhörer:innen diesem Thema. Nach einem thematischen Überblick zu den Ausgangspunkten, Problemfeldern und Perspektiven von Erinnerungskultur unter besonderer Berücksichtigung historischer Orte wie Gedenkstätten behandelten zwei Panels konkretere Betrachtungen und Diskussionen. Zum einen handelte es sich um das Sensibilisieren für vergessene Opfer des Holocausts wie Sinti und Roma, Betroffene durch den „Lebensborn“-Verein, als „Asoziale“ entwürdigte oder Menschen in der „Euthanasie“, zum anderen um konkrete Beispiele wie dem Hesselberg als Propagandaort oder dem Fall der unrechten Straßenbenennung nach einem SA-Mitglied in Allersberg 2021. Die Veranstaltung kam zu dem Ergebnis, dass Erinnerung weiterleben und den Tod von Zeitzeug:innen überdauern muss. Erinnerungsorte und Museen dienen dabei beispielsweise als Instrumente bzw. Zugänge zwischen Empathie und Empirie. Während eine Vielzahl von Menschen bewusstes Interesse zeigt, muss Bildung stets für Demokratie kämpfen und Möglichkeiten der Vermittlung nutzen sowie bieten. Dabei gilt es meiner Ansicht nach vor allem anhand konkreter regionaler Beispiele Betroffenheit und Reflexion bei Schüler:innen zu wecken und einen Ich-Bezug durch Gegenwartsbezüge herzustellen. Denn die Vergangenheit zu erinnern, muss stets das Ziel verfolgen, für die Gegenwart und Zukunft zu lernen. Herzlichen Dank für den Input und die Organisation u.a. an Dr. Annett Haberlah-Pohl, Dr. Ludwig Spaenle MdL , Prof. Dr. Axel Drecoll , Prof. Dr. Georg Seiderer , Gregory Bey, Kathrin Kasparek, Dr. Christa Schikorra , Dr. Georg Lilienthal.
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Stephan Anpalagan ist deutscher Staatsbürger. Deutschland ist seine Heimat. Er hat ein Buch geschrieben, das mit den Worten „Ich liebe dieses Land“ beginnt und endet. Er hat für deutsche Unternehmen gearbeitet und ein eigenes Unternehmen gegründet. Er schreibt für deutsche Zeitungen und bildet deutsche Polizisten aus. Er hat eine Veranstaltungsreihe in Sachsen aufgelegt, um die Menschen dort zu ermutigen, die Liebe zu ihrer - unserer - Heimat neu zu entdecken und ihre gute Heimat besser zu machen. Sobald er aber die politischen Verhältnisse in diesem Land kritisiert, fordern ihn Menschen implizit und explizit auf, dieses Land zu verlassen. Ihn berührt das nicht. Es zeigt ihm aber, wie egal es ist, ob man sich hier „integriert“ oder „anpasst“. Er habe übrigens asiatische Wurzeln und ist ein Christ. Und dennoch begleitet ihn diese Ausgrenzung sein Leben lang. Er macht all das selten zum Thema, weil er mehr sei als nur die Abwertung, die ihm entgegenschlägt. Wie sich arabischstämmige Menschen oder Muslime fühlen müssen, kann er sich nicht einmal im Ansatz vorstellen. Seine letzte Veranstaltung in Münster musste unter Polizeischutz stattfinden. Seine Mitarbeiter erhalten bei Antritt eine ausführliche Sicherheitseinweisung. Er hat einen eigenen Ansprechpartner beim Staatsschutz des LKA. Ihn erschreckt nicht der Rechtsextremismus. Nicht die namen- und gesichtslosen Rassisten, die ihn erst auf Facebook, dann auf Twitter, dann auf Instagram verfolgen. Was einen wirklich erschreckt sind konservative bis liberale Politiker, die man in ihren Aussagen nicht mehr von Angehörigen der A*D unterscheiden kann. Micha erschrecken Oberstudienräte, die Stephan in Klarnamen in den Kommentarspalten die Deportation wünschen. Mich erschrecken Chefredakteure etablierter Zeitungen, die erklären, man müsste „zeitweilig das europäische Recht“ aussetzen, um diese ärgerlichen Menschenrechte außer Kraft zu setzen. Die Debatten der vergangenen Tage sind maßlos. In Thüringen und Sachsen erhalten Rechtsextreme 30 Prozent der Wählerstimmen. Der rechte Rand ist längst eine rechte Mitte. Wir werden unseren Kindern erklären müssen, wie wir uns in dieser Zeit verhalten haben. Ob wir uns dem aufkommenden Faschismus entgegengestellt haben und ob wir solidarisch waren mit den Bedrängten und Ausgegrenzten. Oder ob wir geschwiegen oder gar mitgemacht haben, als man unbescholtene Bürger ausgegrenzt und dem Mob zum Fraß vorgeworfen hat. Ich hoffe, wir haben haben dann eine gute Antwort. Unsere multikulturelle Schönheit Deutschlands - wir müssen sie aktiv schützen. Jetzt. Jeder von uns in seinem Umfeld. Wir haben in unserem schönen Land unzählige inspirierende Menschen & Persönlichkeiten wie Stephan mit Migrationshintergrund. Menschen, ohne die der Laden zusammen brechen wird und Deutschland, so wie es (aktuell noch) weltweit geliebt und geschätzt wird, in der Versenkung verschwinden wird. 💡 Quelle: Linkedin-Beitrag von Stephan Anpalagan - 8.9.24
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Freiheitsschock. In den vergangenen Wochen habe ich dieses Buch von Ilko-Sascha Kowalczuk gelesen. Er ist Historiker und forscht seit Jahrzehnten zu den Themen rund um die ehemalige DDR. Ich habe zugehört, wann immer er wo was gesagt hat, seine Artikel gelesen, bin ihm in den sozialen Medien gefolgt. Endlich hatte ich jemanden gefunden, der Worte für mein Freiheitsgefühl hat. Dass #Freiheit einen großen Wert für mich hat, habe ich lange gewusst und vielleicht noch länger gefühlt: Zwar war ich erst acht Jahre alt als die Mauer um die DDR fiel. Trotzdem steckt mir die DDR-Diktatur in den Knochen, die „das größte Freiluftgefängnis in Europa nach 1945“ war. Viele in Deutschland, auch in meiner thüringischen Heimat, wählen heute gegen die Freiheit (weil sie beispielsweise den Ukrainer:innen die Unterstützung in ihrem Kampf für unser aller Freiheit in Europa verwehren wollen). Und letzte Woche hat die Mehrheit in einem Land, das wie kein anderes für die Freiheit stand, die Freiheit der offenen Gesellschaft abgewählt. Hier einige Erkenntnisse aus besten Buch des Jahres (für mich): - Die friedliche Revolution waren wenige: „Ohne ihr jahrelanges Engagement und ihre Idee, nach dem Montagsgebet auf die Straße zu gehen, hätte es die berühmten Montagsdemonstrationen nicht gegeben. Ihren Rufen (…) „Für ein freies Land mit freien Menschen“ folgten an den Montagen vor dem 9. Oktober (1989) zunächst nur Dutzende, dann einige Hunderte.“ - Viele sind deshalb gegen eine Unterstützung der Ukraine, weil es eine große Westablehnung und Ostverehrung gibt. In der DDR (und in der Sowjetunion) wurde die NATO nicht als Verteidigungs- sondern als Angriffsbündnis propagandiert und jahrzehntelang in die Köpfe gehämmert. - Sicherheit ist für viele wichtiger als Freiheit: „Tatsächlich ist das Leben in einer Diktatur für die angepasste Mehrheit weitaus einfacher, als die Zumutungen in einer Demokratie, in der man beständig die eigenen Angelegenheiten selbst regeln muss, zu ertragen.“ - „Freiheit und Demokratie sind Garanten für Recht und Menschenrechte, aber nicht für soziale Marktwirtschaft oder gar Wohlstand und Reichtum“. Freiheit ist nicht selbstverständlich. Es ist schwer für mich, dass diese Errungenschaft für die Menschen in der DDR (und überall dort, wo Menschen in Freiheit leben können) nicht diesen hohen Stellenwert hat wie für mich. Nach der Lektüre habe ich das besser verstanden. Und gleichzeitig mehr und weniger Mitgefühl – wenn das geht. Es ist eine Frage der Entscheidung: In welchem System will ich leben? Freiheit schließt Sicherheit nicht aus. Der Unterschied ist, dass ich selbst etwas dafür tun muss. Und das Tolle: Wir KÖNNEN etwas tun. Wir können uns beteiligen, mitgestalten, unsere Meinung sagen, demonstrieren, dagegen sein und dafür… Anders als in der DDR. Nutzen wir das! (Die Zitate sind alle aus "Freiheitsschock" von Ilko-Sascha Kowalczuk, C.H. Beck, 2024.)
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Die Zeit danach Um Frieden im Nahen Osten zu schaffen, muss man den Fanatikern auf beiden Seiten das Handwerk legen, meint die Tochter des Schriftstellers Amos Oz … Die Zeit danach wird kommen …. Zitate aus Fania Oz-Salzbergers Essay: Ich sage in aller Deutlichkeit: Die Bundesrepublik Deutschland sollte über scharfe und entschiedene Sanktionen gegen Netanjahus Koalitionsregierung nachdenken, die ihr Recht, zu regieren, verwirkt hat. Diese Meinung teile ich mit 70 Prozent der israelischen Bevölkerung. Nicht wegen des maßlosen Leids, das diese Regierung Gaza zufügt – und das viele rechtschaffene Menschen in Israel nach wie vor nicht sehen können, weil sie selbst unter Schock stehen und traumatisiert sind –, sondern wegen der Verbrechen, die sie an ihrer eigenen Zivilbevölkerung verübt hat. Wie können die Freunde, die Israel noch bleiben, sich auf „die Zeit danach“ vorbereiten? Die vordringlichste Aufgabe ist, die gemäßigten Israelis und Palästinenser zu stärken. Die israelische Zivilgesellschaft, zu der jüdische und palästinensische Bürgerinnen und Bürger Israels gehören, hat im vergangenen Jahr große Widerstandskraft bewiesen, als sie sich gegen die demokratiefeindlichen Gesetze der Regierung stellte. Der eigentliche Riss, der den Nahen Osten und den Rest der Welt gefährdet, verläuft nämlich nicht zwischen rechts und links, westlich und nicht-westlich oder Juden und Arabern, sondern zwischen Gemäßigten und Extremisten. Betrachtet man die Ergebnisse der jüngsten Europawahl unter diesem Gesichtspunkt, so zeigt sich: Links- und Rechtsextremismus nähren sich gegenseitig und treiben die Fieberkurve in die Höhe, während die meisten gemäßigten Wählerinnen und Wähler untätig zu Hause geblieben sind, als würden wir in den 1920er Jahren leben. Wenn die Vernünftigen politisch träge sind, tun sie den Fanatikern den größtmöglichen Gefallen. Der jüdische River to the Sea-Fanatismus hat dem palästinensischen River to the Sea-Fanatismus nur zu gern Hilfestellung geleistet – in dem irrigen Glauben, an einem Krieg zwischen Gog und Magog führe kein Weg vorbei und dieser Krieg werde mit dem totalen, gottgewollten Sieg Israels enden. Dabei wurde eines vergessen: Nach einem solchen Sieg wäre Israel nicht länger Israel. Ein kleineres Israel neben einem unabhängigen Palästina hingegen – abgesichert durch Entmilitarisierung und internationale Garantien – wird Israel näher an seine ursprüngliche Zweckbestimmung heranführen. Denn gedacht war es als ein liberaler, demokratischer Staat für die Juden, der seinen nicht-jüdischen Bürgerinnen und Bürgern die gleichen Bürgerrechte garantiert und Frieden mit seinen Nachbarn anstrebt, wo immer dies möglich ist. „Ich bin weder für Israel noch für Palästina“, pflegte mein Vater zu sagen. „Ich bin für Frieden.“ Doch solange die Gemäßigten schwach bleiben, wird es einen Frieden der Gemäßigten nicht geben. 🇮🇱#bringthemhome #israel🇮🇱
Die Zeit danach
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