Wenn ein Minister verspricht, „Lebenszeit zu schenken“ und die von ihm auserwählte Boulevardzeitung ihm im Gegenzug damit schmeichelt, dass dieser den „Herztod besiegen“ will. Dann sollte man skeptisch werden, wie es um den Evidenzgrad hinter der von Karl Lauterbach gestern via Bild angekündigten Offensive für ein „Gesundes-Herz-Gesetz“ bestellt ist. Ja, der Titel ist real und zeigt, worum es Lauterbach derzeit vor allem zu gehen scheint: sich ein Vermächtnis als Präventionsminister aufzubauen. Durch Worte, falls es für die Taten nicht mehr reicht – und danach sieht es derzeit aus.
Denn trotz der (wiederholten) vollmundigen Ankündigung, das Gesetz in die Schiene zu setzen, ist auf der derzeitigen und bis Ende Juli reichenden Kabinettszeitplanung davon nichts zu sehen. Wie auch nicht vom anderen Präventions-Leuchtturm Lauterbachs, dem Präventionsinstitut BIPAM: Das liegt noch länger im Stadium der Ankündigung, ohne dass etwas passiert. Heißt: Angesichts der vielen BMG-Gesetze in der Warteschlange könnte die Präventionsoffensive realistischerweise frühstens Ende des Jahres ins parlamentarische Verfahren gehen. Ein hochumstrittenes Gesetz würde dann mitten im Wahlkampf verhandelt werden müssen, mit geringen Aussichten auf Abschluss.
Und ja, umstritten ist es, was Lauterbach im Kern vorschwebt: Eine Massenmedikamentisierung mit cholesterinsenkenden Statinen. Klingt wie eine Überspitzung, wird aber von Lauterbach genau so angekündigt. „Idealerweise“ sollten Kinder mit erhöhten Cholesterinwerten ab 5 Jahren regelhaft medikamentös behandelt werden, sagt er, „je früher, desto besser." Mit zwei Millionen neuen Patienten wäre laut Lauterbach zu rechnen (natürlich nicht nur unter Kindern, um das klar zu sagen). Das Geld für diese Präventionsmaßnahmen sei besser angelegt als in Präventionsprogrammen der GKV, die der Minister – warum auch immer – als „Sushi-Rollen für Anfänger“ diffamiert. Soviel zum realen Wirken des Präventionsministers im Hier und Jetzt.
Dass es ein fatales Präventionsdefizit in Deutschland gibt, wird kaum jemand bestreiten, internationale Vergleiche belegen es wieder und wieder. Dass Lauterbach hier einen zu starken Fokus auf die Medikamentisierung mit Statinen lege und dazu eine einzelne Studie überbetone, das sagte kürzlich der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, beim Jahreskongress des Innovationsausschusses im April. Und auch sonst ist die Fachwelt in der Frage längst nicht so einig, wie Lauterbach es suggeriert.
Für mich ist dies ein erneutes Beispiel für eine Kommunikationspolitik des Ministers, die mehr Schaden anrichtet als sie nützen kann. Vor allem deshalb, weil es Lauterbach offenbar weniger um die Umsetzung seines Plans geht, als darum, dass darüber geredet wird. Warum man das als umgekehrtes Präventionsparadox verstehen kann, auch darum geht es in meinem heutigen Text zum neuesten Vorstoß des Ministers.
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