Recht auf selbstbestimmtes Sterben – aber kein Recht auf Suizidmittel?
In der Juli-Ausgabe der MedR (2024, 494-500) setze ich mich mit der Frage auseinander, ob und unter welchen Voraussetzungen Sterbewilligen ein Anspruch auf Zugang zum Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital (NaP) zusteht. NaP gilt aufgrund seiner einfachen Anwendbarkeit und schnellen Wirkung als das probateste Suizidmittel. Während das BVerwG 2017 eine Erwerbserlaubnis für Sterbewillige in einer krankheitsbedingten „extremen Notlage“ noch bejaht hatte, sperrte es mit seinem jüngsten Urteil vom November 2023 den Zugang zu NaP faktisch vollständig – mit einer Begründung, die mich nicht überzeugt: (hier die Kurzfassung)
Einfachgesetzlich beruht die Argumentation des BVerwG auf einem überholten Verständnis des Begriffs der "medizinischen Versorgung". Die dahinterstehende Prämisse, Suizidassistenz sei per se keine ärztliche Aufgabe, ist medizinethisch und rechtlich nicht stichhaltig.
Auf einer grundrechtlichen Ebene erkennt das BVerwG zwar an, dass der inexistente Zugang zu NaP für Sterbewillige eine "erhebliche Belastung" darstellt, hält dies aber aufgrund der vorhandenen Möglichkeit, das eigene Leben mit der Unterstützung eines Sterbehilfevereins zu beenden, für gerechtfertigt. Diese Wertung ist allerdings zweifelhaft, setzt sie doch voraus, dass die angebotene (organisierte) Suizidhilfe lege artis erfolgt. Das erscheint angesichts jüngster Strafurteile gegen Suizidhelfer fraglich.
Aus meiner Sicht kann ein Zugangsrecht zum Suizidmittel NaP in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG heute nicht mehr grundsätzlich in Abrede gestellt werden. Allerdings bedarf es hierfür klare Regelungen, um die Freiverantwortlichkeit des Sterbewunsches sicherzustellen. Diese Kriterien festzulegen, ist jedoch originäre Aufgabe des Gesetzgebers und darf keinesfalls von Judikative oder Exekutive übernommen werden.
Das Urteil des BVerwG offenbart damit vor allem eines: Es ist höchste Zeit, dass der Bundestag seiner Verantwortung gerecht wird und endlich eine längst überfällige gesetzliche Regelung der Suizidassistenz verabschiedet – am besten noch in dieser Legislaturperiode. Nur so lässt sich ein verfassungsgemäßer Zustand herstellen.