Mein Fazit nach 2 Tagen Kongress der Kreativwirtschaft in Deutschland: Leider oft weder noch.
Ich schreibe diesen Beitrag auf Kampnagel, während der erste „German Creative Economy Summit“ zu Ende geht. Der Ort zeigt, wie „kreativ“ und „Wirtschaft“ zusammengehen können: Wo früher Schiffskräne gebaut wurden, entstand eine international renommierte Kulturspielstätte - einer meiner Lieblingsorte im provinziellen Hamburg.
Nie werde ich vergessen, wie ich hier im Winter 1995 im noch unsanierten und düsteren Foyer darauf wartete, in die Halle 6 eingelassen zu werden. Dort sollte La Fura Dels Baus auftreten. Die Theatertruppe machte stattdessen den Warteraum zur Bühne und rannte maskiert mit laufenden Kettensägen durchs Publikum.
Die rund 650 Kreativarbeiter:innen heute hier im selben Foyer machen einen weniger verschreckten Eindruck. Dabei hätten sie allen Grund, stellvertretend für die 1,2 Millionen, die in Deutschland in der Kreativwirtschaft arbeiten – Architektinnen, Produkt-, Mode oder Softwaredesigner, Verlegerinnen, Künstler, Musikerinnen …
Das Massaker, das zu befürchten steht, kommt nicht in Form von Kettensägen, sondern durch KI. Der Grund dafür ist (aus meiner einfachen Sicht) klar: Kreative waren schon immer schlecht darin, sich für den Wert ihrer Ideen honorieren zu lassen. Sie verdienen stattdessen an deren Umsetzung: Werbeagenturen machen einen Großteil ihres Umsatzes über die Realisierung und Produktionsbegleitung von Ads oder Videos, Architekturbüros über die Baubegleitung, Bands über Merch …
Genau diese Umsetzung kann in weiten Teilen KI übernehmen. Was das schon jetzt wirtschaftlich bedeutet, wird deutlich, als am Rande zur Sprache kommt, dass die Altersvorsorge der Branche, die Künstlersozialkasse, zügig Richtung Abgrund taumelt. Computer erwirtschaften keine Beiträge.
Was tun? Die Werber:innen in den Panels waren überwiegend damit beschäftigt, sich selbst und der Welt zu versichern, wie wertvoll ihr Beitrag ist. Leider wird lautes Pfeifen nicht glaubwürdiger, wenn es statt aus dem Wald von einer Bühne kommt.
Überhaupt habe ich vom Gros der Kreativ-Verwalter;innen, die hier auf den Bühnen standen, wenig neue Ideen gehört. Wirklich tolle Impulse kamen von denen, die nicht zwischen „Kunst“ und „Kommerz“ lavieren:
Von Dr. Carsten Brosda, dem Hamburger Kultursenator, der messerscharf darlegte, warum Kultur und Kreation nicht in Form von „possierlichen Projekten für prekäre Kleinunternehmer“, sondern als zentraler Teil der Wertschöpfung in die Wirtschaft gebracht werden müssen.
Und von denen, die einfach grandiose Kreative sind. Ganz egal, ob sie Musik machen wie Henning Besser von Deichkind, immersive audiovisuelle Installationen wie Christopher Bauder, Bilder wie Jonathan Meese – oder Schuhe wie Sebastian thies ® .
Ich habe mitgenommen: Wo wirklich Großes entsteht, funktioniert es auch wirtschaftlich. Auch ohne die Künstlersozialkasse - und sogar ohne LinkedIn. 😉
#gces #Kreativwirtschaft #Entscheidungshelfer