Sie sollten die GV vor dem 30. Juni durchführen oder mindestens einladen, sonst haben Sie keinen VR mehr Gemäss OR 699 muss die ordentliche Generalversammlung innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres durchgeführt werden – bei den meisten Gesellschaften läuft diese Frist jeweils am 30. Juni ab. Diese Frist gilt als blosse Ordnungsvorschrift: es gibt weder Strafen noch andere Sanktionen. Das Bundesgericht hat in BGE 148 III 69 festgestellt, dass mit Ablauf der sechsmonatigen Frist das Mandat des Verwaltungsrates dahinfällt und nicht stillschweigend verlängert wird. Nach dem Dahinfallen des Mandates kann der Verwaltungsrat keine gültigen Beschlüsse mehr fassen: seine Beschlüsse sind nichtig. Insbesondere kann er auch keine GV mehr einberufen. Dies führt dazu, dass eine GV, die auf Einladung eines «abgelaufenen» VR durchgeführt wird, ebenfalls nichtig ist Setzt der VR seine Tätigkeit nach Ablauf der Frist dennoch fort, so verpflichtet er die Gesellschaft weiterhin durch seine Handlungen, weil er ein faktisches Organ ist und sich Dritte auch auf den Eintrag im Handelsregister verlassen können. Das Bundesgericht hat in BGer 4A_387/2023 aber festgestellt, dass ein derartiges faktisches Organ, d.h. ein «abgelaufener» VR», keine GV einberufen kann. Der VR kann aber auch keine anderen Beschlüsse wie zum Beispiel zur Übertragung vinkulierter Aktien fassen. Alle Handlungen, die nach Statuten oder Gesetz vom VR vorgenommen werden müssen oder für die ein VR-Beschluss notwendig ist , sind unmöglich. Der VR, der in dieser Situation die Geschäfte weiterführt, hat auch ein Haftungsrisiko, da er ohne rechtliche Grundlage für das Unternehmen handelt und daher für jeden Schaden haftet, den er verursacht – der Verwaltungsrat ist in der Lage eines Geschäftsführers ohne Auftrag nach OR 419; schwierig ist es vor allem dann, wenn ein Teil der Aktionäre noch verlangt, dass er seine Tätigkeit einstellt oder behauptet, dass er gegen die Interessen der Gesellschaft oder unsorgfältig handelt.. Wie kann man das Problem beheben? Wie in der Beilage gezeigt, können alle Aktionäre zusammen eine Universalversammlung nach OR 701 durchführen oder die Revisionsstelle kann gemäss OR 699 zur GV einladen (das Bundesgericht hat festgestellt, dass das Mandat der Revisionsstelle beim Ablauf der Frist nach OR 699 nicht dahinfällt).Ein Aktionär kann wegen Organisationsmangel gemäss OR 731b klagen und bei Gericht die Einsetzung eines VR zur Einberufung einer Generalversammlung verlangen. Es ist aber besser das Problem vorher zu vermeiden. Kann die ordentliche Generalversammlung nicht durchgeführt werden, weil der Revisionsbericht fehlt oder sogar der Abschluss noch nicht erstellt ist, so sollte vor Ablauf der Frist eine Generalversammlung durchgeführt werden, die auf Wahl des VR beschränkt ist. Damit können alle Probleme vermieden werden. Der VR kann aber auch vor dem Fristablauf eine GV einberufen, die nachher stattfindet- z.B. 30.Juli diese Einladung ist gültig.
Vielen Dank für den Hinweis Urs Schenker - sehr wertvoll und effektiv zur richtigen Zeit adressiert. Gerade die kleinen und hinlänglich bekannten Dinge (und deren Konsequenzen!) gehen halt schon auch vergessen im täglichen Tun als Corporate Legal.
Danke für den Hinweis auf diesen BGE, lieber Urs.
Das ist ein sehr relevanter Post. Herzlichen Dank, Urs Schenker. 🙏
Partner at Argon Management
5 MonateDas BGer hat sich wieder einmal selber übertroffen. Das ist so fernab von der Realität. Das wird für viel Juristenfutter sorgen und absolutely no value add bringen. Interessant auch die Frage, ob man somit einen easy way out hat und als VR einfach aus der Verantwortung ist mit dem Argument, man sei ja gar nicht mehr gewählt und müsse - ja dürfe - gar nicht mehr erscheinen und für die Gesellschaft handeln. Das ist vor allem dann spannend, wenn es kritisch wird und die VRs eigentlich handeln müssten. Durchdacht haben das die Richter/innen nicht.