14 Branchentrends Wealth Management 2025
Zum Auftakt des neuen Jahres veröffentlichen wir einige Entwicklungen im Wealth Management, von denen wir erwarten, dass sie im Jahr 2025 an Bedeutung gewinnen werden.
1. Jede Bank ihre eigene Börse
Die Baader Bank hat es vorgemacht, jetzt betreibt Scalable Capital einen eigenen Handelsplatz. Diese Erweiterung der Wertschöpfungskette ist potenziell sehr attraktiv, aber durchaus auch mit strategischen Risiken verbunden. Sollte sich diese Entwicklung durchsetzen, und mehrere Banken ihre eigenen Handelsplätze gründen, wird es zudem interessant zu sehen, wo der betriebswirtschaftliche Grenzwert in der Aufteilung der Gesamtheit der Orders über eine Vielzahl von Handelsplätzen liegt und welches Maß an Cherry Picking dabei bei dem Listing der Wertpapiere betrieben wird.
2. Asset Manager gehen zum Endkunden
Je mehr die Wealth Management Branche ihre Abläufe systematisiert und digitalisiert, desto weniger werden Asset Manager einen Einfluss auf den Einsatz ihrer Produkte haben. Die strategische Antwort besteht aus dem Aufbau eigener direkter Beziehungen zu Endkunden. Für die meisten Asset Manager ist das undenkbar, weil ihre DNA von Produkten bestimmt wird, und nicht von Endkundenbeziehungen. Die Tatsache, dass die Vanguard Gruppe - als einer der größten Asset Manager der Welt - den Ausbau des Direktgeschäfts mit Endkunden in naher Zukunft plant, wird andere Asset Manager vielleicht dann doch zu strategischen Neuorientierungen inspirieren.
3. Private Equity sucht Vermögensverwalter
Vermögensverwalter sind “hot”. Immer mehr Private Equity Gesellschaften erkennen die Investitionschancen, die Vermögensverwalter und die extrem fragmentierte Branche bieten. Kombiniert mit dem zunehmenden Bedarf an Nachfolgelösungen, wird die Anzahl der Übernahmen und Fusionen in der Branche zunehmen.
4. Regulierung Nachhaltigkeit ist ein Eigentor
Freund und Feind und sogar die BaFin sind sich mittlerweile darüber einig, dass die derzeitige Regulierung der Nachhaltigkeit von Investment zu einem Eigentor geführt hat. Das wird aber nicht zur Folge haben, dass wir kurzfristig eine einfache und sinnvolle Handhabung bekommen werden. Die Gefahr ist real, dass die europapolitische Neigung zur detailversessenen Überregulierung in diesem Thema nicht zu einer besseren, sondern lediglich zu einer anderen Regulierung führt.
5. Digitale Vermögensverwaltung wird erwachsen
Digitale Vermögensverwaltung wird oft mit Robo Advisory gleichgesetzt, was wiederum oft mit elektronischer Kontoeröffnung gleichgesetzt wird. In Wirklichkeit wird die gesamte Wealth Management Branche digitaler, unabhängig vom Betreuungsmodell des jeweiligen Vermögensverwalters. Dabei werden - zumindest manche - Systeme dem Bedarf an individueller Passgenauigkeit mittlerweile gerecht. Somit ist es heute möglich, eine individuell passende Vermögensverwaltung auch für komplexe Konstellationen vollständig digital zu mandatieren und zu betreuen. Dabei ist es unerheblich, ob der Mandant von einem persönlichen Berater im Präsenzgespräch, per Videoberatung oder von einem System betreut wird.
6. Digitalisierung gibt Bankvorständen mehr Sicherheit
Der Vertrieb wird in den meisten Banken straff geführt. Dabei konnten die Entscheider in den Banken nur Schulungen anbieten und hoffen, dass ihre Mitarbeiter sich in ihrem Sinne verhalten würden. Die fortschreitende Digitalisierung gibt Bankvorständen nun mehr Sicherheit. Je differenzierter und intelligenter die Beratersysteme werden, desto mehr können sie den Beratern zu einer echten Unterstützung werden. Gleichzeitig erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Berater sich compliant und im Sinne der Bank verhalten.
7. Banken sehen Licht am Ende der Sackgasse
Obwohl die Digitalisierung den Banken potenziell bei der Erhöhung ihrer Beratungsqualität helfen könnte, nutzen die wenigsten Banken dieses Potenzial tatsächlich. Stattdessen befinden sich die meisten Banken weiterhin in der Sackgasse des Produktvertriebs. Auch wenn ein bedarfsorientierter Ansatz mittels Investment Planning und Financial Planning den Mandanten einen deutlich höheren Nutzen bietet, schaffen die meisten Banken den strategischen Umbau nicht. Oft meinen sie, dass eine weitere Digitalisierung des Produktvertriebs ihr Problem lösen würde. In Wirklichkeit ist die Digitalisierung des Produktvertriebs nichts anderes als ein weiterer Schritt in die Sackgasse hinein. Wenn die Kunden irgendwann vollständig ausgequetscht sind, stellt sich heraus, dass das Licht am Ende der Sackgasse ein Bremslicht ist.
8. Brokerage gipfelt
Die Neobroker boomen. Corona, Mobile Apps und die positiven Märkte haben zusammen eine neue Welle von Brokerage-Kunden produziert, oft handelt es sich dabei um Kunden, die zum ersten Mal in Wertpapieren anlegen. Es gibt drei Hauptgruppen von Brokerage-Kunden. Kunden, die zum ersten Mal Geld anlegen, Kunden, die Investieren als Hobby haben, und Kunden, die besonders risikovoll spekulieren. Wenn die anfängliche Euphorie der neuen Kunden sich legt, bleibt von diesen Kunden hauptsächlich ein Teil der Hobbyisten aktiv. Die beiden anderen Kundengruppen fahren ihre Aktivität in der Regel stark zurück. Um erfolgreich zu bleiben, brauchen die Neobroker ein gutes Börsenjahr. Ein besonders schlechtes Börsenjahr wäre auch gut für die Handelsaktivität der Kunden, würde allerdings anschließend zu einem Einbruch des Geschäfts führen.
9. Family Office geht in die Breite und in die Höhe
Grundsätzlich wäre ein Family Office - ein Kümmerer in Finanzfragen - für fast jede Person und jede Familie sinnvoll, unabhängig von der Höhe des Vermögens. Warum hat dann nicht jeder ein Family Office? Die Kosten bilden die größte Hürde. Die Kosten eines persönlichen professionellen Finanzmanagements für Privatpersonen rechnen sich für kleine Vermögen nicht. Allerdings bewirkt auch hier die Digitalisierung, dass der wirtschaftlich sinnvolle Grenzwert immer weiter sinkt. In der Folge werden wir im nächsten Jahr weitere Family Offices sehen, die sich auf den Middle Market - der HNWIs versus UHNWIs - fokussieren. Gleichzeitig wird auch das Angebot für UHNWIs weiter professionalisiert. Definieren sich viele Family Offices heute noch über Anlagemanagement - wobei insbesondere Private Equity in den Vordergrund gestellt wird -, so wird sich in Zukunft ein Wachstum bei den Family Offices zeigen, die ihren Schwerpunkt in der strategischen Beratung von Familien in Bezug auf Financial Planning, Nachfolgeplanung und Family Governance bieten.
10. Immobilien brauchen Betreuung
Deutsche lieben Immobilien. Während man in den letzten Jahrzehnten bei Immobilieninvestments nicht besonders viel falsch machen konnte, wird die Situation in den nächsten Jahren grundsätzlich anders sein. In der Folge brauchen Investoren mit großen Immobilienportfolios und Investoren, die Immobilienportfolios aufbauen möchten, eine strategische Beratung kombiniert mit einer professionellen Bewirtschaftung von Immobilien.
11. Unternehmensnachfolge ist alternativlos
Die Anzahl der Unternehmensnachfolgen wird weiter wachsen. In einer Wirtschaft die schwächelt, nimmt die Bedeutung eines rechtzeitigen und strategischen Umgangs mit der Frage der Unternehmensnachfolge exponentiell zu. Wer daran zweifelt, sollte sich die Anzahl der Unternehmer vor Augen führen, die sich heute wünschen würden, dass sie ihr Unternehmen bereits vor wenigen Jahren verkauft hätten. Dabei ist die Unternehmensnachfolge sinnvollerweise immer im breiteren Kontext der Governance sowie der Vermögensstrategie der Familie zu beurteilen.
12. Tokenisierte Wertpapiere bieten neue Möglichkeiten
Die öffentliche Wahrnehmung der Blockchain-Technologie liegt vor allem im Bereich der Kryptowährungen. Ein Bereich, der in der Öffentlichkeit kaum sichtbar ist, ist die Tokenisierung von Wertpapieren. Dabei hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, die Wertschöpfungskette im Wertpapiergeschäft völlig zu verändern. Gleichzeitig werden mit der neuen Technologie neue Wertpapierprodukte betriebswirtschaftlich sinnvoll und marktfähig. Denken Sie zum Beispiel an realtime ETFs und Fractional Shares.
13. Alle Finanzinstitute sind Fintechs
Alle Finanzinstitute - Banken, Wertpapierinstitute und Versicherungen - sind Fintechs. Aber die wenigsten Finanzinstitute wissen das. Oder sie wissen es schon, aber können nicht danach handeln, weil sie nicht über die erforderlichen Strukturen, Prozesse, Strategien und Kulturen verfügen. Viele der Probleme, die derzeit noch unter Labels wie Vertrieb, Personal oder Risikomanagement kategorisiert werden, sind in Wirklichkeit technische Probleme. Im Jahr 2025 wird es auch dem letzten Finanzinstitut bewusst werden, dass es eigentlich ein Fintech ist. Und werden sollte. Oder aufgeben sollte.
14. Altersvorsorge bleibt der Elephant In The Room
Fast hätte eine Regierung es geschafft, einen ersten - sei es viel zu kleinen - Schritt zur Förderung der privaten Altersvorsorge in die Wege zu leiten. Das jüngste Aus der Koalition ist aber nur einer der vielen Gründe, weswegen die deutsche Politik bisher unfähig war, eine effektive und zukunftsfähige Struktur für die private Altersvorsorge zu gestalten. Es ist bemerkenswert, mit welcher Ignoranz und ideologischer Dogmatik die politische Diskussion in diesem Bereich weiterhin geführt wird. Dabei besteht das größte Gut in der Altersvorsorge nicht aus Kapital, sondern aus Zeit. Je früher jemand in eine attraktive Altersvorsorge einzahlen kann, desto größer ist das Vermögen im Alter. Während die deutsche Politik das Problem seit Jahrzehnten ungelöst lässt, nimmt die Brisanz nur zu.
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4 TageSehr interessante Perspektiven. Danke Marcel! Mir gefällt v.a. Nr. 7. Es ist schon seit jeher so, dass Digitalisierung per se nicht die Lösung ist, sondern eine Strategie, die für allen Stakeholder langfristig Nutzen erzeugt, bedingt. Sonst wird es wie beschrieben zur Sackgasse.