#16: Geschäfte von gestern: Was muss sich ändern, damit der Einzelhandel nicht aus der Mode kommt?

#16: Geschäfte von gestern: Was muss sich ändern, damit der Einzelhandel nicht aus der Mode kommt?

Neun Prozent mehr Umsatz mit Kleidung als 2022 haben Händler im ersten Halbjahr 2023 gemacht. Zugleich häuften sich die Insolvenzen in der Branche. Wie kann das sein? Creditreform hat gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute für eine exklusiven Report analysiert, welchen Herausforderungen und Chancen der stationäre Einzelhandel gegenübersteht.


P&C, Gerry Weber, Reno, Peter Hahn, Salamander, Görtz oder Signa Sports United – und zuletzt Galeria Kaufhof zum dritten Mal. Viele Insolvenzen im Handel erregten 2023 Aufmerksamkeit, weil sie bekannte Namen betreffen. Doch die Pleitewelle geht tiefer, insgesamt mussten im vergangenen Jahr mehr als 90 Modehändler Insolvenz anmelden, darunter auch viele kleinere und weniger bekannte Häuser.  

Die gesamte Branche steht unter Druck. Daran konnte auch das zurückliegende Weihnachtsgeschäft nichts ändern. Die traditionell umsatzstärksten Monate November und Dezember konnten die Erwartungen nicht erfüllen. Der Handelsverband Deutschland e.V. (HDE) meldete, dass die Umsätze zum Jahresende um fünf Prozent unter dem Niveau des Vorjahres geblieben sind.

Die Gründe dafür sind bekannt und werden immer wieder genannt: Rezession, Inflation und internationale Krisen verunsichern die Verbraucher und bremsen den Konsum. Dazu kommen die Nachwirkungen der Coronapandemie, die den Trend zum E-Commerce verstärkt hat.

In dem aktuellen Report „Textileinzelhandel und Innenstadtentwicklung“ hat Creditreform zusammen mit dem Handelsblatt Research Institut die Situation im Textileinzelhandel genauer in den Blick genommen. Das sind die wichtigsten Treiber der Entwicklung:


Klein gegen groß

Die Handelsbranche und insbesondere der Modehandel erlebten eine immer stärkere Konsolidierung. Während große nationale und internationale Ketten jahrelang expandieren konnten, wurde die Luft für nicht filialisierte Fachhändler dünn. So besetzen inzwischen Händlermarken und integrierte Mono-Label-Stores der Hersteller große Teile des Markts. Im Bekleidungseinzelhandel vereinigten die sechs größten Unternehmen im vergangenen Jahr bereits einen Umsatzanteil von knapp 51 Prozent auf sich. Wenig anders sieht es im Schuhhandel aus. Dort erwirtschafteten schon 2016 nur acht Händler knapp 45 Prozent des Branchenumsatzes in Deutschland. Dementsprechend gehen die Marktanteile für nicht filialisierte Einzelhändler seit inzwischen 20 Jahren kontinuierlich zurück:

Diversifizierung verschlafen

Obwohl der Umsatz mit Mode insgesamt gewachsen ist, haben viele stationäre Modehändler Schwierigkeiten bei der Anpassung an andere Vertriebsformen, insbesondere an den Onlinevertrieb. Insgesamt gaben die Deutschen 2023 rund 68 Milliarden Euro für Mode aus. Allerdings gingen gut 60 Prozent davon am Fachhandel vorbei, allen voran in den E-Commerce, aber auch in Warenhäuser und Discounter. Wie sehr der stationäre Modehandel die Digitalisierung vielerorts verschlafen hat, macht noch ein anderer Vergleich deutlich: In der gesamten Fashionbranche macht der Online-Umsatz gut 43 Prozent aus. Im stationären Fachhandel mit Fashion sind es laut HDE nur elf Prozent.

Weniger Laufkundschaft

Das wiegt besonders schwer, wenn die Laufkundschaft ausbleibt. Schon vor der Corona-Pandemie hat eine Entwicklung begonnen, bei der der Einzelhandel als Publikumsmagnet in den Innenstädten an Zugkraft verloren hat. Lockdowns und Abstandsregeln haben diesen Trend lediglich verstärkt, doch die Besucherzahlen im Einzelhandel sind seit mehr als 15 Jahren rückläufig. Zwischen 2008 und 2014 etwa gingen sie laut historischen Daten des Analyseanbieters Experian um gut ein Drittel zurück.

Erschwerend für den Modehandel kommt hinzu, dass sich die Präferenzen der verbleibenden Besucher ändern. Der Bereich Kleidung und Accessoires rangiert bei der Anzahl der monatlichen Besucher pro Geschäft inzwischen nur noch an fünfter Stelle. Am ehesten gehen Kunden in einen Laden, um Lebensmittel, Möbel und Kosmetik zu kaufen.

Explodierende Kosten

Während Pandemie und Onlinehandel die Nachfrageseite beeinflusst haben, treffen die jüngsten Krisen Händler nun auch noch auf der Kostenseite. Mieten, Energiekosten, Personalkosten und die Einkaufspreise steigen. Laut einer Einschätzung des Bundesverbands des Textileinzelhandels (BTE) waren die Umsätze 2023 für viele Textil- und Schuhgeschäfte nicht ausreichend, um die hohen Kostensteigerungen auszugleichen. Gleichzeitig bleibt der Transformationsdruck hoch. Um überhaupt noch konkurrieren zu können, müssten Händler in Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Marketing und Co. investieren. Denn die Branchengrößen machen genau das und halten den Druck auf die kleineren groß.

Leerstände als Chance

So kommt eine Abwärtsspirale in Gang. Je mehr nicht filialisierte Einzelhändler aus dem Markt ausscheiden – sei es durch die Geschäftsaufgabe oder eine Insolvenz – desto sichtbarer wird der Leerstand an Handelsimmobilien. Innenstädte mit vielen leeren Ladenlokalen sind wiederum nicht attraktiv für Verbraucher, die in der Folge noch stärker ihre Kleidung über andere Vertriebsformen kaufen. Um diese Spirale zu durchbrechen, braucht es neue Konzepte. Und zwar solche, die Leerstände als Chance begreifen. Dadurch könnten Ladenmieten sinken, es könnte Platz für neue Nutzungsformen wie Co-Working und Wohnen, Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen entstehen – und darüber wieder mehr Menschen in die Städte kommen. Eine HDE-Umfrage zeigt, dass die Menschen einen größeren Mix aus Angeboten durchaus schätzen. Für den stationären Mode- und Einzelhandel könnte das der Hoffnungsschimmer sein, um gemeinsam mit anderen Dienstleistern und Unternehmern die Einzelhandelslandschaft in den Innenstädten neu zu erfinden.

Ich kaufe immer alles in amazonien, keine Ahnung warum die immer alle pleite sind.

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