17. AKG Mitgliederversammlung in Berlin
Die 17. Mitgliederversammlung des AKG e.V. am 25.04.2023 konnte wieder in Präsenz stattfinden. Der öffentliche Teil stand unter dem Motto „Die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen und Compliance“.
Nach der Begrüßung und Eröffnung der Mitgliederversammlung durch den AKG-Vorsitzenden Christoph Harras-Wolff überbrachte Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB, Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Mitglied im Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages, die Grüße seiner Fraktion und berichtete von den aktuellen parlamentarischen Entscheidungsprozessen zur Gesundheitspolitik sowie den anstehenden gesundheitspolitischen Aufgaben der Ampelkoalition. Als Beispiel nannte er den langen Weg der Cannabislegalisierung und die Arzneimittelversorgungsgesetzgebung.
Professor Ullmann dankte zunächst für die Ehre zum 15-jährigen Bestehen des AKG, auf der Mitgliederversammlung sprechen zu dürfen. Entschuldigte aber sein Grußwort per Video mit den häufig schwierigen terminlichen Abstimmungen und Aussprachen mit dem Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach und seinem Haus.
Ullmann betonte in seinen Grußworten gerade mittelständische Unternehmen seien eine tragende Säule in der Arzneimittelversorgung und somit auch die Mitgliedsunternehmen des AKG. Der AKG selbst sei mit seinem Grundsatz Prävention vor Sanktion ein sehr positives Beispiel für den Umgang miteinander im Bereich der Compliance. Professor Ullmann wörtlich: „Sie setzen sich aktiv für ein faires und transparentes Verhalten ein.“ Ullmann betonte, nur wenn man sich an die Wettbewerbsregel halte, könne man gut zusammenarbeiten. Der AKG könne daher für die Politik als gutes Beispiel dienen. Professor Ullmann zum Abschluss wörtlich: „Ich wünsche mir…, dass wir als Fortschrittskoalition Ihrem Beispiel folgen und zu einem fairen und transparenten Miteinander finden, um das Beste für die Bürgerinnen und Bürger und die Gesellschaft als Ganzes zu erreichen.“
Auszüge aus dem Grußwort von Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB sehen Sie hier oder im Video auf unserer Webseite.
Vom öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung wurde ein Videomitschnitt anfertigt, der auf der Homepage abrufbar ist. So haben auch alle, die nicht dabei sein konnten, die Möglichkeit sich die einzelnen Beiträge nachträglich anzusehen.
Nach den Ausführungen von Prof. Ullmann sprach Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI), zu den Delegierten und Gästen der Mitgliederversammlung.
Zunächst bemerkte Dr. Feldmeier, zum Grußwort von Professor Ullmann, man habe sich von der FDP in der Koalition starke Impulse erwartet im Hinblick auf das, was auch den Gründungsgedanken des AKG ausmache: Selbstverantwortung zu übernehmen und nicht alles vom Gesetzgeber vorgeschrieben zu bekommen. Es mache ihn traurig, wie sich die Gesetzgebung in den letzten Jahren verändert habe. Man bekomme nicht mehr nur einen gesetzlichen Rahmen vorgegeben, sondern im Detail „aufs Auge gedrückt“, wie man was in den Firmen zu regeln habe. Es sei eine Nummer zu viel, was der Gesetzgeber alles von den Unternehmen verlange. Man verstehe nicht mehr, was die Regierung von den Unternehmen alles wolle, Feldmeier wörtlich: „Sind es nicht die Regeln des guten Kaufmanns: Ich versuche anständig zu arbeiten und mich ans Gesetz zu halten. Und wenn ich gegen etwas verstoße, dafür belangt zu werden.“ Man könne sich hier aber bei allem Ungemach aus der Politik auf eines verlassen, „macht Euch keine Platte, wir sind im AKG“. Gott sei Dank gäbe es diese Initiative der pharmazeutischen Industrie. Man könne viele Dinge in Eigenverantwortung besser erledigen als die Politik, der AKG zeige es. Grundsatz dabei sei: Prävention statt Sanktion. In diesem Zusammenhang sprach der BPI-Vorsitzende den zweiten Anlauf zur Fusion der Verbände BAH und BPI an. Man habe die gemeinsame Verantwortung eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung sicher zu stellen. Feldmeier verwies in diesem Zusammenhang auf die wichtige Bedeutung des Veranstaltungsthemas. Die ständigen Vorhaltungen und Regelungen, wie man mit der Herstellung von und der Versorgung mit Arzneimitteln umzugehen habe, machten ihn „wütend“. Als Beispiel sei das GKV-Stabilisierungsgesetz genannt, es mache als „Dankeschön“ für drei Jahre hervorragende Leistungen in der Versorgung während der Pandemie einen zusätzlichen Herstellerrabatt.
Es sei frustrierend, dass man zwar angehört werde, aber keiner einem zuhöre. Deshalb müsse man sich zusammenschließen. Deshalb sei es eine große Chance, dass der BAH und der BPI wieder ins Gespräch gekommen seien. Es bestehe nun die Möglichkeit, dass 90 Prozent der Arzneimittelhersteller gemeinsam in einem Verband seien für eine sichere und zuverlässige Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten.
Abschließung danke Feldmeier dem AKG nochmals für seine 15-jährige Arbeit für ein gutes Gesundheitswesen und einen fairen Wettbewerb.
Auszüge des Grußworts von Dr. Hans Feldmeier sehen Sie hier im Video oder auf unserer Webseite.
Vor seinem Bericht zur Lage ging der AKG-Vorsitzende Christoph Harras-Wolff zunächst auf die nun für 2024 geplante Fusion von BAH und BPI ein. Man gehe hier den richtigen Schritt, um zwei Verbände endgültig zusammenzuführen, damit die deutsche Arzneimittelindustrie nicht nur mit einer Stimme gehört werde, sondern auch verstanden werde, was die Probleme der Pharmaindustrie in Deutschland seien.
Der AKG-Vorsitzende begann seinen Bericht zur Lage mit einem Rückblick auf 2022. Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und immer noch die Corona-Pandemie - das seien die großen Themen in 2022 gewesen. In seinem Bericht zur Lage im vergangenen Jahr habe er feststellen müssen, dass die Corona-Krise alle noch fest im Griff hatte. Diese Krise sei, zum größten Teil überwunden, auch wenn das Virus selbst wohl noch weiter erhalten bleibe, so sei jedenfalls das Krisenszenario beendet und die damit verbundenen Einschränkungen seien aufgehoben. Das sei ein langer und für Alle beschwerlicher Weg gewesen, mit vielen klugen und lebensrettenden Entscheidungen, aber auch begleitet von teilweise irrationalen und nicht vermittelbaren Maßnahmen. Harras-Wolff wörtlich: „Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer und deswegen sollte man bei aller berechtigten kritischen Betrachtung der Vergangenheit auch der Schwierigkeit Rechnung tragen, dass die politischen Entscheidungen häufig auf der Grundlage sich widersprechender Forscherstimmen getroffen werden mussten. Wichtig ist jetzt, dass wir die richtigen Schlüsse aus den Erfahrungen ziehen und uns für die Zukunft besser aufstellen und dort nachbessern, wo es Handlungsbedarf gibt.“
Das gelte - so der Vorsitzende - allerdings nicht nur für die Erfahrungen, die man während der Pandemie gewinnen konnte, sondern auch für die Erkenntnisse in vielen anderen Bereichen, wie teilweise schmerzlich bewusst geworden sei.
Harras- Wolff stellte fest, die Regierung konnte das Versprechen nicht halten, dass uns selbst die Sanktionen nicht schaden würden. Preise für Benzin und Gas, Lebensmittel, technische Güter oder Handwerkerleistungen explodierten, die Inflation galoppierte durch die deutschen Haushalte und stieg seit Jahrzehnten erstmals wieder auf über zehn Prozent. Die Unsicherheit und sogar auch die Angst unter den Bürgern stiegen. Umfragen zeigten, dass das Vertrauen in die Demokratie weiter sinke. Diese bedenkliche Entwicklung könne sich irgendwann auch an der Wahlurne niederschlagen. Vertrauen sei bekanntlich ein kostbares Gut und wenn es verloren gehe, dann gewönne man es bekanntlich nur schwer zurück.
Bedenklich könne es dann werden, wenn absolute Gewissheiten und Richtigkeitsansprüche von einzelnen Gruppen reklamiert würden und die politische Auseinandersetzung zum Glaubenskampf werde. Die allermeisten Deutschen bewahrten aber weiterhin einen kühlen Kopf, und der Staat halte mit gigantischen Summen den Schaden in Grenzen. Harras-Wolff beendete seine gesamtpolitischen Ausführungen mit den Worten: „Deutschland hat also gezeigt, wie stark es sein kann, wenn der Wille da ist. Das macht 2022 nicht zu einem guten Jahr. Eine gute Nachricht ist es trotzdem. Allerdings hätten Corona-Krise und Ukraine-Krieg unstreitig ihre Spuren hinterlassen, das zeige beispielsweise der jüngste Gesundheitsmonitor des BAH. Waren 2018 noch 73 Prozent mit ihrem Leben zufrieden, so sind es aktuell nur noch 58 Prozent. Mit ihrer persönlichen gesundheitlichen Situation sind es gerade einmal 53 Prozent. Es dürfe an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen sich kaum verändert habe. 39 Prozent erwarten allerdings eine Verschlechterung – Lieferengpässe bei Arzneimitteln und die personelle Situation in Kliniken und Pflegeheimen seien dabei in allen Befragungen der jüngsten Zeit gewichtige Gründe.
Nach diesem Rückblick lenkte der AKG-Vorsitzende sein Augenmerk auf das eigentliche Thema der Mitgliederversammlung.
Das Thema Compliance nehme in deutschen Unternehmen eine immer wichtigere Rolle ein und werde häufig in der Führungsetage eines Unternehmens angesiedelt. In den meisten Firmen sei der Chief Compliance Officer direkt unter dem Vorstand angesiedelt. Compliance höre nicht im eigenen Unternehmen auf, sondern erstrecke sich auch auf die Überwachung von Lieferketten.
Neue regulatorische Entwicklungen im Bereich Compliance wie beispielsweise das Hinweisgeberschutzgesetz und viel andere Anforderungen stellten Unternehmen vor die Herausforderung, eine angemessene und wirksame Compliance-Organisation einzuführen bzw. ihre Compliance-Organisation weiterzuentwickeln. Die neuen Gesetzesinitiativen wie das Hinweisgeberschutz- und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz seien wichtige Herausforderungen für die Compliance-Abteilungen.
Es habe den Anschein, so Harras-Wolff, dass in der Compliance-Branche ein Wandel von einer Sanktions- zu einer Anreizkultur stattfinde, um Compliance konformes Verhalten zu fördern. Das sei ein deutliches Votum auch für das Leitmotiv des AKG „Prävention vor Sanktion“.
In der näheren Zukunft werde die Digitalisierung auch vor der Tätigkeit der Compliance-Verantwortlichen nicht haltmachen. Im Sinne einer effektiven Prävention und damit einer Verhinderung von Fehlverhalten werden möglicherweise die gesammelten Informationen mit den Erkenntnissen anderer Abteilungen digital vernetzt, um dadurch ein sinnvolles Frühwarnsystem zu entwickeln. Die Kompetenz des Compliance Officer werde damit um die Fähigkeit erweitert, die gewonnen Daten zu kombinieren, zu bewerten und in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Diesen Prozess könnte man auch als Präventions-IT bezeichnen. Diesem spannenden Thema werde sich auch der AKG widmen.
Darüber hinaus werde der AKG die Compliance-Verantwortlichen auch weiterhin mit seinem Aus- und Weiterbildungsangebot nachhaltig unterstützen und mit seinem Beratungsservice tägliche Entscheidungshilfe leisten.
Der AKG-Vorsitzende leitete dann zum Thema des Öffentlichen Teils der Mitgliederversammlung über - der regelkonformen Zusammenarbeit mit den Patientenorganisationen.
Bei der Vertretung und Durchsetzung von Interessen und Rechten behinderter oder kranker Menschen spielten Patienten- und Selbsthilfeorganisationen eine herausragende Rolle. Patientenorganisationen seien ihrem Selbstverständnis nach politisch-fachliche Interessenvertretung und Ansprechpartner, wenn es um die Beratung von Patientinnen und Patienten gehe. Gerade für chronisch kranke Menschen seien solche Zusammenschlüsse von besonderer Bedeutung. Patienten- und Betroffenenorganisationen, etwa von Diabetikern, Asthmatikern oder Krebspatienten, stellten nicht nur wichtige Kompetenznetzwerke dar, sie böten ihren Mitgliedern auch konkrete Informationen und Hilfestellungen im Umgang mit ihrer Krankheit. Nachhaltige Partnerschaften mit Patientenorganisationen stellten eine gute Möglichkeit dar, um wertvolle Einblicke zu erhalten, die für die Arbeit der Unternehmen in sämtlichen therapeutischen Bereichen von Bedeutung seien.
Harras-Wolff betonte, die technische Entwicklung im Rahmen der Informationsgewinnung und -bewertung werde die Zusammenarbeit mit den Patientenorganisationen verändern. Den Patienten der Zukunft würden völlig neue Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Sie sähen sich mit einer ganzen Reihe neuer Technologien konfrontiert – von Smartphone-Apps bis zu Selbsttests für zu Hause und DNA-Analysen. All diese Technologien hätten das Potenzial, die Art und Weise, wie Patienten mit Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen interagieren und gesundheitsbezogene Dienstleistungen empfingen, nachhaltig zu verändern. Das steigere die Eigenverantwortlichkeit und eröffne zudem mehr Mitwirkungsmöglichkeiten als jemals zuvor. Die Digitalisierung erweitere die Möglichkeiten der Kommunikation mit und gegenüber Patientinnen und Patienten. Darüber hinaus biete sie innovative Versorgungsstrukturen, was zur besseren Gesundheitsversorgung beitragen könne. Was technisch möglich und kommunikativ erwünscht sein mag, müsse aber nicht unbedingt rechtlich zulässig sein. Pharmaunternehmen, aber auch Ärzte, Therapeuten, Apotheken, die die Chancen und Vorteile der Digitalisierung nutzen, müssten die regulatorischen Vorgaben kennen und deren Einhaltung sicherstellen. Die digitale Kommunikation erfolge z.B. über Unternehmenswebsites, Newsletter, Social Media, Videoplattformen wie YouTube, Apps, E-Commerce-Plattformen wie ebay und Amazon, Blogs und Influencers sowie über Call-Center. Es sei zu beachten, dass der bereits bestehende Rechtsrahmen grundsätzlich auch für die digitale Kommunikation gelte. Das seien insbesondere die Vorschriften über die Arzneimittel- und Medizinproduktewerbung sowie die Regelungen zum Datenschutz und zum Schutz des geistigen Eigentums.
Die Politik habe – so Harras-Wolff - großes Interesse daran, mithilfe von Digitalisierung die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern. Die Politik könne Rahmenbedingungen schaffen, die es den Marktakteuren ermöglichen, Innovation einzuführen und patientenzentrierte Netzwerke zwecks besserer Versorgung zu etablieren. Harras-Wolff wörtlich: „Patientenkommunikation ist mit Sicherheit ein nützliches und wirksames Instrument für Pharmaunternehmen, wie auch für Ärzte und Therapeuten, das jedoch gleichzeitig „compliant” durchgeführt werden muss. Bei der Entwicklung einer regelkonformen digitalen Patientenkommunikation will der AKG mitwirken und seinen Teil beitragen.“
Weiter führte der AKG-Vorsitzende aus: „Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zum immer wieder diskutierten Thema Lobbyismus. Ich erspare mir hier ausdrücklich eine Stellungnahme zu den immer wieder, teils vollkommen unsachlichen Diskussionen über Sinnhaftigkeit oder gar Gefahren von Lobbyismus. Gesundheitspolitische Entscheidungen haben nicht nur auf Versicherte und Patienten Auswirkungen, sondern auch auf die wirtschaftliche Situation einer Vielzahl von Unternehmen und Einrichtungen der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Das Gesundheitssystem ist hochkomplex und in seiner gesamten Breite und Regelungstiefe kaum von einzelnen Politikern und Ministerialbeamten überschaubar. Das führt zu einem Bedarf an Beratung sowie an detaillierten und zuverlässigen Informationen. Lobbying braucht, um langfristig erfolgreich zu sein, dauerhafte persönliche Beziehungen zu Politikern und Ministerialbeamten und eine stabile Vertrauensbasis. Diese wird durch persönliche Kontakte zwischen Lobbyisten und ihren Adressaten in Politik und Ministerialbürokratie aufgebaut und kontinuierlich gepflegt.“
Lobbyarbeit beziehe sich im Wesentlichen auf einen Informations- und Wissensaustausch zwischen den Verbänden und Organisationen, den Politikern und der Ministerialverwaltung. Das könne dazu beitragen, Fehler zu vermeiden und handwerklich bessere Gesetzentwürfe zu schreiben. Auch auf diesem Gebiet will der AKG seinem Leitmotiv „Prävention vor Sanktion“ gerecht werden.
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Den Bericht zur Lage von Christoph Harras-Wolff sehen Sie hier im Video oder auf unserer Webseite.
In den anschließenden Vorträgen setzen sich die Referenten mit dem Thema „Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen und Compliance“ auseinander.
Karl Cattelaens, Deutsche Rheuma-Liga und Vorsitzender des Monotoring Ausschusses der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen und ihren Angehörigen e.V. (BAG), sprach in seinem Gastvortrag zu den Leitsätzen des BAG Selbsthilfe (Zusammenschluss von 120 Selbsthilfeorganisationen auf Bundesebene) für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, mit Organisationen und Wirtschaftsunternehmen und Compliance. Cattelaens erklärte zunächst, die Leitsätze gäbe es, weil die Selbsthilfe ihre Aufgaben nur dann glaubwürdig vertreten könne, wenn sie ihre Unabhängigkeit und ihre Neutralität gegenüber anderen Akteuren (in der Wirtschaft) eindeutig bewahre. Dabei seien die Leitsätze die freiwillige Selbstverpflichtung zur Neutralität und Unabhängigkeit und Konkretisierung und Operationalisierung, sprich Umsetzung der Selbstverpflichtung zu Neutralität und Unabhängigkeit.
Cattelaens erläuterte im Weiteren wie Transparenz zur Einhaltung der Leitsätze geschaffen werde. Jedwede Kooperation mit Unterstützung durch Wirtschaftsunternehmen sei transparent zu gestalten. Die Selbsthilfeorganisationen verpflichteten sich, jährlich die Einnahmen in Anlehnung an die steuerrechtlichen Vorschriften zu veröffentlichen. Die Transparenzerklärungen zur Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen würden von den Selbsthilfeorganisationen auf ihrer eigenen Homepage veröffentlicht. Die entsprechende Seite der Homepage der Selbsthilfeorganisationen werde mit der Transparenzliste auf den Webseiten des FORUM und der BAG Selbsthilfe verlinkt. Der prozentuale Anteil der Einnahmen aus der Industrie am Gesamthaushalt werde dabei genannt.
Im Folgenden erläuterte Cattelaens die Grundsätze des Monitoring-Verfahrens. Für das Monitoring bildeten die BAG Selbsthilfe und das FORUM des DPWV einen gemeinsamen Monitoring-Ausschuss mit gewählten Vertretern und Vertreterinnen der Mitglieder. Der Monitoring-Ausschuss werde auf eigene Initiative, auf Bitten eines Mitglieds oder aufgrund von Hinweisen von außen tätig. Die Kernpunkte des Verfahrens seien: Die Selbsthilfeorganisationen stellen selber echte Transparenz zur Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen her. Die Grundlage für pauschale Verdächtigungen wird entzogen. Die Verantwortung zur Erfüllung der eingegangenen Selbstverpflichtung liegt bei den Selbsthilfeorganisationen.
Typische Themenfelder seien dabei:
Als Erfahrung aus der Monitoring-Arbeit stellte Cattelaens fest: Problematische Klauseln der Verträge seien die Arbeitgebererlaubnis, Kliniken oder Ärzte als Zielgruppe, amerikanische Antikorruptionsklauseln, unseriöse Forderungen (Kontrolle in der Geschäftsstelle, alle Haftungsfragen bei der Selbsthilfe, der generelle Logogebrauch, die Fotorechte, etc.) und die Verlinkung zu Unternehmen.
Teile der Rede von Karl Cattelaens sehen Sie hier im Video oder auf unserer Webseite.
Dr. jur. Christian Rybak, Ehlers, Ehlers & Partner, richtete in seinem Impuls-Vortrag das Augenmerk auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen. Zunächst zitierte Dr. Rybak aus dem AKG-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen. Aufgabe der Pharmaindustrie sei es, wesentlich dazu beizutragen, die Gesundheit der Menschen durch Erforschen, Entwickeln, Herstellen und Verbreiten von Arzneimitteln, zu erhalten, zu fördern oder wiederherzustellen. Sie trage maßgeblichen Anteil daran, Krankheiten vorzubeugen, sie zu heilen oder ihre Folgen zu lindern. Um diese Ziele wirkungsvoll erreichen zu können, bedürfe es des ebenso aufmerksamen wie sorgfältigen Begleitens derjenigen, deren Leben durch eine notwendige, längere oder gar dauerhafte Einnahme von Arzneimitteln geprägt werde. So sei das Sammeln unmittelbarer Erfahrungen der Betroffenen durch nichts zu ersetzen. Wer Kranken sachgerecht und nachhaltig helfen wolle, müsse ihre Bedürfnisse kennen.
Ausgangslage sei: Um ihren Auftrag als maßgebliche Spitzenorganisationen der Selbsthilfe behinderter und chronisch kranker Menschen sachgerecht wahrnehmen zu können, sei es unabdingbar, dass die angeschlossenen Mitgliedsorganisationen ihre Neutralität und Unabhängigkeit strikt wahrten. Auf der Basis ihrer Neutralität und Unabhängigkeit legten die der BAG SELBSTHILFE und dem FORUM angeschlossenen Selbsthilfeorganisationen Wert auf eine faire und transparente Zusammenarbeit mit anderen Akteuren. Sie begrüßten das Interesse von Wirtschaftsunternehmen an einer solchen Zusammenarbeit und sähen hier die Chance zu einem gleichberechtigten Dialog.
Dr. Rybak skizierte die Grundsätze der Zusammenarbeit. Selbsthilfeorganisationen trügen dafür Sorge, dass ihre Neutralität und Unabhängigkeit durch finanzielle Zuwendungen von Wirtschaftsunternehmen nicht gefährdet seien. Sie richten fachliche und politische Arbeit ausschließlich an den Bedürfnissen und Interessen von behinderten und chronisch kranken Menschen und deren Angehörigen aus. Kooperation zwischen Selbsthilfeorganisationen und Wirtschaftsunternehmen müsse mit den satzungsgemäßen Zielen und Aufgaben der Selbsthilfeorganisationen im Einklang stehen und diesen dienen. In allen Bereichen der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen müssten die Selbsthilfeorganisationen die volle Kontrolle über die Inhalte behalten und unabhängig bleiben. Diese Grundsätze würden sowohl für ideelle als auch für finanzielle Förderung und Kooperation gelten. Ganz entscheidend sei dabei die Transparenz.
Es folgten Ausführungen zur Selbstverpflichtung der Industrie (AKG-Kodex Patientenorganisation), zu Werbeverboten nach HWG, zum Verbot der Exklusivitätsvereinbarung, dem Verbot unsachlicher und redaktioneller Einflussnahme, zu Veranstaltungen und zum Öffentlichkeitsgrundsatz.
Auszüge des Vortrags von Dr. Rybak mit ausführlichen Darstellungen zu den obengenannten Ausführungen sehen Sie hier im Video oder auf unserer Webseite.
In der anschließenden Podiumsdiskussion erörterten unter der Moderation von Dr. Albrecht Klöpfer, Büro für gesundheitspolitische Kommunikation, Dipl.-Psych. Sonja Dargatz, Freie Journalistin, Vorstandsmitglied Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V., wissenschaftlicher Beirat und Patientenvertreterin NIK e.V., Karl Cattelaens, Dr. Christian Rybak und Dr. Hans Joachim Hutt, Compliance Officer, LEO Pharma GmbH, das Vortragsthema.
Zunächst wurde die Frage diskutiert, welches Interesse hat die Pharmaindustrie an der Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen im Bereich chronischer Erkrankungen. Dr. Hutt erläuterte dazu, dass die Arzneimittelhersteller Medikamente entwickelt hätten, um Betroffene zu behandeln und ihre Leidenssituation zu verbessern. Es gehe dabei aber auch um gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit zum Wohle der Erkrankten. Dr. Hutt wörtlich; „Je eher der wissenschaftliche Fortschritt in den Versorgungsalltag kommt, desto eher haben die Patienten eine Chance in ihrem Alltag besser leben zu können.“ Dr. Hutt nannte dies eine „win-win-win-Situation“. Deshalb sei die Pharmaindustrie hochgradig daran interessiert, dass diese Zusammenarbeit auch gut geregelt, transparent und erlaubt sei. Dr. Klöpfer stellte die Frage, wie man sich dabei vor Überregulierung schütze. Sonja Dargatz sprach die Problematik der Finanzierung insbesondere kleiner Selbsthilfegruppen in der heutigen Zeit bei schwindenden Mitgliederzahlen, „Dr. Google“, Pandemie, Energiekrise und Inflation an. Cattelaenz betonte, die Arbeit der Selbsthilfegruppen müsse mit dem Vertrauen auf den gesunden Menschenverstand geschehen. Dr. Rybak stellte fest, man sei auch juristisch gesehen bei der Zusammenarbeit von Industrie und Selbsthilfegruppen auf einem guten Weg. Leider hieße es immer nur mit negativem Beigeschmack, die Pharmaindustrie sponsert, andere Einrichtungen wie etwa die Krankenkassen würden selten in der Öffentlichkeit angegriffen. Wenn man allerdings wolle, das es keinerlei Finanzierungen gäbe, dann müsse der Staat eingreifen, fraglich allerdings wohin „die Reise dann gehe“. Dr. Hutt verwies darauf, dass sich die Versorgung der Patienten und die Zusammenarbeit von Industrie und Selbsthilfe in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hätten.
Frau Dargatz betonte, insbesondere kleine Selbsthilfeorganisationen stünden vor größeren Herausforderungen als die anderen Partner wie etwa die Industrie. Auch Informationsdefizite seien ein großes Thema in der Selbsthilfe, betonte Cattelaenz. Weiterhin stehe die Information „auf Papier“ immer noch hoch im Kurs, aber auch die digitalen Anforderungen wüchsen ständig als große Herausforderungen an die Organisationen.
Dr. Hutt stellte fest, ein pharmazeutisches Unternehmen habe viel von der Zusammenarbeit. Die Hersteller entwickelten Arzneimittel und jedes Medikament, was nicht seinen Weg zum Patienten finde, sei „in die Tonne getreten“. Deshalb müsse die Industrie sich mit den Betroffenen an einen Tisch setzen. Dr. Hutt; „Wir müssen nicht über sondern mit dem Patienten reden.“
Abschließend diskutierte die Runde über die besondere Rolle der seltenen Erkrankungen und ihre Herausforderungen an die Selbsthilfeorganisationen und die Industrie. Es gehe um die gemeinsame Arbeit zum Wohle der Patienten ohne dass ständig irgendwelche regulatorischen Hürden aufgebaut würden.
Zum Abschluss der Podiumsdiskussion ergriff AKG-Geschäftsführer Kai Christian Bleicken das Wort und resümierte, alle Teilnehmer der Diskussion wollten das gleiche – nämlich die Kooperation, die zwar schon begonnen habe, aber noch intensiviert werden könne und solle, zum Wohle des Patienten und auch um den Präventionsschutz zu verbessern. Bleicken wünschte sich den Handlungsauftrag, den erkannten Problemen entgegenzutreten. Die Konsequenz sei daher für ihn, aus dem heute gelernten und zusammengefassten eine neue Veranstaltung zu planen, um in größerem Umfang gemeinsam mit der Politik die Probleme herauszuarbeiten und dies in Handlungsaufträgen an die Politik formulieren. Man müsse Brücken schlagen für den Dialog zwischen Patientinnen und Patienten und Industrie, wobei die Politik nicht im Wege stehen dürfe, sondern begleitend tätig werden müsse – stets unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es wurde dabei angeregt sich vor Überregulierungen zu schützen und auf den gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Leider sei derzeit eine starke Überregulierungsdichte zu verzeichnen, bei der sich im Extremfall Regulierung gegenseitig aufhöben.
Zum Abschluss des Öffentlichen Teiles der Mitgliederversammlung erfolgte die Verleihung der Dr. Sigurd Pütter Verdienstmedaille. Mit dieser Medaille werden Personen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise mit herausragenden Leistungen um das Thema Healthcare Compliance verdient gemacht haben. 2023 wurde die Medaille zum 10. Mal verliehen. Prof. Dr.med. Dr. rer. nat. Dr. hc mult. Dieter Adam erhielt in diesem Jahr die Auszeichnung aus den Händen des AKG-Vorsitzenden Christoph Harras-Wolff.
Professor Adam ist studierter Apotheker und Facharzt für Kinderheilkunde, für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie sowie Klinische Pharmakologie. Er ist u.a. ordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und seit 2008 im AKG-Beirat.
Der Laudator Dr. Herbert Göpfert, Geschäftsführer der Sintetica GmbH, erinnerte daran, wie man sich seinerzeit über die Mitarbeit von Professor Adam im AKG unterhalten habe. Die Ziele des Vereins und die Botschaft, die mit dem Leitmotiv „Prävention vor Sanktion“ verbunden seien, hätten Professor Adam sofort überzeugt und er habe spontan zugesagt. Von diesem Tag an habe er die Arbeit des AKG und seine Anstrengungen für eine stetige Verbesserung der Compliance-Kultur in den Unternehmen mit seinen exzellenten Kenntnissen und Erfahrungen aus der Praxis begleitet und wichtige Impulse für die Vorstandsarbeit gegeben. Der AKG konnte dabei insbesondere vom beeindruckenden Karriereweg Adams profitieren, der Einblicke und vertiefende Erkenntnisse in den unterschiedlichsten Ebenen der wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Arbeit vermittelt habe.
Göpfert betonte, von verschiedenen internationalen Universitäten habe Dieter Adam die Ehrendoktorwürde erhalten. 2001 sei er mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt und ausgezeichnet worden. Eine Auszeichnung habe aber noch bis heute gefehlt – dies sei die Dr. Sigurd Pütter Verdienstmedaille, die man ihm heute mit Stolz und Anerkennung überreiche.
Der Preisträger selbst bedankte sich zum Abschluss für diese Auszeichnung, betonte aber sein Engagement und sein Mittun seien selbstverständlich gewesen. Schlimm empfinde er es, wenn man für sein „Lebenswerk“ geehrt werde, dies sei hier nicht geschehen, man ehre ihn für sein Engagement, deshalb gehe er mit der Auszeichnung stolz und glücklich nach Hause.
Die gesamte Auszeichnung von Professor Adam mit der Laudatio von Dr. Herbert Göpfert ist ebenfalls im Video zu sehen.