#2 Bin ich eigentlich in der richtigen Partei? Erinnerungen zum Tod von Hans-Ulrich Klose.
Für die Konferenz „Die deutsche Sicherheitspolitik in der öffentlichen Diskussion“ im Jahr 2014 konnte ich Hans-Ulrich Klose für die Abschlussrede gewinnen. Erwartet hatte ich, dass der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg pünktlich zu seiner Rede im Atrium der F.A.Z. in Berlin erscheinen würde und dann eher allgemein über das sicherheitspolitische Potential der Bundesrepublik Deutschland in Europa und der Welt sprechen würde. Bekommen haben die Teilnehmer:innen etwas anderes. Einen hochkonzentrierten, informierten und interessierten Elder Statesman, der bereits um 9.30 Uhr morgens seinen Platz einnahm und sich zu jedem der nun folgenden Programmpunkte Notizen für seine spätere Rede machte.
„Wenn ich hier die Verantwortung einer Abschlussrede übertragen bekomme, muss ich doch auch wissen, worüber hier gesprochen wird! Wenn man sich nicht auf die anderen Sprecher bezieht, macht das doch keinen Sinn.“
Und Hans-Ulrich Klose bezog Stellung. Er ging kritisch auf den Redebeitrag von Niels Annen ein, der gerade zum außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ernannt wurde. Und er mahnte die SPD im Allgemeinen sowie Frank-Walter Steinmeier in seiner Rolle als Außenminister im Besonderen.
Im Anschluss an die kluge und besonnene Rede sprach ich Hans-Ulrich Klose darauf an, dass es für ihn natürlich keinen Partei- oder Fraktionszwang gibt, es aber doch sehr aufgefallen ist, dass er einige politische Ansichten der SPD nicht teilt. Ich erlaubte mir die Frage, ob er denn das Gefühl hat, in der richtigen Partei zu sein.
Hans-Ulrich Klose atmete tief ein und dachte nach. Dann sagte er, er habe sich in der Tat diese Frage schon sehr häufig gestellt.
„Wenn ich meine persönlichen Überzeugen mit dem Parteiprogramm der SPD übereinanderlege, dann ergibt sich eine Übereinstimmung von vielleicht 54%. Jetzt werden Sie sagen, 54% ist aber sehr wenig. Und in der Tat, ist das nicht viel. Ich bin jedoch zutiefst davon überzeugt, dass es sich lohnt, sich politisch zu engagieren und sich für die Themen, die einem wichtig sind, einzusetzen. Und bisher habe ich noch kein Parteiprogramm gelesen, bei dem die Übereinstimmung größer als 54% gewesen wäre. Aus diesen Überlegungen heraus kann ich mit Gewissheit sagen, dass es erstens richtig ist, überhaupt Parteimitglied zu sein und zweitens, dass ich auch in der richtigen Partei bin.“
Über diese Worte denke ich auch heute noch immer wieder nach. Vor allem aber rufe ich Sie mir ins Gedächtnis, wenn Kollegen, Klienten oder auch andere Weggefährten überraschend ihre Positionen wechseln und dann andere Ziele verfolgen als bislang. Oder wenn ein Konsens weit entfernt ist und es nur um die Aushandlung eines Kompromisses gehen kann.
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Es gibt weder in der Politik noch in der Arbeitswelt den absoluten Gleichklang und ein Team voller Seelenverwandter. Aber mit 54% Übereinstimmung kann man arbeiten und sie sind jedenfalls kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen!
Ich bin Uli dankbar für die guten Gespräche und Ratschläge.
(Verfasst von Joerg Ottmann , Gründer und Partner von Reason Why - Stakeholder Strategies & Relations )
Reason Why steht für konstruktive Debatten zum Interessenaustausch unterschiedlicher Stakeholdergruppen. Der Dialog öffnet Köpfe und Türen und ermöglicht neue Blickwinkel. Die Beziehungen zwischen unseren Klienten und deren Stakeholdern stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Wir fragen immer zuerst nach dem „warum“, denn am Ende sollen die Stakeholder verstehen, was unsere Klienten können und warum sie gut darin sind.
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Geschäftsführer Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung - Executive Director German-American Lawyers' Association
1 JahrEine schöne Erinnerung mit empathischen Worten formuliert, lieber Joerg! Zum Veranstalter gehörend und ebenfalls vor Ort, war ich gleichfalls hoch erfreut, dass er sich nicht nur für "seinen Part", sondern für das gedeihliche Gelingen der Gesamtveranstaltung interessierte. Hans-Ulrich Klose war ein Pragmatiker (je älter er wurde, desto mehr trat dieser Wesenszug zu Tage), der wusste, dass die „wirkliche Wirklichkeit nichts mit taktischen Spielchen um Tageserfolge zu tun hat". Insofern kann und sollte er ein Role model für die heutige Generation Politikschaffender sein.