2020 - Wir leben auf Standby

2020 - Wir leben auf Standby

Momentan häng ich total in den Seilen. Ich wache morgens trotz genug Schlafs müde auf und komme den ganzen Tag nicht richtig in Schwung. Die Arbeit fällt mir schwerer, als sonst. Irgendwie zäh und anstrengender. Meine Motivation ist geringer. Mein ganze Körper fühlt sich schwer an und Sport benötigt Überwindung. Und dazu noch das trübe Herbstwetter. Kennen Sie das auch?

Eigentlich kenne ich so ein Befinden nur aus Situationen, in denen ich entweder extremen Stress hatte. Beruflichen, wie z.B. monatelang 60-Stunden-Wochen oder privaten, wie z.B.  eine schmerzhafte Trennung. Aber das ist aktuell nicht so. Beruflich ist es überschaubar bei mir und privat ist auch alles wie immer. Und dennoch bin ich so erschöpft.

Ich ahne woher das kommt. Unsere momentane Situation mit 9 Monaten Corona ist dafür verantwortlich. Faktisch geht es mir ja gut. In meinem direkten Umfeld sind alle gesund und ich sitze in meinem gemütlichen Homeoffice. So wie viele andere auch. Aber was uns allen so aufs Gemüt schlägt, ist das Gefühl auf Standby zu leben. Ungewissheit und der Mangel an Sozialkontakten ist genauso Stressverursacher, wie Überarbeitung.

Ich muss mich daran gewöhnen nicht mehr planen zu können, da Termine höchstwahrscheinlich coronabedingt abgesagt werden. Diese völlig neue Art zu leben empfinde ich als anstrengend. Verbindlichkeit funktioniert nicht mehr. Wir schauen vorsichtig in die nächsten Wochen. Das Leben findet nur noch im Hier und Jetzt statt.

Was mir persönlich besonders fehlt, ist die Vorfreude auf private Termine: Konzerte, Theater, Geburtstagsfeiern, Essen gehen mit Freunden, Weihnachtsfeiern, Ligabetrieb in meinem Sport. Veranstaltungen nur noch per Zoom – das ist einfach nicht so erfüllend, wie persönliche Kontakte. Jetzt fühlt sich jeder Tag ist wie der andere an. 

Warum teile ich meine Gefühle mit Ihnen? Mir geht es nicht darum zu Jammern. Wir sitzen ja alle im gleichen (Corona-)Boot. Ich schreibe diesen Text, da mich Ihre Wahrnehmung interessiert. Geht es Ihnen ähnlich wie mir? Und wenn ja, was hilft Ihnen gegen das Standby-Gefühl? Ich versuche das Gefühl der Ungewissheit zu akzeptieren und konzentriere mich auf das, was ich beeinflussen kann. 

Ich behaupte: Wenn wir das Virus durch Impfung irgendwann besiegt haben, haben wir Corona noch lange nicht hinter uns gelassen. Die psychische Belastung werden wir noch deutlich länger spüren.

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