6 Tipps für effiziente Governance Meetings in Holacracy
Die Holacracy-Praxis hat eine geniale Lösung entwickelt, um organisationales Lernen zur kontinuierlichen Verbesserung der Struktur der Organisation, ihrer Rollen, Verantwortlichkeiten und Prozesse direkt in die Spielregeln der Zusammenarbeit einzubacken: Governance Meetings.
Doch gerade zu Anfang ist dieses Meetingformat noch fremd und ungewohnt, so dass sich der Prozess alles andere als elegant und effizient anfühlt. Im Gegenteil: Viele Kreise quälen sich im Schneckentempo durch die zahlreichen Schritte des Prozesses und hadern mit sich selbst – trotz großer Motivation, den Regeln zu folgen. Ziel dieses Artikels ist es, besser zu verstehen, warum es sich langsam anfühlt und was man tun kann, um Governance-Meetings effizienter zu machen und das volle Potenzial des Prozesses zu entfalten.
Stellschrauben im Prozess
1. Vorschlag vorstellen
Der Vorschlag vorstellen Schritt wird langsam, wenn, bzw. weil der*die Vorschlagende noch nicht weiß, wie man einen Governance Vorschlag erstellt, um seine*ihre Spannung zu lösen. Das Gute ist: Er muss es an dieser Stelle auch noch nicht wissen. Es reicht bereits aus, wenn man einfach nur mit einer Spannung ins Meeting stolpert, ohne schon die perfekte Lösung zu haben, geschweige denn einen geleckten, formal „richtigen“ Vorschlag, der nur die zulässigen Konstrukte verwendet, denen die „Governance-Grammatik“ letztlich folgen muss (Änderungen an Rollen oder Richtlinien, Umstrukturierung des Kreises, oder Durchführung von Wahlen).
Was man tun kann: Als Prozessmoderator*in sollte man dem*der Vorschlagenden den Druck nehmen, etwas Perfektes abzuliefern („Eine rohe Idee reicht vollkommen.“) und ihm*ihr anbieten, einfach den Satzstamm „Ich schlage vor, dass…“ zu vervollständigen. Der*Die Kreis-Sekretär*in sollte die darauf folgende Ergänzung einfach wortwörtlich – rein rezeptiv – eins zu eins im Notizfeld erfassen. Damit ist der Vorschlag etabliert.
Falls der*die Vorschlagende trotz dieser Ermutigung bei der Erstellung des Vorschlags auf dem Schlauch stehen sollte, kann man als Prozessmoderator*in an dieser Stelle anbieten, eine kurze Diskussion zu eröffnen, mit dem expliziten Ziel, einen rohen Vorschlag als Ausgangspunkt für den Prozess zu erstellen. Folgende Dinge sind bei einem solchen Vorgehen wichtig: a) Der Raum wird bewusst für Beiträge anderer geöffnet (die hier sonst nicht sprechen dürften) aber auch wieder geschlossen, sobald man das angestrebte Ergebnis festgehalten hat; b) Sobald sich ein möglicher Vorschlag abzeichnet, schneide die Diskussion sofort ab, prüfe bei der vorschlagenden Person, ob der Vorschlag in eine gute Richtung geht und falls ja, mache mit dem Rest des Prozesses weiter. Widerstehe an dieser Stelle der Versuchung der „Perfektionierung“ des Vorschlags durch endlose Diskussion. Das würde dem Prozess unnötig vorgreifen.
Was man nicht tun sollte: Obwohl es zutiefst kontra-intuitiv klingen mag – als Prozessmoderator*in sollte man der vorschlagenden Person in diesem Schritt niemals sagen, dass sie hier „falsch“ ist und „ihre Spannung lieber ins Tactical Meeting bringen“ sollte. Jede Spannung (die aus einer Rolle stammt, die die vorschlagende Person im Kreis innehat) ist immer „richtig“ und du hast als Prozessmoderator*in schlicht nicht die Befugnis, eine Spannung abzuweisen.
Zudem ist jede solche Spannung zulässiger Input, selbst wenn die rohe Formulierung des Vorschlags noch keinen „korrekten“ Output nach formalen Kriterien darstellt. Der Job des Prozesses ist, diesen formal richtigen Output zu produzieren. Statt die Spannung also abzuweisen und den Prozess zu verletzen, solltest den Prozess nutzen, bei der Einwandrunde einfach einen Formfehler als Einwand geltend machen und dann die Integration nutzen, um den unzulässigen Input (z.b. ein Vorschlag, der eine konkrete operative Entscheidung enthält) in einen zulässigen Output zu verwandeln (in diesem Beispiel z.B. eine neue Rolle mit der Verantwortlichkeit, generell solche konkrete operativen Entscheidungen zu treffen).
2. Verständnisfragen
Was den Schritt Verständnisfragen langsam macht, sind Leute, die Fragen stellen, die eigentlich nur verkappte Reaktionen sind. „Denkst du nicht, dass es besser wäre, wenn…?“ ist z.B. nicht wirklich eine Frage, die hilft, um den Vorschlag besser zu verstehen. Der*Die Fragende möchte vielmehr Informationen in Richtung des*der Vorschlagenden senden, nicht Informationen empfangen. Ein zweiter Faktor ist die Tendenz der vorschlagenden Person, sich zu stark mit ihrem Vorschlag zu identifizieren und infolgedessen zu sehr zu versuchen, ihn zu erklären, ihn quasi zu verteidigen oder zu rechtfertigen. All das kostet unnötig Zeit und entspricht nicht dem, worauf in diesem Schritt der Fokus aller Beteiligten liegen sollte, nämlich inhaltliche Unklarheiten in Bezug auf den Vorschlag (so gut es geht) zu beseitigen.
Was man tun sollte: Die Lösung liegt auf der Hand. Der*Die Prozessmoderator*in sollte Pseudofragen hinterfragen („Klingt mir wie eine Reaktion, nicht wie eine Frage. Denk dran, dass als nächstes die Reaktionsrunde kommt, wo du alles mitteilen kannst. Was ist jetzt deine Frage an den*die Vorschlagende*n, um den Vorschlag besser zu verstehen?“) und gleichzeitig für den*die Vorschlagende*n den Druck vom Kessel nehmen, alles perfekt zu beantworten. Verständnisfragen sind kein Kreuzverhör und kein heißer Stuhl, der Vorschlag darf kompletter Müll sein, der*die Vorschlagende kann jederzeit antworten „nicht im Vorschlag definiert“ und muss letztlich gar nix beantworten, wenn er*sie nicht will. Als Prozessmoderator*in erinnere ihn daran, sobald du Schweißperlen auf seiner Stirn entdeckst („Denk dran, du musst das nicht beantworten und der Vorschlag muss auch nicht perfekt sein. Es reicht, wenn du das Gefühl hast, dass er dir irgendwie mit deiner Spannung weiterhelfen würde.“)
3. Reaktionsrunde
In einer Demokratie darf jede*r eine Meinung zu allem haben. Die Frage ist allerdings, wie nützlich es ist, diese stets zum Besten zu geben. Man kann, man muss aber nicht zu allem was sagen. Analoges gilt in Holacracy: Was die Reaktionsrunde verlangsamt, sind Leute, die den Eindruck haben, sie müssten reagieren, selbst wenn sie nicht wirklich eine Reaktion haben, oder ihnen der Vorschlag egal ist.
Was man tun sollte: Wenn euch ein solches Verhalten auffällt, dann nutzt den Reflektionsraum der Abschlussrunde, um auf den zeitraubenden Charakter solcher geistigen Ergüsse hinzuweisen und euch öffentlich zu wünschen, dass Menschen einfach sagen „Ich habe keine Meinung dazu“ oder „Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf mich“, o.ä., um den Prozess zu beschleunigen. Das Problem ist ja, dass sobald die erste Person in der Reihe mit viel heißer Luft beginnt, die nächste Person sich tendenziell aufgefordert fühlt, dem schlechten Beispiel zu folgen und die gehaltlose Laberei fortzusetzen. Thematisiert das Problem also mal ganz allgemein und schaut, ob das Ansprechen wirkt. Erinnert auch in den folgenden Abschlussrunden immer wieder mal daran, falls nötig. Steter Tropfen höhlt den Stein.
4. Verbessern und Klären / Gelegenheit zur Klärung
Was diesen Schritt unnötig in die Länge zieht, ist der Versuch des*der Vorschlagenden, den Inhalt der gehörten Reaktionen aufzugreifen und in den Vorschlag zu integrieren, damit bloß keine Einwände gegen den Vorschlag auftreten (Muster der Einwandsvermeidung).
Was man tun sollte: Als Prozessmoderator*in sollte man den*die Vorschlagende*n daran erinnern, dass er*sie an diesem Schritt nicht auf andere achten soll, sondern die Erlaubnis geben, mal nur auf sich selbst zu achten und was ihm*ihr helfen würde, seine*ihre Spannung besser zu lösen. Es ist zwar nicht verboten, gute Ideen anderer aufzugreifen und einzubauen, doch man sollte als Vorschlagende*r nur das einbauen, was man mühelos und aus sich selbst heraus formulieren kann. Erinnere den*die Vorschlagende*n, dass die anderen ihm*ihr hier nicht bei der Formulierung helfen dürfen.
Bei Schweißperlen auf der Stirn ermutige die vorschlagende Person, den Vorschlag im Zweifel einfach so zu lassen, wie er ist und erinnere sie, dass sie die darauffolgende Einwandrunde tatsächlich als Sicherheitsnetz für den Vorschlag nutzen kann. Sie muss durch ihre Integrationsbemühungen nicht in vorauseilendem Gehorsam versuchen, Spannungen anderer zu verhindern oder gar zu lösen. Die anderen sind schon groß. Die können selber Bedenken anmelden, falls mit dem Vorschlag etwas nicht in Ordnung ist. Als Vorschlagende könnt ihr diese Haltung super für andere ‚role-modeln‘, indem ihr sagt: „Der Vorschlag ist erst mal gut genug für mich, um meine Spannung zu lösen. Bitte bringt einfach ein Bedenken, falls irgendwas daran für euch nicht funktioniert. Das würde mich entlasten. Danke.“
5. Einwandrunde
Was die Einwandrunde verlangsamt, sind viele Teilnehmende, die viele, nicht integrationspflichtige Bedenken einbringen, die dann alle langwierig geprüft werden müssen aber letztlich nix am Endergebnis ändern.
Was man tun sollte: Zunächst sollte man die Tatsache positiv würdigen, dass die Leute ihre Bedenken und Einwände überhaupt in den Prozess bringen, statt dem wesentlich schädlicheren und leider verbreiteten Muster der Einwandsvermeidung zu unterliegen. Das ist schon mal die halbe Miete für den Governance-Prozess. Die schlechte Nachricht ist, dass man an der Ineffizienz des Prozesses an dieser Stelle nicht sonderlich viel tun kann. Sie ist Teil der natürlichen Lernkurve der Praktizierenden. Sie brauchen ein gewisses Maß an Lernerfahrungen, um sich mit den Testkriterien für Einwände vertraut zu machen. Es ist wie beim Erlernen einer Fremdsprache: Man wird in seinen ersten Äußerungen fast zwangsläufig alle möglichen Regeln der fremden Grammatik verletzen. Erst durch dauernde Wiederholung der Testfragen werden die den Kriterien zugrundeliegenden Regeln (ihre „Grammatik“) wirklich verinnerlicht, verstanden und von den Beteiligten in ihrem eigenen Kopf als wirksamer Filter für im Grunde unnötige Bedenken installiert, so dass ein Großteil davon effektiv schon vorher aussortiert wird. Aber dann flutscht der Prozess um so mehr.
Die gute Nachricht: Sprachlernende wissen, dass der Blick in ein Grammatikbuch manchmal helfen kann, um schneller „richtige“ Sätze in der Fremdsprache bilden zu können. Analog dazu kann es in Holacracy nicht schaden, wenn sich die Praktizierenden bewusst mit den Testkriterien aus der Verfassung und den Testfragen und ihrer Logik auseinandersetzen (in v4.1 der Verfassung unter § 3.2.4 und in v5.0 der Verfassung unter §5.3.2), so dass ihnen dieses Wissen im Prozess zur Verfügung steht.
Eine Steigerung wäre der Besuch eines Holacracy Praxis Trainings, weil die Beteiligten hier selber als Prozessmoderator*innen lernen, den Prozess zu halten. Durch Übung und (nicht-mechanisches) Auswählen der Testfragen kann man die Testung selbst oft auch beschleunigen. Es braucht schließlich nur ein einziges fehlendes Kriterium, damit ein Bedenken sich als Einwand disqualifiziert. Die subtilen Signale zu lesen, um diese schneller zu identifizieren, lernt man am besten unter Anleitung erfahrener Praktizierender.
Das wäre aktives Lernen. Doch auch passives Lernen durch wiederholtes Hören und Internalisieren der Fragen funktioniert über die Zeit. Doch man braucht in jedem Fall Geduld und fortgesetzte Hinwendung.
6. Integration
Was hier am meisten Zeit raubt, sind Teilnehmende, die die Integration in die Länge ziehen, weil sie den Vorschlag ‚perfektionieren‘ wollen (was auch immer dieser mythisch anmutende Zustand von Perfektion in ihren Augen ist). Das kann natürlich überhaupt nur geschehen, wenn der*die Prozessmoderator*in es so weit hat kommen lassen und die Führung des Prozesses schon vorher aus der Hand gegeben hat.
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Was man tun sollte: Als Prozessmoderator*in gilt ähnliches, was auch schon oben bei der Erstellung von Vorschlägen angeklungen ist. Man muss den Rahmen der Integration abstecken, indem man sich selber und die Teilnehmenden daran erinnert, was das minimal hinreichende Ziel der Integration ist: Ein veränderter Vorschlag, der alle erfassten Einwände auflöst, aber immer noch die Spannung des*der Vorschlagenden löst. Mehr wird nicht gesucht – aber auch nicht weniger.
Der Trick besteht darin, sich klar zu machen, wer jeweils die beiden Sensoren für diese Aspekte (Vorschlagende*r und Einwendende*r) sind, die in der Diskussion allmählich auftauchenden Lösungen gewissenhaft durch den*die Kreis-Sekretär*in mitzuschreiben zu lassen und – falls sie vielversprechend aussehen – sich von den Sensoren jeweils grünes Licht dafür abzuholen. Wenn sowohl der*die Vorschlagende als auch der Sensor des ersten Einwandes grünes Licht für eine spezifische Umformulierung geben, dann geht man zum nächsten Einwand weiter, wiederholt das Spiel, holt sich jeweils wieder grünes Licht von den jeweiligen Sensoren ab, bis schließlich alle Einwände abgehakt sind.
Hier ist die entscheidende Stelle, wo man als Prozessmoderator*in alle weitere Diskussion abschneiden und mit dem verbesserten Vorschlag zurück zur Einwandrunde gehen muss, um den Vorschlag final eintüten zu können. Dann muss niemand in Perfektion sterben und wir kommen alle noch rechtzeitig zur Tagesschau nach Hause. ☺
Andere Faktoren, die Governance Meetings verlangsamen
Unpassende Struktur - Kreis zu groß
Manchmal liegt ein quälend langes Governance-Meeting auch ganz einfach an einer unpassenden Struktur, d.h. der Kreis ist zu groß. Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob ich alle Schritte (insbesondere die Runden) mit 5 Menschen oder mit 15 Menschen durchführe. Jede zusätzliche Person geht in die Zeit. Da kann man noch so diszipliniert moderieren.
Was man tun sollte: Als Daumenregel kann man generell sagen, dass alle Kreise mit mehr als 8-10 Personen auf Sinnhaftigkeit überprüft werden sollten. Kann man Komplexität vielleicht sinnvoller in einem Sub-Kreis verkapseln? Das kann den Meeting-Prozess in einem Kreis auf jeden Fall stark entschlacken, führt aber auch dazu, dass es danach zwei Kreise mit je zwei Meetings pro Kreis (Gov. und Tac.) gibt. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme sollte also im Einzelfall geprüft werden (ggf. auch unter Einbeziehung eines Holacracy Coachs).
Redundanzen bei multi-gefüllten Rollen
Doch bevor ihr Sub-Kreise einrichtet, prüft, ob es unnötige Redundanzen gibt, insbesondere in Bezug auf Teilnehmende, die eigentlich dieselbe Rolle füllen. Bei multi-gefüllten Rollen, z.b. 10 Mitarbeitenden, die alle dieselbe Rolle “Vertrieb” füllen, müssen nicht alle 10 im Meeting aufschlagen, um die Rolle zu vertreten.
Was man tun sollte: Die Verfassung 5.0 bietet die folgende Option (Abschnitt 5.1 “Governance Teilnehmende”): “Falls eine Rolle mehrere Rollen-Leads hat, darf ein Kreis eine Richtlinie erlassen, um zu begrenzen, wie viele von ihnen diese Rolle als Kreismitglieder in seinem Governance Prozess vertreten dürfen.” Doch nur “falls seine Rollen einen anderen Weg haben, der eine vergleichbare Repräsentation innerhalb dieses Kreises gewährleistet.” (Abschnitt 5.1.1).
Die Rollenfüllenden können auch unter sich eine*n Vertreter*in wählen, der*die ihre gesammelten Interessen im Meeting vertritt. Dieser Person kann der Kreis-Lead (Lead Link) dann optional noch einen Fokus “Repräsentant*in” zuweisen, um es in der Governance sichtbar zu machen.
Zu viele Kreis-Reps (Rep Links)
Ähnliches gilt für die Anwesenheit von Kreis-Reps (Rep-Links) aus zahlreichen Sub-Kreisen. Dass er*sie da sitzen darf, heißt nicht, das er*sie es auch muss. Gerade zu Anfang herrscht noch viel Unklarheit darüber, wann es Sinn macht, dass ein Kreis-Rep sich in ein Governance Meetings des Super-Kreises setzt und wann nicht.
Was man tun sollte: Kurz gesagt: Es macht nur dann Sinn, wenn er*sie zuvor eine konkrete Spannung von einem anderen Kreismitglied zur Verarbeitung mitbekommen hat, und er*sie zudem zuvor ausgeschlossen hat, ob diese Spannung nicht vielleicht auch auf anderem Wege gelöst werden könnte. Sich als Kreis-Rep “auf Verdacht” in ein Governance-Meeting des Super-Kreises zu setzen ist verschwendete Lebenszeit und zieht den Prozess des Super-Kreises unnötig in die Länge. Weniger ist hier mehr.
Mit Kanonen auf Spatzen schießen
Für manche Probleme (z.b. ein Wort in einer Verantwortlichkeit präzisieren, o.ä.) fühlt sich der Governance Prozess zu detailliert und übertrieben an. Das sind insbesondere einfache Fragen, über die bereits ein großes Einverständnis im Team herrscht. Hier bringt der Governance Prozess durch seine vielen Schritte eine grundsätzliche Rüstzeit mit, die sich übertrieben anfühlt – weil sie es wahrscheinlich auch ist. Diese Zone ist im folgenden Diagramm von Chris Cowan (HolacracyOne) rot eingekreist.
Die andere Seite der Wahrheit ist allerdings auch, dass der disziplinierte Prozess komplexe Probleme, die manche Organisationen oft schon jahrelang plagen, vergleichsweise schnell lösen kann, weil er systematisch Bedenken prüft und Einwände Schritt für Schritt inkrementell integriert, ohne in die Falle der Über-Perfektionierung zu tappen (wenn der*die Prozessmoderator*in es gut macht…).
Was man tun sollte: Wählt für vermeintlich “kleine” Änderungen an der Governance-Aufzeichnungen einfach den Prozess der asynchronen Verarbeitung von Governance-Vorschlägen, den die gängigen Holacracy-Software-Tools Glassfrog oder Holaspirit standardmäßig anbieten. Reicht euren Vorschlag schriftlich im Kreis ein, wartet die im Tool eingestellte Zeit (normalerweise 3-5 Tage) ab und falls keine Einwände geltend gemacht wurden, gilt der Vorschlag automatisch als angenommen. Das entschlackt den Prozess und filtert viel Kleinkram, bzw. “Spatzen” raus, so dass man die “Kanonen” vornehmlich auch haarigere Themen richten kann (z.B. große Kreis-Umstrukturierungen oder strittige Verantwortlichkeiten, Richtlinien oder Domänen).
Eine Warnung: Nutzt asynchrone Verarbeitung von Vorschlägen noch nicht in den ersten 6 Monaten der Praxis, wenn noch niemand Governance-Meetings richtig erlebt, verstanden und verdaut hat. Die Gefahr ist groß, dass zu viele Dinge ohne echte Kontrolle “durchgewunken” werden und dass Leute sich ggf. aufgrund alter Machtdynamiken nicht trauen, asynchron eingereichte Vorschläge durch Einwände in ein physisches Meeting zu eskalieren. Asynchrone Verarbeitung ist einer Art “Hack” für erfahrene Praktizierende, der mit Umsicht eingesetzt werden sollte, weil es andernfalls die allgemeine Qualität regulärer Governance-Meetings degradieren oder sie fälschlicherweise als “unnötig” hinstellen könnte.
Fazit:
Es gibt viele kleine Stellschrauben an denen man drehen kann, um Governance-Meetings zu beschleunigen. Vor allem braucht man Geduld mit dem Prozess. Auch wenn man es am Anfang kaum glauben mag – nach einigen Monaten Praxis gehen einem die neuen Unterscheidungen und Regeln in Fleisch und Blut über und selbst Governance Meetings fühlen sich irgendwann leicht und fluffig an. Versprochen. Aber man muss am Ball bleiben und üben, üben, üben. Vertraut dem Prozess und genießt die Lernreise!
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Dieser Artikel wurde zuerst am 13.01.2022 auf dem Blog von Xpreneurs veröffentlicht.