60 Jahre Hengstler-Selbsthilfe-Siedlung
(Ein Artikel von Heinz Müller aus der Hengstler-Haus-Information 1983)
20 Jahre Hengstler-Selbsthilfe-Siedlung
Die Nachkriegsgeschichte unserer Firma kennt sicher manche Höhepunkte. Einer davon war unbestreitbar die Entscheidung der Unternehmensleitung, interessierten Mitarbeitern durch ihre finanzielle und vor allem auch organisatorische Unterstützung zu einem eigenen Haus zu verhelfen. Nun ist zwar das "Häusle baue' eine typisch schwäbische Charaktereigenschaft, aber möglicherweise war es die örtliche Siedlung der Banater Schwaben, welche uns den Anstoß hierzu gab.
Die "Hengstler-Siedlung', deren 1. Bauabschnitt im Frühjahr/Sommer 1962 mit 25 Teilnehmern begann, fand in den lahren 1964/66 in einem 2. Bauabschnitt mit weiteren 35 Teilnehmern ihren krönenden Abschluß.
Da einerseits an die Teilnehmer in finanzieller Hinsicht gewisse Mindestvoraussetzungen gestellt waren, um andererseits aus Kostengründen eine optimale Anzahl von Bauobiekten zu erreichen, wurden in beiden Fällen auch betriebsfremde Interessenten zugelassen. Das tat jedoch der verschworenen Gemeinschaft dieser "Häuslesbauer' keinerlei Abbruch. Eine weitere wichtige Voraussetzung zur Teilnahme war, daß während des Rohbaus von jedem Bauherrn mindestens 1000 Stunden Eigenleistung zu erbringen waren. Dies geschah unter Anleitung eines von Hengstler zu diesem Zweck angestellten Bauführers. Vornehmlich an den Wochenenden, während des Be-triebsurlaubs und dann natürlich auch immer wieder abends nach getaner Arbeit im Betrieb, traf man die zukünftigen Hausbesitzer auf dem Bau. Und dies ohne Rücksicht auf Wind und Wetter.
'Die Eigenleistung wurde bei der Finanzierung des Hauses mit 6 DM/Std. ange-setzt. Im einzelnen setzte sich die Tätigkeit aus 630 Std. Maurer- und Betonarbeiten, 50 Std. Erdarbeiten, 50 Std. Zimmerarbeiten, sanitäre und elektrische Installation, Schreinerar-beiten usw. zusammen. Wenn man will, rangiert all das unter der Rubrik "Schwarzarbeit'. Doch gegen eine solche Diskriminierung ihrer sozialen Pioniertat würden sich heute mit Recht sowohl Bauherren wie Unternehmensleitung ganz entschieden zur Wehr setzen. Nicht zuletzt deshalb, weil es damals einen ausgesprochenen Mangel an Facharbeitern und sogar Hilfsarbeitern in allen Berufszweigen gab.
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Die Unternehmensleitung weiß heute natürlich, daß durch ihre jüngste Ankündigung anläßlich der Betriebsversammlung vom 21.6.83 über einen unumgänglichen Personalabbau manches vom "Lack" jener stolzen Aufbaujahre wieder verlorengeht. Trotzdem dürfen wir alle miteinander, einschließlich Be-triebsrat, auch heute noch mit berechtigtem Stolz auf diese beispielhafte Gemeinschaftsleistung im Sinne echter "arbeitgeberischer Fürsorgepflicht" zurückblicken. Dies kommt auch durch die wiedergegebene "Dankadresse' zum Ausdruck, in welcher es ohne irgendein falsches Pathos abschließend heißt: "Möge diese gute Tat Segen bringen.
Uns ist sie Verpflichtung, in Treue zu Ihnen zu stehen in guten und in schlechten Tagen.Wenn wir heute nach 20 Jahren in den alten, z.T. schon erheblich verstaubten Akten nachblättern, muß man immer wieder staunen, welch administrativer Aufwand nötig war, bis schließlich jeder der Siedler seine Bauabrechnung bekam. Allein schon der Papierkramhätte einen Großteil der Bauwilligen von vornherein abgeschreckt. Darum gebührt es, an dieser Stelle auch jenes Mannes zu gedenken, der die "Seele des ganzen" und von uns hauptamtlich im Rahmen unserer J. Hengstler Wohnbau GmbH mit dieser Arbeit betraut war: Dipl. Volkswirt Albert Haug aus Frittlingen.
Die Finanzierung der Häuser soll anhand einiger Zahlen belegt werden, weil diese - zumal aus heutiger Sicht- mehr als viele Worte geradezu Bände sprechen:
Die reinen Grundstückskosten lagen seinerzeit bei DM 5.30/qm, bei einer durchschnittlichen Größe des Baugrundstücks von 6-800 qm also um die 3200 - 4200 DM. Der Finanzierungsplan ging pro Haus von 48 - 53 000 DM aus (ohne private Sonderwünsche), wobei sich unsere Firma bei ihren langjährigen Mitarbeitern auch mit einem 7c-Darle-hen bis zu 10 000 DM (im Durchschnitt 8000 DM) beteiligte. Hinzu kamen in fast allen Fällen öffentliche Darlehen wie 4000 DM "Besser Wohnen' und weitere 4000 DM "Junge Familie'. Das von den Siedlern selber eingebrachte Eigenkapital betrug (ohne die Eigenlei-stung) dagegen oft nur 4000 DM oder sogar noch weniger, für Bauwillige nach heutigen Begriffen also ein absolut undenkbarer Fall! Doch immer wieder stand als wesentlicher Ausgangspunkt unserer Argumente und Überlegungen die Frage der monatlichen Belastung aus der Rückzahlung der eingegangenen Kreditverpflichtungen im Raum. Diese betrug während der ersten 10 Jahre bei den Siedlern, je nach eingebrachtem Eigenkapital, 150,--/ 176, --/ 212,-- DM. Für eine Miet - wohnung hätte man damals aber auch schon um die 170 DM bezahlen müssen.
So aber hatte der Siedler nach 10 Jahren ein eigenes Haus.
Diejenigen unserer Mitarbeiter, die seinerzeit den Mut aufbrachten, dieses Wagnis mit uns zusammen einzugehen, konnten so Weihnachten 1963, also vor genau 20 Jahren, zum erstenmal in ihren "eigenen vier Wänden" feiern.