Alle sind gleich, aber manche sind gleicher

Das österreichische Insolvenzrecht ist seit Inkraftsetzung der Konkursordnung im Jahr 1914 vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung geprägt. Die gesetzlichen Anfechtungstatbestände (§ 28 ff IO) sollten gewährleisten, dass von einem Insolvenzverwalter in einem gerichtlichen Verfahren Zahlungen und Sicherheitenbestellungen, die einen Gläubiger des insolventen Unternehmens bevorzugen oder begünstigen, rückgängig gemacht werden können.

In Zeiten der Corona-Pandemie ist nun alles anders.

 Am 23.12.2020 wurde § 733 ASVG unter dem Titel „Beitragsrechtliche Erleichterungen für DienstgeberInnen aufgrund der Coronavirus-Pandemie“ kundgemacht.

 Selbst der gelernte Österreicher traut seinen Augen nicht mehr.

 In § 733 Abs. 11 leg ASVG wird nämlich festgehalten, dass „die während der Stundungs- sowie der Teil- und Ratenzahlungszeiträumen nach den Abs. 7 bis 8 b geleisteten Zahlungen“ weder nach der Insolvenzordnung noch nach der Anfechtungsordnung angefochten werden können.

Es können daher Zahlungen an die Österreichische Gesundheitskasse oder die Finanzämter, die von einem insolventen Unternehmen in der Krise bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ab jetzt geleistet werden, von einem Masseverwalter nicht mehr angefochten werden.

Die dem Gleichbehandlungsgrundsatz diametral widersprechende Regelung bewirkt aber auch einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Insolvenzgläubiger, da die vorgesehene anfechtungsrechtliche Immunität der Abgabenbehörden ausschließlich zu Lasten der sonstigen unbesicherten Gläubiger geht.

Lieferanten, Vermieter und sonstige Gläubiger des Unternehmens, die diesen in Zeiten der Corona-Pandemie Zahlungen stunden etc und in der Unternehmenskrise Zahlungen erhalten, unterliegen nämlich diesem Anfechtungsschutz nicht.

Es ist nur zu hoffen, dass diese gesetzliche Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und den Schutz des Eigentums aufgehoben wird.