Allein beim Papst! Eine Tour mit dem Schlüsselwächter des Vatikans!
Himmlische Ergriffenheit in der Sixtischen Kapelleim Vatikan

Allein beim Papst! Eine Tour mit dem Schlüsselwächter des Vatikans!



Die Viale Vaticano ist menschenleer. Niemand da. Totale Stille. Es ist sechs Uhr morgens. Nicht mal die römische Stadtreinigung war schon unterwegs. Auf dem Platz vor den Vatikanischen Museen liegen zwischen den Absperrgittern noch die Reste von Papier und Plastikflaschen.

Täglich drängeln hier rund 30.000 Menschen hinein, um einen Blick auf unfassbare Kunstschätze zu werfen.  

Plötzlich rumpelt die schwere Holztür, öffnet sich ächzend im Schneckentempo. Ein Mann im schwarzen Anzug, schwarzen Lederschuhen winkt mich hinein. Gianni Crea, er ist der oberste der elf vatikanischen Clavigeri, der Oberschlüsselmeister.

Crea wacht über 2797 Schlüssel des Vatikans, die jeden Tag die Türen öffnen und am Abend wieder verschließen.

Ich begleite ihn heute!

Während Rom noch schläft, wandle ich ganz allein durch das Museumswunder.

Mitten im katholischen Weltzentrum, Wohnsitz des Papstes, im Hort unfassbarer Kunstschätze drehe ich einen Schlüssel nach dem nächsten, lasse die alten Türen knarzen. Der älteste Schlüssel ist von 1770. Die Schlösser seien alle original, sagt Crea. Aus Traditionsgründen.

Das Amt des Schlüsselhüters gibt es seit 1506. Damals hatte der kunstbegeisterte Papst Julius II. begonnen, die Schätze der Kirche auszustellen.

In den Vatikanischen Museen werden heute Zehntausende unbezahlbarer Kunstwerke aufbewahrt, erhalten und restauriert.

Die normale Route durchs Museum ist 7,5 Kilometer lang und führt an rund 20.000 Exponaten vorbei. Das sind zu viele, um gebührlich bewundert zu werden. Die für heute gewählte Route ist 3 Kilometer lang.

Ich flaniere durch die majestätischen Gänge, gehe ganz nah an die Statuen heran. Die Absperrkordeln sind noch nicht hochgezogen. Ein bißchen Hausherrenfeeling macht sich breit. Ob sich der Papst so fühlt, wenn er hier allein spazieren geht?

Nur er darf allein und unangemeldet die Vatikanischen Museen besuchen, alle anderen, selbst Kardinäle, brauchen eine Genehmigung.

Plötzlich stehen wir in einem Flur vor einer unscheinbaren Holztür. Hier gehe es zur Sixtinischen Kapelle, sagt Crea. Ich lache. Hier? Von dieser Rumpelkammer aus? Der Blick des Schlüsselmeisters wird ernst, er reicht einen Umschlag. Jeden Tag wird der Schlüssel zur Kapelle in einem Briefumschlag versiegelt, in einem Tresor aufbewahrt. Und jeden morgen wird dieser wieder geöffnet.

Schlüssel sind in der katholischen Kirche erheblich symbolisch aufgeladen: einmal wegen Petrus, der von Jesus die Schlüssel des Himmelreichs erhielt. Und wegen der Sixtinischen Kapelle, in der die Kardinäle jeweils „hinter verschlossenen Türen“ den Stellvertreter Christi wählen.

Himmlische Ergriffenheit macht sich plötzlich breit. Der Schlüssel dreht. Und dann ist es da – Michelangelos Jüngstes Gericht. Im Halbdunkeln. Niemand hat hier das Licht bisher angemacht. Die Kunst ruht noch im Dunkeln. Und trotzdem verbreitet das Deckengemälde eine wahnsinnige Dramatik.

Klick. Klack. Das Licht geht an. Crea hat den Schalter umgelegt. Bumm. Und ich bin plötzlichganz ergriffen, starre an die Decke, in jeden Winkel des Raumes.

Wissenschaftler sind der Ansicht, dass eine emotionale Reaktion auf Kunst eine natürliche Reaktion ist.

„Das Gemälde wird die Seele des Betrachters berühren, wenn die gemalten Personen gleichsam die Regungen ihrer eigenen Seele klar erkennbar zeigen“, schrieb der florentinische Künstler Leon Battista Alberti 1435, fast einem Jahrhundert vor der Fertigstellung der Sixtinischen Kapelle.

Allein Michelangelos Fresken bedecken hier mehr als 1000 Quadratmeter der Kapelle. Szenen aus dem Buch Genesis und mehr als 300 figürliche Darstellungen offenbaren die Feinheiten des menschlichen Körpers.

Crea hat Menschen aller Glaubensrichtungen gesehen, die von dieser Schönheit berührt waren.

Ich sauge die Kunst in mich auf. In der totalen Stille. Bis ein Staubsauger aufheult. Die Putzkolonne rückt an.

Ich verlasse die Kapelle, vorbei an hunderten Wartenden, deren Augen vor den Museen leuchten Um 8.30 Uhr öffnen sich die Türen für alle Besucher.

Ich sitze da schon längt im Cafe. Jetzt erst einmal einen Espresso. In aller Stille!

Matthias Bannert

Journalist + Media entrepreneur | Medieninsider • MOVACT • WahlSwiper • IN*TEAM

1 Jahr

Sehr schönes Erlebnis! Ich war vor kurzem auch da, nicht ganz allein ohne Menschen, aber ohne Begleitung. Das ist auch herrlich, weil man sich alles so lange anschauen kann, wie man möchte.

Martin Ulrich

Design Team Lead bei DAZN

1 Jahr

Tolles Erlebnis und coole Idee.

Sven Lehmkuhl

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