Alles AI macht der Mai
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Alles AI macht der Mai

Liebe:r Leser:in, 

obwohl fast immer eingeschaltet, helfen uns unsere Digitalgeräte heute mitunter sogar, unsere Gedanken abschalten zu können. Das ist einerseits ein Hinweis auf das überbordende Entertainment-Angebot, welches uns in populären Apps und auf Streaming-Plattformen täglich entgegenschwappt – allein an diesem Wochenende lässt sich der Tag mit neuen Folgen von Stranger Things (Netflix) oder den ersten Eindrücken von Obi Wan Kenobi (Disney+) sowie aktuellen TikTok-Trends und Highlights des Champions League-Finales auf YouTube und Co. füllen. Andererseits unterstützen uns tagtäglich auch immer mehr AI-Elemente auf verschiedenen Plattformen im Digitalraum. Im 2001 erschienenen Blockbuster A.I. – Künstliche Intelligenz von Steven Spielberg (Stanley Kubrick hatte diesen Film vor seinem Tod noch vollenden wollen und hätte dabei womöglich eine Parallele zu seiner bekannten KI HAL 9000 schaffen können) sagt die Figur Dr. Know mit der Stimme Robin Williams’: 

Starving minds, welcome to Dr. Know! Where fast food for thought is served up 24 hours a day, in 40.000 locations nationwide. Ask. Dr. Know – there’s nothing I don’t.

Diese Worte erinnern zumindest ein wenig an das, was uns Suchmaschinen, allen voran Google, heutzutage bieten. Dank der Technologie MUM (Multitask Unified Model) ermöglicht es Google Suchenden, komplexe Suchanfragen beantwortet zu bekommen. Sie basiert auf der sogenannten Transformer Architecture, einem neuralen Netzwerk für das Sprachverständnis. Diese Technologie ist die Grundlage für die vielen fast futuristischen neuen Features, die uns die Alphabet-Tochter in diesem Jahr vorstellt. 

Google definiert die Suche neu 

Dank der Technologie MUM konnte Google die Multisearch für die Suche einsetzen. Diese ermöglicht das Suchen mit Bildern und Textelementen zugleich. Die KI-Systeme Googles unterstützen mit der rasanten Lieferung von relevanten Informationen, selbst wenn du nicht genau die richtigen Worte für die Suche parat hast (obwohl auch komplexe Longtail Keywords aufgrund der Transformer Architecture mehr und mehr zu passenden Ergebnissen führen). Bald kannst du auch lokal auf die Multisearch setzen. Prabhakar Raghavan ist Senior Vice President bei Google und gibt ein spannendes Beispiel preis: 

Angenommen, ihr seht online ein leckeres Gericht, das ihr gerne probieren möchtet – aber ihr wisst nicht, was drin ist oder wie es heißt. Wenn ihr Multisearch verwendet, um es in eurer Nähe zu finden, scannt Google Millionen von Bildern und Rezensionen, die auf Webseiten und von unserer Community von Maps-Beitragenden gepostet wurden. So finden wir Ergebnisse zu Orten in der Nähe, die das Gericht anbieten. Nun könnt ihr das Gericht genießen, guten Appetit!

Die AI kann dir aber auch in ganz anderen Suchkontexten behilflich sein, etwa im Kontext des Features Things to Know. Ein Beispiel: Sucht eine Person bei Google beispielsweise nach „Acryl Painting“, findet die Suchmaschine dank KI-Unterstützung heraus, wie andere Menschen dieses spezifische Thema entdecken und liefert via Things to Know einzelne Oberkategorien wie „Styles“, „Tipps“, „Step-by-Step“, „Cleaning“ etc. Darüber hinaus können mithilfe von MUM auch Kontexte aus Videos bei Google bereitgestellt werden, selbst wenn sie dem Suchanfragen-Wording nach nicht auf den ersten Blick relevant erscheinen. Mit der Suchanfrage verwandte Themen, die im Video gar nicht explizit erwähnt werden,  können bei Google aber durch die KI-Systeme identifiziert werden, sodass die Videosegmente als Kontext für Suchende angezeigt werden. 

Auf diese Weise nimmt uns die AI bei Google etwas Denk- und „Lauf“-Arbeit ab, wir müssen nicht unbedingt in anderen Apps, auf anderen Seiten oder in anderen Kontexten weitersuchen. Food for thought: Trotz Googles Autorität und der oft hohen Qualität der Suchergebnisse sollten diese nicht als unumstößliche Pfeiler des Wissens anerkannt werden, zumindest nicht ohne die Quellen zu prüfen und gegebenenfalls auch die Richtigkeit der Angaben. Denn auch Google und die KI machen Fehler. 

Visual Search und Commerce wird stärker

Google möchte Suchenden also immer mehr visuelle Impulse geben; denn viele Nutzer:innen sind durch soziale Medien, Entertainment Apps oder Inspirationsplattformen wie Pinterest stark auf visuelle Reize eingestellt. Deshalb trägt das Unternehmen diesem Bestreben auch bei einigen neuen Werbelösungen Rechnung, die im Rahmen der Google Marketing Live (deren Briefings ich beiwohnen durfte) vorgestellt wurden

So ermöglicht Google künftig die Integration von dreidimensionalen Produktmodellen, direkt in der Google-Suche. Auf diese Weise können Suchende Produkte wie Möbel und Accessoires unmittelbar in ihrer Wohn- oder Büroumgebung und dergleichen sehen. Das heißt, du kannst dir ein Sofa oder eine Stehlampe einfach schon mal via AR in deinen Raum stellen, um zu sehen, wie es in etwa aussieht. Diese Funktion bietet beispielsweise die IKEA Place App übrigens schon länger. 

Auf Visuals wird aber natürlich auch bei YouTube gesetzt, und zwar immer mehr im Kontext der TikTok-Konkurrenz Shorts. Inzwischen verzeichnen Shorts mehr als 30 Milliarden Views täglich und sind für Creator und Viewer ein Magnet auf YouTube. Doch auch Advertiser sollen darauf setzen, weshalb Google es diesen bald möglich macht, ganze Produkt-Feeds in den 9:16-Videos zu integrieren – samt passendem CTA. Der spannende Aspekte hinsichtlich der KI: Google erklärte, künftig auch Videos und Visuals, die nicht für das Format geeignet scheinen (weil sie im Landscape-Format eingereicht wurden) per AI zu croppen und als Shorts Ad integrieren zu können. 

Side Note: Damit du künftig auch auf dem Desktop parallel Videos schauen und Kommentaren lesen kannst (wie es auf Mobile schon möglich ist), wird YouTube das Kommentardesign ändern. Bald soll rechts neben dem Video ein Kommentarbereich erscheinen, in dem du dich durch Comments scrollen kannst, während der Clip in deinem Blickfeld weiterläuft. Das finde ich persönlich recht hilfreich, weil ich gern die Meinungen und Hinweise im Kommentarbereich durchstöbere, aber dann doch auch gern nochmal auf das eigentliche Video zurückkommen möchte. 

Food for thought auch auf Instagram: Neuer Font und neues Design

Während Google auf Artificial Intelligence und Visuals setzt, geht es bei Instagram eigentlich eher darum, dass die Inhalte nicht zu artifiziell wirken. Überhaupt möchte die Plattformen sich immer mal wieder neu erfinden (wenngleich viele Parallelen zu TikTok auftauchen). Dazu gehört neuerdings auch ein Redesign, das Einfachheit und Self-Expression in den Mittelpunkt stellen soll. Es gibt neue Layouts, ein 3D-Remodeling des Farbverlaufs der Plattform sowie einen neuen Font namens Instagram Sans. Diese Schriftart kannst du in drei verschiedenen Styles nutzen: regulär, komprimiert und als Überschrift. 

Bei solchen Design-Updates scheiden sich oft die Geister. Allerdings schafft Instagram damit mal wieder eine plattformeigenen Content-Neuheit, die die User beschäftigt. Und es geht, zumindest vordergründig, nicht direkt um Reels. 

Warum ist das wichtig? 

AI und Visuals, das sind zwei übergeordnete Aspekte, die für vielerlei Marken, Creator, Advertiser und digitalaffine Personen überhaupt immer mehr an Relevanz gewinnen. Wir werden täglich mit Künstlicher Intelligenz im Digitalraum konfrontiert (von der Sprachsuche über Spam-Filter bei Mails bis hin zu Face ID und Smart-Home-Integrationen – weitere Beispiele findest du hier). Visuelle Optimierung fällt uns direkt auf, wenn es neue AR-Elemente bei Instagram und TikTok gibt, das Design unserer Lieblings-App überholt wurde oder schlichtweg ein Format deutlich mehr unseren Nutzungs- und Sehgewohnheiten entspricht und daher an Relevanz gewinnt (Stichwort 9:16-Kurzvideo). 

Wenn du dich fragst, in welchem Rahmen du selbst für deine Marke oder dein Unternehmen mit KI-Optimierungen oder verbesserten Visuals unmittelbar punkten kannst, gibt es zahlreiche Optionen. Ein Aspekt, den die KI direkt unterstützen könnte, ist die On-Site-Suche auf deiner Website. Ist diese noch verbesserungsfähig – und das sind die meisten –, kannst du mithilfe von KI-Strukturen bessere Ergebnisse und UX-Leitsysteme integrieren, die Besucher:innen davon abhalten, direkt zu Google zu wandern. Einige Tipps und Quick Wins zur On-Site-Suche kannst du auch im Digital Bash Podcast nachhören

Eine andere Option ist das Bereitstellen einer passenden App. Denn: Laut Analyseunternehmen App Annie haben die Konsument:innen aus 30 untersuchten Mobile-first-Märkten 2021  weltweit im Schnitt 4,8 Stunden täglich in Apps zugebracht. Und die Analyse zeigt auch: Pro Minute sind 2021 rund 320.000 US-Dollar von Konsument:innen in den App Stores investiert worden. Eine App bietet sich demnach als Marketing-Instrument an (für die Nutzer:innenbindung, etwa über Abonnementmodelle und dank Push-Nachrichten), das auch einträglich sein kann, weil es vermarktbare Inventare schafft. Aber die App kann auch als einfache Hilfe für deine Kund:innen oder Besucher:innen fungieren, ihnen zum Beispiel via KI genau die Informationen und Produkte anbieten, die sie von dir erwarten. Im Bestfall werden diese dann durch passende Visuals unterstützt, die aus deinen Content-Tiefen mithilfe der KI identifiziert werden – und die womöglich per AR-Integration  lebensecht angezeigt werden können. 

Mitunter kann es aber auch schon reichen, einfach eine App zu haben, um für das entsprechende Publikum da zu sein. Nicht nur die Provinzial betont die Relevanz des Daseins, auch das US-Versicherungsunternehmen AIG setzte mit der Tagline „the strength to be there“ Akzente – allerdings nur, bis das Unternehmen von der US-Regierung im Rahmen der Finanzkrise von 2008 mit zig Milliarden vor dem Ruin gerettet werden musste. 

Der Gedanke des Daseins, um Relevanz zu schaffen, wird auch von Metas Director Global Business Marketing – Metaverse, Asher Rapkin bestätigt. Im Interview gab er mir gegenüber an, dass es für Marken, Creator und Co. wertvoll sein werde, einfach ins Metaverse zu gelangen, um schon mal dort zu sein – für Kund:innen und Fans. Der erste Schritt zum Erfolg in dieser Sphäre könne „by virtue of being there“ gemacht werden. Er sagt, der beste Weg, um das Metaverse zu verstehen, ist, einen Weg hineinzufinden. 

Und was ist mit SEO?

Auch im Search-Kontext spielt das Visuelle eine immer größere Rolle, das habe ich hier und in den vorigen Ausgaben des Newsletters mehrfach betont. Die Möglichkeiten, die etwa Google Lens inzwischen bietet, werden immer facettenreicher. Laut Google wird Lens inzwischen über acht Milliarden Mal im Monat eingesetzt, dreimal mehr als im Vorjahr zu dieser Zeit. Wenn du neuerdings in Chrome auf Websites via Lens nach Bildern suchst, bekommst du die Ergebnisse unmittelbar in einer Seitenleiste im gleichen Browser Tab angezeigt. Weil die Suchergebnisse direkt am Rand angezeigt werden, können Nutzer:innen parallel zur Website-Rezeption Informationen zu den Bildern einsehen. Das Suchen via Lens wird also einfacher und birgt mehr Potentiale – was bedeuten könnte, dass nach und nach mehr Menschen darauf zurückgreifen. Das wiederum sollte Website-Betreiber:innen dazu veranlassen, ihre Bildelemente stets möglichst nutzer:innenfreundlich zu integrieren. Also barrierefrei und suchmaschinenoptimiert. 

Auch bei Bing gibt es längst eine Bildersuche, bei der rasch verwandte Inhalte ermittelt werden können. Alternativen wie Ecosia oder DuckDuckGo bieten allerdings noch keine vergleichbaren Möglichkeiten an. Der Suchmaschinenmarktanteil von Google und Bing beträgt in Deutschland laut Statcounter allerdings rund 96 Prozent. 

Eine Beobachtung zum Schluss

Da sein, das wollte ich auch an dem Ort, an dem ich diesen Text schreibe. Auf dem Weg hierher hat mich allerdings das Maiwetter kalt erwischt und umgehauen wie eine gleichnamige Box-Legende. Dabei hätte mir auch eine KI helfen können, einzuschätzen, wann Regen und Sturm auf mich zukommen; zumindest theoretisch. Allerdings ist auf die Wetter-App auch nicht immer Verlass. Beziehungsweise, sie gibt ja nur Daten an. Wie muss ich die Regenwahrscheinlichkeit dann verstehen? Wenn in der Wetter-App von 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit die Rede ist, heißt das letztlich nur, dass es in 30 Prozent der vergleichbaren Wetterlagen wie heute in der Vergangenheit geregnet hat – irgendwann am Tag. Das hat Andreas Friedrich, Diplommeteorologe beim Deutschen Wetterdienst, dem MDR erklärt

Nun ja, aus dem Sattel hat mich das Wetter zum Glück nicht gehauen. Mit harten Bandagen wurde unterdessen auch im Germany’s Next Topmodel-Finale gekämpft, wobei sich das Format mehr und mehr Kritik gefallen lassen muss. Anja Rützel überschrieb ihre Einschätzung beim Spiegel gar mit „Finale in Heidis Folterkeller“. Es war nicht das einzige Finale, das dieser Tage  für Aufsehen – und Kritik – sorgt. Beim Champions League-Finale der Fußballherren zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid kam es wegen Problemen und Auseinandersetzungen am Einlass im Pariser Stadion Stade de France zu mehr als einer halben Stunde Verzögerung, ehe es überhaupt losging. Nach zähen Minuten des Wartens war die Zeit der Generalproben dann vorbei und es hieß: No prop, it’s Real. Denn die Madrilenen gewannen unter der Regie von Carlo Ancelotti erneut den liebevoll Henkelpott genannten Pokal. Der FC Liverpool hingegen, bei dem der auch Nicht-Fußball-Fans aus zahlreichen Werbefilmen (Nivea, Erdinger, Snickers, Opel etc.) bekannte Jürgen Klopp Trainer ist, darf sich aufgrund der dennoch starken Saison immerhin über einen extrem lukrativen Sponsoring Deal freuen. Wenn auch noch nicht offiziell verkündet, soll der Haupttrikotsponsor Standard Chartered ab dem Sommer statt 48 satte 96 Millionen Euro an den Verein zahlen – pro Saison. Dazu kommen, unter anderem, kolportierte zehn Millionen Pfund für die Werbung auf dem Ärmel von Expedia.de. 

Marketing ist auch im Fußball extrem wichtig, vielleicht wichtiger denn je. Trotzdem kann sich die UEFA nochmal überlegen, ob ein Auftritt wie jener der Sängerin Camila Cabello vor so einem Endspiel das richtige Image widerspiegelt. Teilweise waren die Fans, denen der Pop Act womöglich nicht in den Kram passte, lauter als die Sängerin, die im Nachgang not amused war. Für die UEFA gibt es also in der Sommerpause auch reichlich food for thought. 

Wenn du all den Trubel dieser Woche nicht mitbekommen hast, weil du den Feier- und den Brückentag genutzt hast, um mal wieder rauszukommen, dann hast du womöglich auch eine Abwesenheitsnotiz eingestellt. Eine solche kannst du beim Urlaub in Island jetzt mit ganz besonderem Hintergrund einstellen (lassen). Visit Iceland hat eine Kampagne gestartet, bei der dir Pferde des Landes eine Out of Office E-Mail kreieren. Die „virtuellen Stallvertreter“ sollen dich ganz und gar abschalten lassen. Mit diesem Gedanken ende ich heute. 

Hab eine tolle Woche, komm gut in den Juni und stay safe, 

dein Nik

Adil Sbai

CEO WeCreate | Wir denken 9:16 | We create for the Now.

2 Jahre

Interessanter Gedanke zu Camila Cabello: Fun fact: Mich fragten gleich einige CreatorInnen im Netzwerk nach Tickets - aber nicht des Spiels wegen, sondern ihres Auftritts. Was zeigt, wie sehr sich die Bubbles unterscheiden.

Niklas Hartmann

Buchautor | Influencer Marketing Berater | Unternehmer

2 Jahre

Die MUM Technologie finde ich äußerst spannend. Das war mir so noch gar nicht bekannt. Die gleichzeitige Suche von Textelementen und Bildern hebt die Suche sicherlich noch einmal auf ein neues Level.

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