Alles und nichts: von Schwarzen Löchern, Nachrichten aus dem Jenseits und dem Upload unseres Gehirns

Auf dem Weg ins Nichts stolpert man meist über etwas. Das ist so in der Physik, in der Kommunikation und beim Sterben. In allen drei Gebieten hatte ein Mann viel zu sagen, dessen großartiges Leben am 14. März zu Ende gegangen ist. Stephen Hawking, Physiker, Bestsellerautor mit Millionenauflage und der vielleicht faszinierendste Geist seit Albert Einstein, hat uns das Nichts erklärt und dabei den Blick auf alles eröffnet.

Ein Schwarzes Loch im Universum stand lange für das absolute Nichts. Hawking hat herausgefunden, dass Schwarze Löcher nicht nur Zerstörer, sondern auch Schöpfer sein können. Sie geben radioaktive Strahlung ab, schleudern Partikel und explodieren irgendwann, um so zu verschwinden. Das macht sie dennoch nicht gerade zu Menschenfreunden: „Wenn wir jemanden in ein Schwarzes Loch springen lassen, werden weder er noch seine Bestandteile zurückkommen, seine Massenenergie jedoch sehr wohl“, so Hawking mit seinem feinen Humor über das universale Tor zum Nichts.

In einer Vorlesung aus dem Jahre 1996 beschrieb Hawking, dass eine allein auf Biologie aufsetzende Evolutionsgeschichte der Menschheit nicht reicht. Es ist nämlich nicht die Biologie dafür verantwortlich, dass Menschen über ihre physikalischen Grenzen hinaus wachsen, sondern die Sprache. Das Tempo der biologischen Evolution beläuft sich nach Hawkings grober Berechnung auf ein Bit pro Jahr. Bei etwa 50.000 neuen Büchern, die jedes Jahr allein in englischer Sprache erscheinen, legt die kulturelle Evolution ein anderes Tempo vor und kommt auf etwa 100 Milliarden Bits an Informationen jährlich. Während die biologische DNA des Menschen sich über Tausende von Jahren kaum verändert hat, ist das Wissen der Menschheit in der gleichen Zeit exponentiell gewachsen. Materie und Geist, das eine ist ohne das andere nichts.

Es mag Zufall sein oder auch nicht: Der Todestag von Stephen Hawking ist auch der weltweite Pi-Tag. An diesem 14. März (abgeleitet von der amerikanischen Datumsangabe 3/14, den Anfangsziffern von Pi), wird alljährlich die Kreiszahl gefeiert. Sie bemisst das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser. Aber darin liegt wohl kaum ihre Faszination. Alle sich wiederholenden Vorgänge, vom Herzschlag eines Menschen bis zur Laufbahn eines Planeten um die Sonne, haben mit Pi zu tun. Pi, das ist die unendliche Zahlenreihe, die unser Spannungsverhältnis zwischen Ordnung und Zufall und unsere Sehnsucht nach Ewigkeit in mathematische Sprache übersetzt. Albert Einstein wurde am Pi-Tag geboren, Stephen Hawking starb am Tag des Pi. Die beiden müssen sich irgendwann mal verabredet haben, mit ihren Lebenszyklen dem Kreislauf des Universums alle Ehre zu erweisen.

Im Kampf um ein Stückchen Ewigkeit möchte manch einer die Grenzen von Leben und Sterben verwischen. Und zwar durch Techno-Transzendenz. Die einen üben sich als SMS-Spiritualisten. Zum Beispiel mit Hilfe der App Afternote kann man bereits zu Lebzeiten die Textnachrichten verfassen, die man nach seinem Tod an die Hinterbliebenen schicken kann. „Entwarnung, ich bin zwar tot, aber grüße nochmal herzlich aus dem Jenseits!“ 👻

Manch einer will noch mehr. Mit Hightech-Hilfe möchte das Unternehmen Nectome künftig das Gehirn scannen und als Computersimulation speichern. Irgendjemand mit meinen Hirndaten wird sich dann in ferner Zukunft an mein Leben erinnern können, nur dass ich das nicht mehr bin. Einziges Problem: Soll der Scan umfassend sein, muss das Gehirn frisch sein. Idealerweise leistet Nectome daher zunächst Sterbehilfe, um sodann die noch warmen grauen Zellen ins ewige Leben zu überführen. Nur rückständige Geister sehen in diesem Vorgehen einen existenziellen Widerspruch.

Wer sich näher dafür interessiert, was die Erfinder der technologischen Zukunft so alles mit unserem Gehirn vorhaben, dem lege ich mein soeben erschienenes Buch ans Herz oder an den Kopf. Im Zuge der Recherchen bin ich immer wieder darauf zurückgekommen, was unser Gehirn jetzt schon kann und was es so einzigartig macht. Denken wir doch einfach selbstständig darüber nach, ob wir zulassen wollen, dass unser Gehirn die nächste Eroberungszone des technischen Fortschritts wird. Wir sind so frei.

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J. Wilhelm Weder nicht oder noch nicht und auch gar nicht nachweisbare Strahlung und auch kein unter-oberirdischer wegzulassender Gag, der mich stört. Selbst ein lancierter Buchtipp nicht. Mich stören allerdings Kommentare, die korrigierend-belehrend und perfide all das gut-gemeint-warnende ausblenden, was Frau Meckel weniger locker-flockig (=was für eine dämliche Abwertung in Werbesprech aus der Udo-Lindenberg-alles-easy-Ära) beschrieb.

Susanne Seidel

Mediatorin, Architektin, Denkerin, Autorin, Grafikerin

6 Jahre

erstens stellt sich mir die Frage, wieviele von den neuen Büchern zur kulturellen Evolution beitragen. Und zweitens berührt mich die locker-flockige Einleitung des Artikels zutiefst unangenehm. Seien wir doch einfach mal so frei und verzichten auf den ein oder anderen oberflächlichen Gag.

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