Am Ende versagt die Transformation und das Versprechen vom "Anfang" - Eine DRUPA 2016 Trilogie.

Am Ende versagt die Transformation und das Versprechen vom "Anfang" - Eine DRUPA 2016 Trilogie.

Hätte ich einen Psychiater, er hätte nach diesem DRUPA-Besuch eine wahre Freude an der Therapie meiner geschundenen Seele gehabt. Da saß ich nun, wie der alte Mann und das Meer an eben solchem und starrte in die Ferne. Diese Worte haben schon etwas kafkaeskes, mit einem Schuß Heinz Ehrhardt. Wollte eigentlich noch etwas lorioeskes in dieser Trilogie anbringen, man kommt ja sonst nicht dazu, doch muß man schließlich auch an die Landwirtschaft denken. Wußten Sie eigentlich, daß auf dem Campingplatz in Bozen die Waschräume separat liegen? Zurück zum Thema verehrte Frau Leserin, verehrter Herr Leser. (es wird dringend empfohlen sich zuvor mit Teil 1 und Teil 2 der Trilogie in Stimmung zu versetzen)

DRUPA, die zehntägige Neuauflage 2016 nach der Kürzung um vier Tage und dem neuen Dreijahreszyklus, welcher selbst auf der Messe beworben, dann aber spontan in den alten Vierjahreszyklus zurückgeändert wurde (zumindest in einer Erklärung - die neumodischen sozialen Netzwerke verkünden dies noch nicht, warum auch? - Danke lieber Andreas Weber / Value Communication AG) liegt nun einige Wochen hinter mir. Merken Sie etwas: irgendwie schein in dieser konfusen Marketingtaktik der Messe Düsseldorf ein System zu schlummern. Ich komme schon noch dahinter, oder auch nicht, ist ja scheinbar nicht beabsichtigt. Nachher weiß noch irgendjemand irgendwas über irgendwen.

Wochen vergingen, wenig geschah. Zu meiner Verwunderung verebbte "gefühlt" die Euphorie, welche doch von den Veranstaltern und Ausstellern als vielversprechend und aufrüttelnd empfunden wurde. Wie konnte das geschehen fragt man sich? Ich frage mich das nicht. Es war abzusehen, planmäßig, und bis ins Detail perfekt durchgeführt. Zehn Tage plus die etlichen Monate im Voraus wurde von Transformation gesprochen, viel diskutiert, wenig gesagt. Wen freut es da nicht, wenn ein bisschen Ruhe zurück auf das Parkett gebracht wird. Eine Konstante in all dem Transformation-, Innovationsgemurmel. Urlaub! Erstmal sich selbst belohnen und mit dem Wohnmobil (vollbeladen mit den Sachen die das Leben schöner machen: deutsches Brot, Bier und Grillfleisch) in Richtung Dänemark oder mit dem Charterflug für €199 in die Türkei zur Besichtigung einer Teppichfabrik (ups, hier könnte es politisch werden, deshalb selbst zensiert), oder doch lieber 3 Sterne All Inklusive nach Hurgada - sorgt auch für Bauchrummeln - also zu unseren spanischen Freunden nach Malle, All Inklusive Plus mit rosa Bommelbändchen. Das folgende offiziell verfügbare Bildmaterial ist beispielgebend für ALLE Hersteller, wir wollen keinen bevorzugen, noch vergessen.

Da wird nun nach der lieben Tagesmüh rund um die DRUPA am Tage mit den Kleinen geplantscht und am Abend beim Sangria aus dem Tetrapack über die neuen Konfigurationsmöglichkeiten des eigenen neuzubestellenden Firmenfahrzeuges sinniert. Gerne höre ich zu diesem absichtlich überspitzten Bild seitens der Hersteller Gegenstimmen. DRUPA und die Heimat sind so fern, warum Gedanken machen, das nächste Gehalt kommt bestimmt und bis ich wieder zu Hause angekommen bin, hat sicher eine fleißige Aushilfe der Presse- oder Marketingabteilung nette Meldungen frisiert, die das jeweilige Unternehmen doch gut dastehen lassen. Überhaupt, wer erdreistet sich hier so negativ zu denken wie der Autor dieser Trilogie. Es ist doch alles in Butter. Die getürkten, ich meine getrübten Verkaufszahlen werden schon irgendwie positiv verargumentiert und die Verkaufserfolge des Vertriebs sind doch nicht von der Hand zu weisen. Da hat sich das seit Jahren bewährte Einheitsmarketing und der sture Vertriebsplan doch wieder einmal bewährt. Das der Markt mittlerweile ganz anders tickt, die Erfolge zum Großteil aus den Verlusten durch Pleiten und Verkleinerungen des Portfolios, weniger aber durch die konkrete Hilfestellung, Positionierung und Lösung seitens der Hersteller zustande kommen, wen interessiert dies nach sonnenerfüllten Wonnewochen? Den Unternehmer.

Der würde sich vielleicht verändern, ist nach den netten schmeichelnden Worten aus DRUPA-Zeiten fast auf den Schwindel hereingefallen, doch zum Glück kam ja der Urlaub dazwischen. Aufgrund ausbleibender gezielter und relevanter Ansprache durch den urlaubsverhinderten Ansprechpartner des Herstellers, rutschte unser geschätzter Unternehmer wieder allmählich zurück ins Tal der Ahnungslosen und zurück in sein geliebtes Tagesgeschäft. Was hätten denn auch wohl seine Mitarbeiter gesagt, wenn die Euphorie der Transformation und "Hier wird jetzt alles besser"-Bekundungen wirklich in die Tat umgesetzt worden wären. Also bitte.

Die Einladungskampagnen oder besser die Einladungsbemühungen seitens der Hersteller (ausführlich im Teil 1 erläutert) fokussierten sich allen Ernstes nicht nur auf die eigene kleine heile Welt des jeweiligen Herstellers, sondern endeten exakt mit dem Beginn der DRUPA. Wenige schafften auf der Veranstaltung selbst zusätzlich Akzente zu setzen (siehe Teil 2 der Trilogie), fast niemand den Schwung und die vielleicht auf der Messe begonnenen Pläne auch im Nachgang wirklich mit dem Kunden umzusetzen. Es möchte niemand hören, doch gleicht dieses Verhalten einem Auffahrunfall mit 80 km/h vor die Wand. Wenn es nicht so traurig wäre, ist es schon faszinierend, mit welcher Beharrlichkeit gegen Transformation agiert wird, anstelle einfach da weiter zu machen wo man begann und die positive Stimmung (ob nun wirklich vorhanden, oder gefühlt) dieses einstigen Branchenriesen DRUPA zu nutzen. Vielleicht hilft der Vergleich mit dem Urlaub, hier war man ja vor Kurzem noch bereit 15€ für einen Cocktail aus Dosenfrüchten und Selbstgebranntem zu bezahlen weil ja "soooo landestypisch". Schade, noch nicht einmal den alten Vertretertrick beherrscht die Masse der nun als Key Accounter betitelten Hemdchenträger.

Unser Unternehmer verfällt wieder in seine alten Muster zurück, ärgert sich, wundert sich, bekommt aber allein nichts auf die Reihe und fröhnt weiter seinem Hobby der Innovations- und Transformationsverweigerung. Warum auch. Wenn das wirklich so wichtig wäre, hätte der nette Herr von XY auf oder nach der Messe sich schon gemeldet.

Der nette Herr oder die nette Dame, um alle Geschlechter korrekt einzubeziehen, kommt erst zum Ende des Dritten Quartals wieder so langsam zurück aus seinen Inselträumen. Hat er doch schließlich nach dem Urlaub sich zunächst wieder eingewöhnen müssen, dann war da schließlich noch die Frage, ob es nun die Isofix-Kindersitzhalterung für den kleinen Holm-Phillip beim neuen Firmenwagen mit oder ohne Zuzahlung von 35€ vom Arbeitgeber gibt. Da kann man schon mal vier Wochen unter Einbeziehung der Gewerkschaft für kämpfen. Ohnehin geht es ja lediglich darum, das gute Gefährt nach Lieferung noch ein halbes Jahr zu chauffieren, denn bis dahin ist man ja schon wieder beim nächsten Hersteller die Karriereleiter hochgesprungen. Wir kennen das Spielchen. Halbes Jahr Eingewöhnung, ein Jahr vor den Entscheidungen davonlaufen, dann schon mit den Gedanken beim nächsten Arbeitgeber einschleimen. Das Spielchen klappt doch und niemand wird je zur Verantwortung seines Nichtstuns gezogen. Ausnahmen sind mir bislang zur sehr wenige bekannt. Gerne höre ich auch hier von Erfolgsgeschichten.

Der Beginn des vierten Quartals wird dann zum Quartal des Kunden. Ei, wie fein und oft sich doch der eben beschriebene nette Herr / die nette Dame wieder um die Gunst des Unternehmers ereifert. Stehen doch die Jahresendziele, äh, der Erfolg und die nachhaltige Transformation des Unternehmens des Kunden im Vordergrund. Und wie jedes Jahr gibt es viele, die diesem Glauben schenken. Hier Vergleiche mit der Christianisierung der neuen Welt und dem Rattenfänger von Hameln anzustellen ist nicht falsch.

Was bleibt am Ende: Stand der Unternehmer wirklich wie in den Aussagen anlässlich der DRUPA im Fokus? Ging es wirklich um die Transformation und die volle Unterstützung bei der Umsetzung dieser? Wurden wirklich die heißen Eisen des Wandels angefasst und offen beleuchtet? Wenn ich diese Fragen doch nur bejahen könnte? Wieder eine Frage. Ist diese Trilogie einem Kampf gegen die Windmühlen gleichzusetzen? Lohnt es sich, sich darüber aufzuregen?

In meinem Fall einfach zu beantworten: JA. Bis zur Rente habe ich noch ein paar Jahre. Der geneigte Leser bemerkt schnell die Hoffnung in den Worten des Autors. Rente? Gut, war nicht so ernst gemeint. Spaß machen soll der Job und das Miteinander. Ich komme aus der Werbung und verdiene mit netten Aussagen meine Brötchen. Klar wird da manchmal ein wenig geschönt. Die Handlungen entgegen der zuvor gemachten Aussagen und Versprechen der Hersteller kommen jedoch teilweise unschönen verbrecherischen Zügen gleich. Ist es zuviel verlangt, das Versprochene zu halten? Kostet es wirklich soviel Überwindung das althergebrachte "Kistenverkaufen" auch wirklich über Bord zu werfen und den Kunden und seine Transformation in den Fokus zu stellen? Sicherlich muss nicht jeder und kann nicht jeder das große Ganze sehen. Nur wo soll die Reise für uns alle hingehen, die sich im Bereich Marketing Service Dienstleistungen bewegen? Fällt wieder was auf? Drucken war einmal. Auch hier tut die Wahrheit nicht nur den Herstellern weh. Erfreuen wir uns weiter an der Marktkonsolidierung, trauern alten Zeiten hinterher oder verlassen wir die geliebte Komfortzone und setzen endlich das Gesprochene und Versprochene in die Tat um? Und überhaupt, was fällt mir eigentlich ein hier zu kritisieren, soll ich es doch erst einmal besser machen. Mache ich, keine Sorge.

Hoffnungsvoll durch einige wenige Beispiele gestimmt, genieße ich nun den Sommer, Zeit um neue Rezepte auszuprobieren oder den Hartz IV Antrag mal durchzulesen. Denn auch im schlimmsten Fall kümmern sich ja andere um mich, wozu jetzt Weichen stellen. Und ggf. nimmt mich dann ja ein netter Herr mit seinem Dienstfahrzeug bei schlechtem Wetter mit. Die Isofix-Halterung wurde ja mangels Einigung mit dem Arbeitgeber nicht mehr bestellt und somit ist Platz auf der Rückbank. Einen schönen Sommer ihr lieben Leute.

Wie versprochen lasse ich zum Schluß teilhaben an den ausgesuchten Sommerrezepten.

 

Sigi Alder

Emeritierter Marketeer and Business Developer

8 Jahre

Lieber Christian Kopocz gute Frage mit der Transformation. Es gehört immer Eigeninitiative mit dazu und der Mut etwas zu unternehmen. Da muss jeder selber durch. Der Urlaub wäre die Gelegenheit, mal was anderes zu tun. ;-) Weiter so. Ich freue mich auf die nächste Story.

Christian Kopocz

Gastgeber/Omnichannel/Multichannel Entrepreneur & Enthusiast

8 Jahre

Letzter Satz sagt alles lieber Martin Schwarz. Ob die zwei Takte in Einklang zu bringen sind. Dazu gehört eben der Wille zur Transformation und natürlich auch die Fähigkeit. Mein Unmut resultiert aus dieser Kluft. Erzählt wird das Blaue vom Himmel in Sache. Transformation und Lösungen für den "Oldschool" Drucker, und dass eben dieser nicht clickbezogen der Millionär sein muss, sondern mit möglichst viel Wertschöpfung raus aus der 3-Stellen-nach-dem-Komma-Kalkulation kommt. Vergessen wurde aber, dass das Geschäftsmodell der Hersteller genau unverändert auf Millionen Clicks und Kisten fußt. Die wissen das und haben die Frechtheit oder das Unvermögen. Ich will mal nett sein und denke die Frechheit ist es nicht.

Martin Schwarz

Guter Content ist Ihr wichtigster Markenbotschafter. Schlechter Content leider auch.

8 Jahre

Ach, dazu braucht es ja den Journalisten nicht, um zu bemerken, dass der Text sehr schön getaktet ist. Aber kurz zum Kern: das zentrale Problem einiger Hersteller liegt darin, dass sie 1. natürlich mit dem Kistenverkauf ihr Geld verdienen, es 2. gewohnt sind, ihre Gesamtkommunikation in Nachricht/Kiste zu zerhacken und 3. bisher zumindest Mehrwert-Kommunikation nicht unbedingt nötig war. Ich habe bei einer Präsentation auf der Drupa einen etwas verzweifelten PR-Mitarbeiter eines Herstellers erlebt, der gemerkt hat, dass es trotz Bemühung nicht so gut gelungen ist, anwesenden Journalisten das - potenziell revolutionäre - Konzept hinter einer Maschine rüber zu bringen. Welchen Ausweg also hat der kommunikationswillige Maschinenbauer? Option a.) Maschinenkommunikation oder b.) Erfindung irgend eines mehr oder minder eingängigen Slogans, heutzutage immer gerne auch mit Hashtag #auchwennnichtsovielinhaltdahintersteht Und noch kurz zur Drupa, die auch teilweise berechtigte Kritik einstecken muss: dass es die Messe auch weiterhin nur alle vier Jahre gibt, wird von den meisten Herstellern natürlich begrüßt. Anders ist das von vielen wohl auch finanziell und personell nicht zu stemmen. Das Problem mit einer so dominierenden Messe ist nur, dass den Herstellern in den vier Jahren dazwischen ein bisschen die nötige Plattform fehlt, um Entwicklungen auch zeigen zu können und einen Resonanzraum zu kreieren. Es ist schon richtig: es wird nicht jedes Jahr die Welt bei Offset- und Digitaldruck neu erfunden und aus den Angeln gehoben. Aber es wird andererseits in wesentlich kürzeren Intervallen die Medienwelt erneuert. Wir haben es also mit zwei ganz unterschiedlichen Takten zu tun: dem Maschinenbautakt, der relevant für Maschinenbauer und Drucker ist. Und dem Medientakt, der wohl relevant für Drucker, Mediendienstleister und deren Kunden ist. Ob die zwei Takte in Einklang zu bringen sind? Ich weiß es nicht.

Martin Schwarz

Guter Content ist Ihr wichtigster Markenbotschafter. Schlechter Content leider auch.

8 Jahre

Sehr amüsant, sehr temporeich geschrieben. Und wer Stermann & Grissemann verwendet, hat sowieso meine ganze Sympathie.

Andreas Weber

Chairman | CEO | Knowledge Worker | Print Lover

8 Jahre

Perfekte Lektüre. Danke lieber Christian Kopocz! V. a für die kluge Frage: "Ging es [auf der #drupa2016] wirklich um die Transformation und die volle Unterstützung bei der Umsetzung dieser?"

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