Angebliche Abschwächung des Golfstroms wegen Klimawandel war Messfehler

Angebliche Abschwächung des Golfstroms wegen Klimawandel war Messfehler

Der Golfstrom, eine der wichtigsten Ozeanströmungen der Erde, spielt eine entscheidende Rolle für das Klima in Europa und Nordamerika. Seit Jahrzehnten gibt es wissenschaftliche Berichte und Debatten darüber, ob und in welchem Ausmaß sich der Golfstrom durch den Klimawandel verlangsamt und welche Konsequenzen dies haben könnte. Diese Diskussion wurde kürzlich durch neue Erkenntnisse erneut befeuert, die besagen, dass einige frühere Annahmen auf Messfehlern beruhten.

Der Golfstrom ist Teil des sogenannten Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulationssystems (AMOC), das warmes Wasser aus den Tropen nach Norden transportiert und kühleres Wasser zurück in den Süden fließen lässt. Dieses „Förderband“ beeinflusst maßgeblich das Klima, insbesondere in Westeuropa, wo es für mildere Winter sorgt. Wissenschaftler beobachten seit einigen Jahrzehnten eine Verlangsamung der AMOC, was zum Teil auf das Schmelzen des arktischen Eises und den damit verbundenen Süßwassereintrag in den Nordatlantik zurückgeführt wird. Diese Verlangsamung könnte dazu führen, dass die klimatischen Bedingungen in Europa kälter und unbeständiger werden.

Allerdings zeigen neuere Studien, dass einige frühere Berichte über eine signifikante Abschwächung des Golfstroms auf fehlerhaften Messungen beruhten. So wurden ältere Messungen, insbesondere in den 1990er Jahren, mit Techniken durchgeführt, die möglicherweise ungenaue Daten lieferten. Jüngste Messungen, die unter anderem auf dem Einsatz von Telekommunikationskabeln am Meeresboden basieren, haben gezeigt, dass der Golfstrom über die letzten vier Jahrzehnte relativ stabil geblieben ist. Diese Erkenntnisse stellen frühere Berichte über eine bevorstehende dramatische Abschwächung des Strömungssystems in Frage.

Dennoch bleibt die Frage offen, inwieweit der Klimawandel langfristig das Verhalten des Golfstroms beeinflussen wird. Einige Wissenschaftler warnen weiterhin davor, dass eine fortschreitende Erderwärmung das gesamte AMOC-System destabilisieren könnte. Insbesondere wird diskutiert, ob der Golfstrom in den nächsten Jahrzehnten einen sogenannten „Kipppunkt“ erreichen könnte, an dem das System plötzlich zusammenbricht. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf das globale Klima, etwa intensivere Hitzewellen, Extremwetterereignisse und einen Anstieg des Meeresspiegels.

Kritiker dieser Szenarien, wie Forscher vom Max-Planck-Institut und anderen führenden Institutionen, weisen jedoch darauf hin, dass die Unsicherheiten in den verwendeten Klimamodellen und Datenanalysen zu groß sind, um verlässliche Vorhersagen über den Zeitpunkt eines möglichen Kollapses zu treffen. Sie betonen, dass die bisherigen Daten keine eindeutigen Beweise für einen bevorstehenden Zusammenbruch liefern und dass die Situation differenzierter betrachtet werden sollte.

Die aktuellen wissenschaftlichen Debatten zeigen, wie schwierig es ist, langfristige Klimaveränderungen und deren Folgen präzise vorherzusagen. Trotz der neuen Erkenntnisse über Messfehler bleibt der Golfstrom ein zentrales Forschungsthema, da selbst geringfügige Veränderungen in seinem Verhalten das globale Klima erheblich beeinflussen könnten.

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