Arbeiten bis 70? Schnapsidee oder tragfähige Massnahme?
Vor ein paar Tagen hat der Arbeitgeberverband in einem 8 Punkte-Plan Massnahmen zur Eindämmung des Fachkräftemangels vorgestellt. Vor allem die Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre liess die Wellen hoch gehen.
Reality-Check Nummer 1: In den bald drei Jahrzehnten, die ich als Recruiterin arbeite, war es für 55-Jährige noch nie so schwierig wie heute, eine passende Stelle zu finden. Das ist einfach absolut unumstritten! Demgegenüber scheint die Forderung des Arbeitgeberverbandes, die Leute länger zu beschäftigen für viele naiv.
Bevor jetzt aber alle «das ist Gugus» rufen, rate ich, einem spezifischen Aspekt besonders Rechnung zu tragen:
Viele Unternehmen, die aktuell Personal suchen (und sich dabei schwertun), formulieren die jeweiligen Profile sehr eng. Das senkt die Chance, geeignete Leute zu finden erheblich und führt nicht selten dazu, dass Stellen teils über sehr lange Zeit unbesetzt bleiben.
Falls Sie zu einem solchen Unternehmen gehören, versuchen Sie doch einmal Folgendes:
Empfohlen von LinkedIn
- Richten Sie Ihre Personalplanung bereits heute daran aus, dass es künftig immer schwieriger werden wird, Arbeitskräfte zu finden, die zu 100 Prozent auf Ihre Stellenprofile passen.
- Und binden Sie parallel dazu altgediente Mitarbeitende, die kurz vor der Pensionierung stehen, länger an Ihr Unternehmen. Zum Beispiel als Teilzeit-Coaches oder -Supervisors, die den Wissenstranfer zu weniger passgenauen Talenten sicherstellen, sie begleiten und ausbilden, bis diese die Skills erreicht haben, die Sie in Ihrem Unternehmen wünschen und brauchen.
Das ist zeiteffizienter und in Sachen Ressourceneinsatz sicher nicht aufwändiger, als eineinhalb Jahre erfolglos die richtige Fachkraft zu suchen.
Reality-Check Nummer 2: Den Fachkräftemangel hat man schon vor 15 Jahren kommen sehen und er ist leider kein Phänomen, das schnell wieder verschwindet. Er wird unseren Wirtschaftsstandort während der nächsten zwanzig Jahre nachhaltig prägen. Einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz am Arbeitsmarkt verschafft sich, wer jetzt schnell umschaltet, outside the box denkt und Experimente wagt. Drum: Je nach Konzept ist es durchaus denkbar, dass Menschen – die das möchten notabene – bis 70 einen wertvollen Beitrag in der Arbeitswelt leisten können.