Auf der roten Liste bedrohter Berufe: der Fahrlehrer!

Auf der roten Liste bedrohter Berufe: der Fahrlehrer!

Oder warum wir immer noch in einer Servicewüste leben! 

Es ist doch so, Fahrlehrer zu sein ist ja nicht so etwas wie Raketentechnik. Okay, man braucht wirklich, wirklich, wirklich gute Nerven, eine ordentliche Portion Sitzfleisch, ein halbwegs gebrauchstüchtiges Fahrzeug und irgendeinen Raum zwischen Abstellhalle und Würstchenbude in dem man die Probanden schulen kann, schon ist man im Rennen.  

Was man aktuell eher nicht braucht sind Fahrschüler, also mehr Fahrschüler! Diejenigen, die da sind, rennen einem sowieso die Bude ein. Aber von Anfang an. 

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Es begab sich zu einer Zeit im Westen Berlins, im Königreich Kladow, schön gelegen zwischen idyllischen Vorstädten und einem netten See (okay auch ein ehemaliger Bundeswehrflughafen und ein Golfplatz, aber die sind nicht wichtig für diese Geschichte), dass eine junge Frau aus bürgerlichem Haus beschloss sich in der Kunst der Kutschfahrt unterweisen zu lassen (also natürlich in der der Motorkutschen). Sie begab sich dazu in eine von Gottes Gnaden gesegnete Institution: die Fahrschule (die, von der ich hier spreche, verrate ich auf Anfrage gerne, damit niemandem das gleiche Schicksal wiederfährt wie der jungen Frau aus bürgerlichem Hause). Nachdem die Familie um eine nicht unerhebliche Menge Ihres Vermögens gebracht wurde, durfte die junge Frau sich auch mit den theoretischen Grundlagen der Kutschfahrt beschäftigen.  

Anmerkung: Hier wird es jetzt spannend, eigentlich geht es ja auch bei der Fahrschule um das Fahren, aber die gesalbten Häupter der Zunft sind sich einig, das fahren nicht mehr so das Mittel der Wahl zu sein scheint um das gewünschte Handwerk zu erlernen. Zu mindestens nicht, bevor der Fahrschüler im Rahmen mehrmonatiger Warterituale Demut erlernt hat. 

Auf die Anfrage beim göttlichen Fahrlehrer, wann denn der Theorie auch die Praxis folgen könnte, antwortete dieses gottgleiche Wesen: Also was das denn für eine Frage sei, schließlich sie doch allen klar, unter 2-3 Monaten warten, gehe da mal nichts! 

Märchen vorbei, willkommen auf dem harten Boden der Realität. In Berlin ist es quasi unmöglich Fahrstunden zu bekommen, also nicht überhaupt, sondern in einer angemessenen Zeit, mit der Begründung, alle Fahrlehrer seien voll im Stress und komplett ausgelastet.  

Naja, also warteten wir, besser gesagt meine Tochter, 2 Monate auf die erste Fahrstunde. Nachdem nun aber 12 dieser Stunden vergangen waren, und keinerlei Fortschritt zu beobachten war, haben wir den Fehler der Gotteslästerung begangen: wir haben nach einem Fahrlehrerwechsel gefragt. Böse Sache, ist doch Kritik an gottgleichen Wesen mit sofortiger Bestrafung zu beantworten. 

Leider hat uns eine Mitarbeiterin der Fahrschule diesen Wechsel auch noch empfohlen, ja der Fahrlehrer sei jetzt kein Ausbund an Esprit, 12 Stunden ohne Pflichtfahrten in der Tat nicht so toll und außerdem hätten Sie ja auch noch andere Fahrlehrer. Guten Mutes schlossen wir also diese Anfrage ab, in der Hoffnung, dass unsere Tochter (die, nur zur Klarstellung des möglichen Zeitfensters für Fahrstunden, nach der Schule und vor der Arbeit IMMER zwischen 7:00 morgens und 22:00 Abends Zeit hat), nun endlich zeitnah zur Prüfung gehen kann. 

Weit gefehlt! Nach einigen Tage ergebnislosen Wartens wurde uns mitgeteilt, dass der völlig unbegründete Wunsch nach einem Wechsel nun dazu führt, dass wir wieder 2-3 Monate warten müssten, ob der geäußerten Kritik aber lieber gleich die Fahrschule verlassen sollten.  

Da ich meine ruhige und unaufgeregte Art kenne, bat ich meine Frau nachzufragen wie es denn sein könne, dass kein Fahrlehrer verfügbar ist, zumal es ja keine zeitlichen Einschränkungen gäbe. 

….. Nachdem ich Zeuge dieses Telefonates sein durfte und schon überlegte, wann ich denn bei einer auch nur halbwegs angemessenen Reaktion auf die Antwort wohl wieder aus dem Gefängnis freikäme, beschloss ich selber dort anzurufen um höflich und bestimmt klarzustellen, dass wir nun aber asap eine nächste Fahrstunde erwarten, zumal ja keinerlei Einschränkungen…. (siehe oben, usw.) 

….. wenn ich die Antworten wiedergeben würde, bekäme ich vermutlich Ärger. Nachdem mir unmissverständlich klar gemacht wurde, dass ich hier maximal ein Bittsteller und kein gutes Geld bezahlender Kunde sei, wir nun mal wieder hinten auf der Liste ständen (also ganz hinten, auf der Rückseite unten in kleinster Schrift, wegen der Gotteslästerung an einem gesalbten Fahrlehrer, siehe oben, usw.) …… 

…… begingen wir den nächsten Fehler, den Vertrag aufzulösen, weil es ja genügend andere Fahrschulen gibt. Mächtig großer Fehler. 

Dummerweise scheinen alle möglichen Fahrschulen nun Wartezeiten zwischen 3-5 Monaten zu haben oder gibt es etwa eine „geheime“ Liste, auf der Querulanten vermerkt werden, damit Sie Ihre göttliche Strafe auch wirklich erhalten? Ich mag Verschwörungstheorien, zumindest meine eigenen. 

Hilfe! Es muss doch einen flexiblen Fahrlehrer in Berlin geben, der nicht wegen Reichtum geschlossen hat und eine Fahrausbildung zu Ende bringen kann. Märchen haben immer ein Happy End! 

Hier wird leider mal wieder klar, Deutschland ist immer noch eine Servicewüste, beherrscht von Arroganz und Unverständnis für die Bedürfnisse der Kunden. Verstehen Sie mich nicht falsch! Das ist nicht überall so. Handelt es sich aber um eine Branche mit Übernachfrage und knappem Angebot, ja dann können wir unsere preußischen Gene so richtig ausleben, und dem Kunden klarmachen, wo er sich in unserer Weltsicht befindet, ganz weit unten und ganz weit hinten. 

Vermutlich empfehle ich meiner jüngeren Tochter jetzt Fahrlehrerin zu werden, schnell erlernt und ein gutes Geschäft, und wer weiß, wenn Sie serviceorientiert vorgeht, rennen ihr vermutlich genügend frustrierte Probanden die Fahrschule ein …. 

PS: wer einen bedürftigen Fahrlehrer in Berlin kennt, der gerne noch ein paar Euronen hinzuverdienen möchte, ich hätte da ein Angebot, jeden Tag ab 7:00, siehe oben, usw. ….. 

….. and they lived happily ever after. 

Jeremias Moddelmog

Geography Student at Humboldt University of Berlin

5 Jahre

Olaf Holst kann dir die hier im Prenzlauerberg empfehlen: https://goo.gl/maps/AGN8A3yQEnuAJV697 Da bin ich im Moment und sehr zufrieden.

Olaf Holst

Vice President Solutions & Technology bei interScan LLC | Technologieexperte | Blogger | Futurist

5 Jahre

Meine Welt wurde gerade wieder etwas besser. Es fand sich tatsächlich innerhalb von 3 Tagen ein neuer Fahrlehrer, der auch tatsächlich in der 1. Stunde meiner Tochter etwas beigebracht hat (richtig sitzen, 3 zügiges Wenden, Einparken), nach 19 vergeblichen Fahrstunden eine Wohltat. Es gibt also doch Menschen, die Ihr Handwerk verstehen und nicht Fahrschüler als "cash-cow" betrachten sondern als das was sie sind, Schüler! Danke  an die Fahrschule Willemsen in Kladow, hier erfährt man Kompetenz.

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