Ausgabe VIER – New Work entmachtet Manager!
Fotografie von Swantje Meier-van Riesen

Ausgabe VIER – New Work entmachtet Manager!

Dialogischer Newsletter für GUTE ZUSAMMENARBEIT.

In dieser Ausgabe gehe ich auf eine zweite Frage von Benedikt Landwehr ein:

New Work kann nicht funktionieren, weil Männer Macht mögen und Macht müde Männer munter macht. Die Alpha Männchen müssten sich ja selbst entmachten - warum sollten sie das tun?

Erstmal möchte ich ergänzen, dass es genauso muntere Macht-Frauen gibt! Und die kleben auch nicht unbedingt weniger an ihrer Macht…

Außerdem sind es in ganz vielen Fällen nicht die Führungskräfte selbst, die an der Macht festhalten. Bedingt durch das organisatorische System und die vorhandene Unternehmenskultur können die allermeisten Alpha-Männchen und -Weibchen gar nicht allein entscheiden, wie viel Macht sie behalten oder abgeben.

 Gemäß der Frage schauen wir in diesem Newsletter genauer auf die Führungskräfte, die den Anschein erwecken, sie würden die Macht auch dann nicht loslassen, wenn sie könnten…

 

Welche Macht haben Führungskräfte eigentlich?

Führungskräfte haben die Macht, und die Aufgabe(!), Ziele zu setzen.

Führungskräfte haben die Aufgabe ihren Bereich gut zu organisieren und die Gestaltungsmacht, dies auch zu tun.

Führungskräfte haben die Macht Entscheidungen zu treffen, auch wenn Sie nicht allen Betroffenen gefallen.

Und Führungskräfte haben die Macht Kontrolle auszuüben.

 

Auch im Kontext von New Work sind all diese Aufgaben weiterhin essentiell wichtig: Ziele setzen, organisieren, entscheiden und kontrollieren. Sie werden nur anders betrachtet und teilweise neu verteilt. Das bedeutet keinen plumpen Machtverlust, sondern hat auch für vermeintlich machthungrige Manager durchaus positive Aspekte.

Welche das sein können, lässt sich sehr gut an dem Beispiel Ziele setzen zeigen.

 

Ein fataler Irrtum

Leider hält sich immer noch in vielen Köpfen das hartnäckige Vorurteil, bei New Work könne jeder machen was er will. Jeder Einzelne ist ja schließlich engagiert und Experte auf seinem Gebiet. Deshalb weiß jeder Mitarbeiter selbst am besten was er tun muss. Da sollten oder dürfen dann keine Manager mit irgendwelchen Zielen oder sonstigen Vorgaben dazwischenreden.

Hoffentlich nur ein romantisches Hirngespinst von Mitarbeitern oder ein Albtraum von Führungskräften, die sich bisher nur sehr (sehr!) oberflächlich mit New Work befasst haben.

Komplexe Aufgaben benötigen das koordinierte Zusammenspiel mehrerer Mitarbeiter. Oft aus unterschiedlichen Fachbereichen. Ohne koordinierende Vorgaben und konkrete Ziele wird das nix. Auch exzellente Musiker haben einen Dirigenten, der die Einzeltalente zu einem großen Ganzen zusammenbringt, wenn sie in einem Orchester spielen.


Die Verwechselung von Ziel und Aufgabe

Der eigentliche Trick von New Work liegt in der Unterscheidung zwischen dem WAS (soll erreicht werden?) und dem WIE (soll es gemacht werden?). WAS und WIE können auch übersetzt werden in Ziel und Aufgabe. Seit Beginn der Industrialisierung war es für gute einhundert(!) Jahre sehr sinnvoll diese beiden Aspekte gemeinsam herausausgegeben. Eine gute Arbeitsanleitung liest sich in etwa so: „Montiere diese Baugruppe indem du folgende Teile und Werkzeuge nimmst und wie folgt dabei vorgehst.“ Solche Prozessbeschreibungen sind auch heute noch in vielen Bereichen unerlässlich. Problematisch für die heutige Führungsarbeit ist die jahrzehntelange Gewöhnung an diese Art der Vorgaben. Sie bringt es mit sich, dass Ziel und Aufgabe häufig miteinander vermischt oder sogar ganz vertauscht werden.

„2 x wöchentlich gründlich Staubsaugen“ ist ein schönes Beispiel. Die Aufgabe ist erledigt, wenn ich 2 x pro Woche den eingeschalteten Staubsauger durch das gesamte Wohnzimmer und sogar in alle Ecken bewegt habe. Das dahinterliegende, eigentliche Ziel „sauberer Fußboden“ wird allerdings nicht erreicht, wenn auf den Fliesen ein getrockneter Rotweinfleck lauert. Oder gar auf dem Teppich!

Das scheint total banal. Ich empfehle trotzdem jedem Leser sich mal für eine Woche selbstkritisch zu beobachten, wie oft im Alltag die Ziel-Aufgabe-Verwechselung passiert, wenn ihr jemanden um etwas bittet.


Fazit

Es braucht also auch im New Work Kontext weiterhin Führungskräfte, die sehr konkret vorgeben welche Ziele, also WAS angepackt werden soll. Die den nötigen Rahmen schaffen, i.e. organisieren und bei Bedarf Entscheidungen fällen, wenn es mal nicht weitergeht wie gedacht. Sie geben damit Orientierung und Mitarbeiter können und sollen dann im Team selbst entscheiden welche ihrer Kompetenzen sie wie einsetzen können, um die Organisation voranzubringen.  

Das historische Beispiel der Nägel-Produktion von Adam Smith beschreibt die Vorteile der Arbeitsteilung im Team. Die Differenzierung von WAS und WIE, von Ziel und Aufgabe, ist Arbeitsteilung zwischen den Hierarchieebenen. Aus Sicht der Mitarbeiter kann so das leidige Mikro-Management minimiert werden. Und ich kenne viele Führungskräfte die sich ihrerseits mit dem Detailgrad der konkreten Umsetzung ohnehin überfordert fühlen, weil sie schon lange nicht mehr regelmäßig und tief im Tagesgeschäft stecken.

Ist die Trennung von WAS und WIE also wirklich eine Entmachtung oder ist es nicht viel mehr eine Entlastung?


Dialogischer Newsletter.

Provokante Statements oder Fragen zu new work, die ich von Kontakten, Kunden, Kollegen und Freunden erhalte, beantworte ich hier wöchentlich mit systemischem Blick und allparteilich.

Ich freue mich, über neue Follower, Kontaktanfragen, viele Likes, Weiterleitungen, Kommentare und Feedback. Und wenn Euch hier beim Lesen spontan eine Frage einfällt: stellt sie gleich im Kommentar :-)

Herzliche Grüße von der Ostseeküste!

Tobias Winkler

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