Badgestaltung denken

Badgestaltung denken

Professor Jan-Erik Baars leitet den CAS Design Management der Fachhochschule Luzern, ist Gastdozent an verschiedenen Hochschulen, Teil eines internationalen Netzwerks von Design Denkern und Mitglied des Verwaltungsrats der Marken- und Designagentur Vetica. Für den Niederländer sind Design und Innovation die wirkungsvollsten Elemente einer gewinnenden Unternehmens-Strategie. Denn sie schaffen eine Verbindung zwischen dem Bedürfnis der Menschen und den Möglichkeiten von Unternehmen. Design Thinking ist ein Weg, diese Verbindung zu gestalten. Wir haben Jan-Erik Baars gefragt, ob sich die Methode auch für die Badgestaltung empfiehlt. 

Professor Baars, Design Thinking geht von den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer aus. Lässt sich das Modell auch in der Badgestaltung anwenden?

Auf jeden Fall.  Ich denke, es geht gar nicht ohne Design Thinking, wenn man Gestaltung erfolgreich betreiben möchte. Wer gestaltet, benötigt nicht nur einen Gegenstand oder Tatbestand. Die Gestalterin oder der Gestalter muss auch wissen, warum und für wen sie oder er arbeitet. Soll das zu Gestaltende noch eine bestimmte Form annehmen, wie die Kennzeichnung einer Marke oder eines Designers, darf man diesen Prozess nicht dem Zufall überlassen. Beim Design Thinking geht es genau darum. Die Methode stellt sicher, dass die Produkte nicht nur gut aussehen, sondern auch in ihrer Funktion und Erfahrung den Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer entsprechen.

Was bedeutet dies für die Badgestaltung?

Anforderungen sind nicht immer offensichtlich. Manchmal muss man «um die Ecke» denken, um herauszufinden, was relevante Erfahrungen für Kundinnen und Kunden sind. Bezogen auf die Gestaltung eines Bads wird sofort klar, dass es sich dabei nicht nur um Körperreinigung handelt. Es geht auch um Pflege, Genuss, Stärkung und Intimität. Dies sind wichtige Aspekte, die mit dem Leben der Nutzerinnen und Nutzer verknüpft sind, aber nicht unbedingt in die klassische Gestaltung zum Beispiel einer Duschwanne einfliessen. Beim «Design Thinking» schon: Denn Menschen wollen sich nicht nur säubern, sie wollen sich auch wohlfühlen. Indem man die Suche nach solchen Erkenntnissen einem Gestaltungsprozess voranstellt, gewinnen Lösungen an Relevanz für die Nutzerinnen und Nutzer.

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Professor Jan-Erik Baars


Was sind die Vorzüge der iterativen Gestaltung mit Design Thinking?

Es hilft vor allem, sich von den Konventionen einer Branche zu lösen. In vielen Branchen gibt es ungeschriebene Gesetze, die sich über Jahre eingeschliffen haben. Diese Erfahrungswerte ermöglichen es vielleicht, interessante Produkte zu entwickeln, sie vernebeln allerdings auch die Sicht auf das, was sich «um die Ecke» befindet: das erweiterte Nutzererlebnis. Und da Kunden eben Erlebnisse kaufen und nicht nur Produkte, ist man gezwungen, iterativ und explorativ vorzugehen. Design Thinking zwingt eine Organisation zu klären, was die Anforderung an das Produkt aus der Sicht der Nutzerinnen und Nutzer ist. Und zwar schon vor der Entwicklung des Konzepts. Damit ist Design nicht länger eine schlichte Frage der Ästhetik. Es entfaltet schon Wirkung bevor man beginnt, konkrete Produktlösungen zu entwickeln. So kann man Potenzial für Innovation und Relevanz schon früh erkennen.

Wie eng sollten Nutzerinnen und Nutzer in den Gestaltungsprozess eingebunden sein?

Das hängt stark davon ab, wieviel Einfluss die Kundin oder der Kunde bei der Auswahl seiner Lösung hat. Da viele Kundinnen und Kunden nicht wissen, was sie genau wollen, müssen die Gestaltenden häufig antizipieren, was Nutzerinnen und Nutzer benötigen. Dies benötigt ein ebenso wachsames wie empfindsames Auge. Kunden sollten also nicht zwingend eingebunden sein, sie müssen aber immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.

Design Thinking umfasst sechs Stufen. Nimmt dies mehr Ressourcen in Anspruch als bei anderen Methoden?

Nein, aber es verschiebt den Ressourceneinsatz. Viele Unternehmen stecken 80 % ihrer Entwicklungs-Aufwände in die Umsetzung der Produkte. Dies auch, weil sie das Design erst am Ende der Entwicklung einbinden. Im Design Thinking Ansatz investiert man mehr in die Anfangs-Phase. Dies ermöglicht gezieltere Ergebnisse und vermeidet ein späteres Nachbessern. Dass die ersten Phasen der Entwicklung lang, aufwändig und kostspielig erscheinen, spricht für sich. Oft schreckt diese Tatsache Unternehmen davon ab, Design Thinking richtig zu betreiben. Sie wollen schneller zum Produkt und glauben, alles werde günstiger, wenn man gleich am Anfang Aufwand reduziert. Letztendlich sparen sie aber an der Erlebnisqualität der Kundinnen und Kunden. Mein Grossvater sagte immer: «Gut Ding will Weile haben». Er war Obstbauer und auf seine Weise auch ein Design Thinker. Er wusste genau: Wer nicht schon am Anfang der Saison aufpasst, erntet am Ende faules Obst.


Design Thinking

Design Thinking hat seinen wissenschaftlichen Ursprung in der amerikanischen Standford-Universität. Bekannt wurde der Ansatz jedoch durch das Design-Studio IDEO. Im Gegensatz zu Methoden der klassischen Marktforschung stellt das Design Thinking die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern in den Mittelpunkt. Dabei nähert man sich der Lösung in sechs Schritten.

Die Basis bildet das Verstehen der Aufgabe. Nach dem Beobachten und dem Befragen der Zielgruppen sowie dem Verdichten der Ergebnisse zu einer Synthese entwickelt man erste Ideen. Die daraus entstehenden Prototypen machen die potenziellen Lösungen für die Nutzerinnen und Nutzer greifbar. Design Thinking arbeitet iterativ. Das heisst jeder der genannten Schritte wird so oft wiederholt, bis eine zufriedenstellende Lösung vorliegt.

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