BAND RISK MANAGEMENT NICHT IN DER MODEBRANCHE ANGEKOMMEN
In Modebranche grassiert schon seit Jahren ein zunehmendes Sterben von Unternehmen mit einstmals strahlenden Marken. Die Anzahl der Betriebe ist zwischen 2010 und 2019 um 31 Prozent zurückgegangen. Die Corona-Pandemie hat die angespannte Situation noch verschärft, sodass sich die Modebranche zunehmend in einem globalen Abschwung befindet. Das prognostiziert zumindest die aktuelle Mc-Kinsey-Studie „The State of Fashion 2023 Report“. Die Folge: Das massive Markensterben geht leider ungehemmt weiter. Viele Unternehmen mit bekannten Marken, wie Adler, Orsay, Promod oder Tally Weijl gehen in die Insolvenz, befinden sich, wie Esprit, Tom Tailor oder Gerry Weber, in schweren wirtschaftlichen Turbulenzen oder haben aufgehört zu existieren, wie Steilmann, Strenesse oder Delmod.
Was sind die Ursachen?
Über die Ursachen des Markensterbens ist viel von verschiedenen Standorten aus geschrieben worden. Ein Aspekt wurde jedoch bisher nicht betrachtet: Viele Unternehmen setzen generell immer noch kein systematisches Risiko-management ein. Dazu kommt, dass vor allem stark quantitativ, mathematisch-statistisch, ausgerichtete Bewertungsmodelle existieren, die für Marken nicht funktionieren. Denn Marken als immaterielle Vermögensgegenstände sind „weichen“ Erfolgsfaktoren und damit in aller Regel auch „weichen“ Risiken ausgesetzt. Eine methodisch saubere Integration dieser Risiken in diese Modelle ist damit sehr schwierig bis unmöglich. Dieses Problem kann aber gelöst werden, wenn folgendes beachtet wird: Marken sind einerseits immaterielle Konstrukte, Vorstellungen, die nur in der Psyche von Menschen existieren und durch Kommunikation mit Bedeutung aufgeladen werden. Es gibt jedoch keine Marke ohne Unternehmen und Produkte. Eine Marke erhält darüber eine materielle Identität, eine Persönlichkeit mit einem eigenen Werte- und Gestaltsystem. Aus einem immateriellen wird so ein materielles Konstrukt, das unter Risiko-gesichtspunkten untersucht werden kann.
Warum ist das Wissen über die Identität der Marke so wichtig?
In der Markenidentität ist das Erfolgskonzept der Marke abgelegt. Zum einen manifestiert sich die Identität der Marke in einem unverwechselbaren, multisensorischen Gestaltsystem, welches das Typische und Besondere fokussiert, mit dem sich die Marke divergent vom Wettbewerb unterscheidet. Den Kern der Marke als Sinnsystem bildet ein Set an Werten, welche den Nutzen der Produktleistung als Kaufmotiv für die Kundschaft repräsentieren. Eine präzise Kenntnis der Markenidentität ist deshalb die unverzichtbare Grundlage für das Management der Risiken, die diesen Erfolg bedrohen. In der Praxis zeigt sich leider allzu oft, dass diese Markenidentität überhaupt noch nicht oder zumindest nicht im erforderlichen Detailierungsgrad definiert wird.
Identitätsbildung, und damit Markenbildung, heißt besondere Merkmale in einem eigenen unverwechselbaren Stil im Unternehmen zu entwickeln, der sich durch eine kontinuierliche Wiederholung in der Psyche von Menschen zu Bildern mit entsprechenden Bedeutungen und Gefühlen verfestigt. Dieser Prozess ist vom Unternehmen strategisch und systematisch zu betreiben. Dabei ist die Erkenntnis umzusetzen, dass Markenidentitäten nicht nur ein Logo, eine bestimmte Farbe und Fotos mit hübschen Models umfassen. Sie bestehen vielmehr aus einer Vielzahl von multi-sensorischen Signalen, die sich zu einem einzigartigen, selbstähnlichen Muster mit einem hohen Wiedererkennungswert verbinden. Starke Marken erkennt man deshalb schon an einer typischen Gestaltung ihrer Produkte, der Servicekultur und Präsentation der Marke, der besonderen Preisstellung oder werblichen Aussagen und Bildwelten.
Warum verfolgen gerade Modeunternehmen, und hier besonders die Filialisten, diese schon lange bekannten Erkenntnisse nicht?
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Leider erfinden sich vor allem Unternehmen der Modebranche immer wieder neu und verhindern so den Aufbau einer einzigartigen und anziehenden Marken-Identität, schaffen damit vielmehr die Risiken selbst, welche das Vertrauen der Kunden in die eigene Marke zerstören. Dabei dreht sich doch in der Markenführung alles um die Gewinnung und Erhaltung des Vertrauens von Kunden. Denn die Grundlage der Kaufentscheidung und Bindung an die Marke ist Vertrauen. Vertrauen verringert den Aufwand, den Kunden für eine immer wiederkehrende Qualitätsprüfung aufbringen müssen. Macht sich aber an bestimmten Merkmalen fest. Da sind wir wieder bei der Markenidentität. Ständiger Wechsel der Vertrauen bildenden Merkmale erzeugt kein Vertrauen. Kein Vertrauen führt zum Kundenverlust. Kundenverlust führt zum Verlust des Unternehmens, dagegen man sich aber nicht versichern kann!
Vor allem Traditionsunternehmen versuchen ihre Marke zu verjüngen. Dabei werden aber oftmals die wesentlichen Charakteristika, welche die Produkte, die Produktpalette, die Preise oder die Qualität der Produkte betreffen, aufgegeben. So verändern Unternehmen zum Beispiel die Kernprodukte im Schnitt und Qualität, erweitern die Produktpalette um neue Produkte, die stilistisch nicht zur Marke passen oder kopieren Produkte des Wettbewerbs. Das gleiche passiert oftmals auch bei einem Managementwechsel, wo das Konzept der bisherigen Marke auf die neue Marke übertragen wird oder ein neuer Designer seinen Stil auf Kosten der Marke auslebt. Das führt dann zu Irritationen in der Kernkundschaft, die sich in Kaufzurückhaltung oder Markenwechsel ausdrückt. Um die dadurch entstehende Absatzschwäche auszugleichen, werden immer mehr Produkte in neuen und meist billigeren Preissegmenten angeboten. Das hat negative Auswirkungen auf Wertschöpfung und Markenimage: „Die sind auch nicht mehr das, was sie mal waren“. Das Unternehmen ist dann schnell ein Sanierungsfall.
Gibt es noch einen wesentlichen Fehler in der Markenführung?
Viele Unternehmen denken immer noch sehr stark im Herstellen und Verkaufen von Produkten. Sie führen also ihre Marke wie ihr Unternehmen. Markenkunden kaufen aber nicht Produkte, sondern ein emotionales Produkterlebnis als individuellen Nutzen und Basis zur Befriedung ihrer Bedürfnisse. Das fehlt bei vielen Marken und dadurch schaffen sie es nicht ein begehrliches „First Choice Brand“ mit hoher Kundenbindungsenergie zu werden. Kommt dann noch dazu, dass die Unternehmen es auf der Produktebene nicht schaffen einen eigenen anziehenden Stil zu entwickeln, rutschen sie durch ihre austauschbaren „Commodities“ immer schneller in das Risiko des Preiskampfes und Kundenverlustes.
Was ist der erste Schritt für ein proaktives Risikomanagement für Marken?
Die Unternehmen sollten eine markenzentrierte Unternehmensstrategie einsetzen. Das heißt die Marke aus der Nutzenperspektive und dem Prinzip der Selbstähnlichkeit führen. Hierzu sollten sie eine nachhaltige Markenstrategie entwickeln. Diese beinhaltet eine wertebasierte selbstähnliche und damit unverwechselbare Identität, welche sich in der gesamten Wertschöpfungskette und nicht nur in der Werbung ausdrückt. Dazu kommt eine durchsetzungsstarke Positionierung mit einem relevanten Nutzenversprechen als Kaufmotiv, das an den markenadäquaten Kontaktpunkten erlebbar wird. Auf dieser Basis kann dann gemeinsam mit Experten ein effizientes Frühwarnsystem entwickelt werden.