Begegnung im Start-up-Café
Analoge und digitale Lern-Communities beginnen, sich zu näher zu kommen. Bei der Didacta konnte man das am Start-up-Stand sehen – und in den Bildungsunternehmern selbst
Das WLan auf der Bildungs-Messe Didacta ist sündhaft teuer. Trotzdem ist es nicht zuverlässig genug, um damit ein Podium ins Netz streamen zu können. Also musste jemand ein Kamerastativ bauen, damit man das Gespräch über den digitalen Kulturwandel der Schule wenigstens für ein Youtube-Video aufnehmen konnte. Daraus wurde ein kleines Wunder auf der größten Bildungsmesse der Welt. Denn der Erzieher und Programmierer Marc Bo von Hippomini bastelte in einer Stunde aus Karton und Plasteschrauben, Pinseln und Farben eine stabile Kamerahalterung – und bestückte sie mit einem leistungsfähigen Mikro, einem Smartphone usw. Bo hätte die Gerätschaft auch so programmieren können, dass sie vor den DiskutantInnen hin und her fährt. Er hätte seinen Diskurs-Roboter sogar dazu bringen können, die Debatte zu kommentieren.
Die kleine Szene ist ein Symbol für den digitalen Wandel in den Schulen, vielleicht in der ganzen Bundesrepublik. Alle reden darüber, aber die Institutionen (wie etwa der Worldplayer Deutsche Messe) sind nicht in der Lage, sie zuverlässig und zu einem annehmbaren Preis voranzutreiben. Das erste Digi-Quartett, das Pisaversteher mit Eduvation veranstaltete, diskutierte diese Themen, man kann es hier sehen. Bald wird auch das wackelfreie Youtube-Video dazu veröffentlicht.
Vielleicht muss man weiter in Bildern sprechen, um zu verstehen, dass auch das Personal noch nicht so weit ist. Denn tatsächlich kommen die beiden wichtigsten sozialen Gruppen einer transformativen Digitalisierung noch nicht zusammen: die LehrerInnen und die Bildungsunternehmer. Obwohl sie sich im Start-up-Valley von Eduvation, wo rund 50 junge Bildungsunternehmer ihre Ideen und Lernmaterialien vorführten, schon ziemlich nahe kamen. Das hatte freilich einen ironischen Grund: Andre, den besten Barrista der Messe. Der bereitete Cappuccino und Flat White bei Eduvation, und so zwängten sich die LehrerInnen mit ihren teils gigantischen Rollkoffern und ihre ausladenden bunten Tüten buchstäblich durch die Start-ups durch und erholten sich dann von der Messe. Gewissermaßen im Auge des Orkans – und ohne die Start-up-Ideen um sie herum zu beachten.
Das ist übrigens nicht despektierlich gegen die Lehrer gemeint. Denn die können die kleinen Roboter von Robo Wunderkind oder den Science-Koffer von Sensebox noch gar nicht verstehen. Dazu fehlt ihnen der Mut und die Neugier und die Muße im Orkan dieser Messe. Immerhin könnten sie andocken bei Tutory.de, wo sie sich ihre Arbeitsblätter künftig selber basteln könnten. Sie könnten bei Teachersimpact testen, ob sie sich eigentlich noch wohl fühlen in ihrer Pädagogenrolle. Sie könnten bei Kapitänin portcrash sehen, wie nahe die musikalische Früherziehung mit digitalen Elementen ihrem Lernalltag ist, oder sie könnten bei Fabian Sennholz von 6k-united.de ihre Klasse für ein – total analoges – Konzertevent anmelden, das insofern etwa Neues und Co-Konstruktivistisches enthält, weil die Schüler dort zu Teilhabern und Teilgebern werden. Denn ohne ihre Stimme wird kein Konzert, entsteht keine Begeisterung, enthalten die Lehrer ihren Kindern vor, dass Musik und Emotionalität die Hirnhälften der Kinder verbindet und ihr Sprachvermögen besser wird. (Kein Witz, eine Forscherin, die am Stand von 6k-united war, hat diesen Zusammenhang wissenschaftlich fundiert aufgezeigt. Der erste Beweis dafür, dass die Pisastudie musische Fächer nicht etwa verdrängt, sondern ihre besondere Notwendigkeit begründen kann.)
Das Noch-nicht-Verständnis ist freilich beidseitig. Denn auch die Start-ups verstehen nicht alle das System Schule. Das konnte man an dem Podium sehen. Na klar, ist das Schulsystem immobil. Wie auch anders! Es muss den Nachwuchs eines Landes mit 80 Millionen Einwohnern bilden, es existiert in seiner (ein wenig verkrusteten) Grundstruktur seit fast 200 Jahren und es ist nun einmal föderal. Einfach zu sagen „Hoppla, jetzt kommen wir!“ ist nicht genug. Wer behauptet – wie es Gesche Joost auf dem Bitkom-Treffen im Januar in Berlin (hub.berlin) sinngemäß getan hat –, der Föderalismus müsse halt einfach weg, der muss halt nochmal bisschen Geschichte studieren. Das Schulsystem hat bewiesen, dass es Schule machen kann, dass es Kindern was beibringt, Zertifikate vergibt und (halbwegs) zuverlässig ist – für neun Millionen SchülerInnen. Das funktioniert, siehe Pisa und Vera, nicht immer perfekt. Die Start-ups können vieles zum Teil schon besser, kreativer und mit viel mehr Spaß. Aber eben mit viel viel kleineren Teilnehmerzahlen und ohne die Vergabe von Abschlüssen wie das heißgeliebte Abitur.
Immerhin gibt es nun die ersten Schnittstellen zwischen beiden Systemen, zum Teil übrigens in den Start-ups selbst, die oft noch erstaunlich analog sind und trotzdem einfach gute Bildungsideen haben, wie etwa slumbox oder auch die Lesehelfer von emoree.de.