Beherberungsverbot in immer mehr Ländern auf der Kippe
Ein Teil der von Bund und Ländern erlassenen Corona-Verordnung ist das sogenannte Beherbergungsverbot. Hotels und Anbieter von Unterkünften dürfen danach keine Gäste mehr beherbergen, die aus einem Risikogebiet stammen. Als Risikogebiet gelten Regionen, in denen die 7-Tages-Inzidenz über 50 liegt, sich in den letzten sieben Tagen also mindestens 50 je 100.000 Personen neu mit Covid-19 angesteckt haben. Eine Ausnahme für das Beherberungsverbot gilt, wenn ein negativer Corona-Test nachgewiesen werden kann, der weniger als 48 Stunden alt ist. Die Umsetzung der Verordnung obliegt allerdings den einzelnen Bundesländern.
In vielen Bundesländern gab es in der Folge Eilanträge gegen das Verbot, welches dann von den Verwaltungsgerichten gekippt wurde. Konkret hatte in Baden-Württemberg eine Familie aus dem Kreis Recklinghausen einen Eilantrag gestellt. Sie hatte einen achttägigen Urlaub im Kreis Ravensburg gebucht und über 2.000 € bezahlt. Sechs Tage vor Beginn des Urlaubs wurde im Kreis Recklinghausen die 7-Tages-Inzidenz von 50 überschritten, sodass eine Beherbergung in Baden-Württemberg nicht mehr zulässig gewesen wäre. Die Antragssteller empfinden dies als „unverhältnismäßig und willkürlich“. Auch die Ausnahme über negative Tests seien keine Alternative, da Menschen aus Regionen mit schlechter Testkapazität diskriminieren würden. Bei vorhergehenden Tests im Familienumfeld waren Wartezeiten von über 72 Stunden bis zum Ergebnis aufgetreten – und damit mehr als die 48 Stunden, die ein Test überhaupt alt sein darf. Ein Test der ganzen Familie mit drei Kindern würde darüber hinaus 774,55 € (154,91 € pro Test) kosten und sei daher ebenfalls unverhältnismäßig.
Die Landesregierung als Antragsgegner spricht wiederum von sehr guten Erfahrungen in anderen Bundesländern und Regionen mit Reisebeschränkungen und ist daher dem Antrag entgegengetreten.
Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg hat dem Eilantrag der Familie stattgegeben. Er bezeichnet das Beherbergungsverbot als voraussichtlich verfassungswidrig, da es in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit eingreift. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stünden nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander.
Die Landesregierung konnte nicht darlegen, dass aus einer Beherbergung ein so hohes Infektionsrisiko ausgehe, dass es solch drastische Maßnahmen rechtfertigt und dass die „Treiber“ der Pandemie eher bei privaten Feiern oder in Schulen oder Pflegeheimen zu finden sind. Auch die Ausnahme der negativen Coronatests lässt der VGH nicht gelten, da dies rein organisatorisch nicht zu zumutbar wäre.
Der Beschluss ist unanfechtbar und hat auch eine Signalwirkung auf vergleichbare Fälle in anderen Bundesländern: In Brandenburg, Niedersachen und Sachsen hoben Gerichte das Beherbergungsverbot ebenfalls auf. In Hessen, Bayern und dem Saarland hat man das Beherbergungsverbot wieder ausgesetzt oder ist kurz davor. Kein Verbot gibt es bisher in Thüringen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bremen. Einzig in Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch Beherbergungsverbote in verschiedenen Formen und Ausprägungen, allerdings steht zumindest die Verordnung in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls auf der Kippe, weil beim Oberverwaltungsgericht Greifswald drei Eilanträge gegen die Beschränkung vorliegen (Az. 1 S 3156/20).
Es bleibt chaotisch und zu hoffen, dass die Judikative Ordnung bringt.