Bessere Versorgung von #SeltenenErkrankungen durch #Digitalisierung?
Am Mittwoch durfte ich eine interessante Diskussion moderieren. Sie stand unter dem Titel: „Wie Digitalisierung und politische Mitbestimmung die Versorgungsrealität von Menschen mit Seltenen Erkrankungen verbessern können“. Mit Professor Dr. Fabian Knebel, Leitender Oberarzt, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie, CharitéUniversitätsmedizin Berlin, Josefin Jantz, Patientenzusammenarbeit, Geschäftsbereich Politik und Strategie, vfa, Berlin, und Catrin Ender, Vorstandsvorsitzende der LAM Selbsthilfe Deutschland e.V., Keltern-Dietlingen, hatte ich Gesprächspartner*innen, mit denen ich das Thema mit einem 360-Grad-Blick betrachten konnte. Der gemeinsame Eindruck: Die Digitalisierung bietet für alle Beteiligten große Chancen, aber auch verschiedene Herausforderungen.
Schneller zur Diagnose mit Künstlicher Intelligenz (KI)?
Ärzte stehen beispielsweise in dem Spannungsfeld, dass durch den Einsatz von KI hohe Erwartungen an sie gestellt werden. Mithilfe der neuen Technologie soll zum Beispiel bisher Undiagnostizierbares diagnostiziert, Unsichtbares sichtbar gemacht und Untherapierbarestherapiert werden. Doch damit nicht genug, auch Prozesse sollen beschleunigt und unnötige Gefährdungen für Patienten vermieden werden. Es stimmt, KI kann hier vielfach unterstützen. Besonders bei der Diagnose von Erkrankungen kann KI Muster erkennen, die schon sehr früh auf eine Krankheithindeuten können. Gerade dieses „hindeuten können“zeigt aber auch die Herausforderung: Muss der Patient allein aufgrund des ermittelten Risikos informiert und vielleicht zu Unrecht beunruhigt werden? Ab wann muss er behandelt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen ist weitere Forschung nötig.
Chance und Herausforderung für Seltene Erkrankungen
Für Seltene Erkrankungen bietet KI die Chance, dass die Technologie Hinweise sieht, die ein Arzt möglicherweise weniger beachtet. Ein Beispiel ist die Transthyretin-Amyloidose: Hinweise auf diese Erkrankung zeigen sich im EKG an verschiedenen Stellen, aber diese sind an anderer Stelle im EKG zu finden, als die typischen Veränderungen durch Vorhofflimmern, die für die meisten Ärzte markanter sind. Nur Bekanntes kann auch diagnostiziert werden.
Das gilt auch für KI: Damit KI eine Seltene Erkrankung erkennen kann, müssen möglichst viele Diagnosedaten in die Datenbanken einfließen, die verwendet wird um die KI zu « trainieren ». Hierzu müssen Datenbanken zur Verfügung stehen, mit denen die KI erlernen kann, was zur Diagnose notwendig ist. Dazu hat das neue Digitale-Versorgung-Gesetz wichtige Voraussetzungen geschaffen. Insbesondere für Menschen, die von Seltenen Erkrankungen betroffen sind, liegt im Einsatz von KI für die Diagnose eine große Chance.
Apps, Videosprechstunde und mehr
Neben der KI bieten auch Apps und Videosprechstunden Patienten*innen und Medizinern*innen vielfältige Vorteile. Apps sorgen für mehr Compliance, können Veränderungen des Gesundheitszustands schneller erkennen und unterstützen den Kontakt zum Haus- oder Facharzt. Da Spezialisten für Seltene Erkrankungen nicht in jeder Stadt zu finden sind, profitieren vor allem diese Patienten von einer kombinierten Betreuung mit Videosprechstunden, dem Informationsaustausch über Apps und persönlichen Besuchen. Denn ohne persönlichen Kontakt funktioniert Medizin auch im Zeitalter der Digitalisierung nicht, weder aus Sicht des Arztes noch aus der der Patienten*innen.
Für Patienten ist die Möglichkeit zur Vernetzung über die Landesgrenzen hinaus gerade bei Seltenen Erkrankungen eine wertvolle Bereicherung zu persönlichen Kontakten. Aber auch Ärzte profitieren von den neuen Technologien, wenn es darum geht, mit Patienten oder Fachkollegen zu kommunizieren.
Neue Technologien erfordern neues Denken
Gerade Seltene Erkrankungen zeigen allen Beteiligten die Chancen der Digitalisierung: Weltweit gedacht, sind von einer Seltenen Erkrankung wie der Lymphangioleiomyomatose, kurz LAM, deutlich mehr Frauen betroffen als die rund 350 Patientinnen in Deutschland. Aus dieser größeren Datenmenge lassen sich Gemeinsamkeiten ermitteln und Regeln ableiten. Ein wichtiger Schritt hin zu einer Diagnose, auf die Betroffene heute oftmals viele Jahre warten. Sehnsüchtig warten, denn sie möchten einen Namen für ihre Beschwerden. Ist der gefunden, folgt die zweite zentrale Frage: Gibt es eine Behandlung? Diese beiden Fragen definieren auch die Wünsche meiner Gesprächspartner für 2025: Seltene Erkrankungen schneller diagnostizieren und mehr Erkrankungen behandeln oder sogar heilen zu können. Einen wichtigen Ansatz, um diese Ziele zu erreichen, brachte Prof. Knebel auf den Punkt: Wir müssen im digitalen Zeitalterneue Diagnosewege nutzen und den Mut haben, unsvon den klassischen Diagnosekriterien zu lösen, um Diagnose neu denken zu können.
Mein Wunsch für Patienten mit Seltenen Erkrankungen ist es, dass wir es schaffen, bis zum Jahr 2025 die Zeit bis zur Diagnose im Durchschnitt von 7 auf drei Jahre zu verkürzen. Dazu ist eine intensive Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen – Ärzte, Krankenkassen, Pharmaindustrie und Politik – gefragt. Denn nur gemeinsam und interdisziplinär kann die Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland verbessert werden.