Betriebsratsarbeit: Der unterschätzte Faktor Kommunikation
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich heiße Sie herzlich zu unserer Betriebsversammlung willkommen und freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind…“
So konventionell der Einstieg, so berechenbar der nun folgende Ablauf: eine Folienwüste mit ermüdenden technischen Details zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Bildschirmbrille. Ein ausufernder Bericht zum Fortschritt der Tarifverhandlungen - eigentlich ein Thema, das viele interessiert, läge doch der Berichtsfokus stärker auf den zu erwartenden Ergebnissen als auf der einseitigen Kritik politischer Spielchen des Arbeitgebers. Die schon hinlänglich bekannte und zunehmend verzweifelte Mitgliederwerbung des Gewerkschaftssekretärs. Komplettiert mit einer musikunterlegten Slideshow aus Bildern des sommerlichen Grillfests des Betriebsrats für die Belegschaft am Standort.
Maßlos übertrieben? Weit gefehlt. Ich habe schon unzähligen Betriebsversammlungen beigewohnt, die dem zuvor skizzierten Bild durchaus entsprochen haben. Leider. Denn was hier passiert, ist jammerschade: Der Betriebsrat verspielt nämlich ein großes Potenzial, Mitarbeiter mit für sie relevanten Inhalten zu erreichen und gleichzeitig seinen Führungsanspruch als demokratisch legitimierte Interessenvertretung überzeugend zu dokumentieren. Kommunikation ist leider ein im hohen Maße unterschätzter Faktor in der Betriebsratsarbeit. Dabei wäre der Betriebsrat mit kluger, auf die Interessen und Vorkenntnisse seiner Bezugsgruppen abgestimmter Kommunikation um ein vielfaches erfolgreicher.
Betriebsratsarbeit ist ein Wahlamt
Am Anfang der Betriebsratsarbeit steht eine Wahl. In aller Regel werden diejenigen Mitarbeiter in den Betriebsrat gewählt, denen aus Sicht der Wähler ihre Interessenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber am ehesten zugetraut wird. Während der vierjährigen Amtszeit sollten die Betriebsräte keine Gelegenheit ungenutzt lassen, ihren Wählern aufzuzeigen, was sie alles für sie erreicht haben. Kommunikation darf jedoch keine Einbahnstraße sein. Stattdessen sollten Betriebsräte - auch wenn sie primär fernab ihres Wahlbetriebs in übergeordneten Gremien wie einem Gesamtbetriebsrat oder einem Konzernbetriebsrat ihre Zeit verbringen - weiterhin ihr Ohr an der Basis haben und einen kontinuierlichen Dialog mit ihren Wählern anstreben.
Betriebsratsarbeit ist kommunikationsbedürftig
Was in Betriebsratssitzungen besprochen oder hinter verschlossenen Türen mit dem Arbeitgeber verhandelt wird, ist für viele Mitarbeiter ein Buch mit sieben Siegeln. Für sie wird Betriebsratsarbeit nur in Betriebsversammlungen und bei lokalen Initiativen wie Grillfesten oder Gesundheitstagen greifbar. Welch vertane Chance, wenn diese Berührungspunkte dann unprofessionell wirken oder gar Anlass zum Fremdschämen sind! Betriebsräte sollten diese Kommunikationsgelegenheiten bewusst nutzen, um ihre Arbeit angemessen zu präsentieren. Und sie sollten sich zusätzliche Kommunikationsanlässe schaffen. Beispielsweise durch Versand eines regelmäßigen Newsletters. Durch Publikation betriebsratsspezifischer Themen über die Mitarbeiterzeitung ihres Unternehmens. Oder mit einer eigenen Community im Social Intranet.
Betriebsratsarbeit muss kommunikative Neuerungen berücksichtigen
Kommunikationsgewohnheiten haben sich durch das Internet und insbesondere durch soziale Medien stark verändert. Mitarbeiter erwarten heutzutage Interaktionsmöglichkeiten; sie wollen sich an Kommunikation aktiv beteiligen können und nicht zum bloßen Empfänger degradiert werden. Und sie erwarten auch eine professionelle Präsentation von Inhalten. Dies hat Folgen für die Kommunikationsformate in der Betriebsratsarbeit: Warum nicht in der nächsten Betriebsversammlung auf langatmige Vorträge und Frontalbeschallung verzichten und stattdessen auf den Dialog mit den anwesenden Mitarbeitern setzen? Warum nicht als Konzernbetriebsratsvorstand in einem regelmäßig stattfindenden Chat lokalen Betriebsräten Rede und Antwort zu stehen? Warum nicht in einem Blog des Betriebsrats aktuelle Unternehmensthemen aufgreifen und kommentieren?
Betriebsräte sind häufig die glaubwürdigere Kommunikationsquelle
Viele Mitarbeiter betrachten die interne Kommunikation ihres Arbeitgebers eher skeptisch. Kein Wunder, denn Hofberichterstattung und Kasperletheater sind nach wie vor häufige Ausprägungen. Betriebsräte könnten dieses Glaubwürdigkeitsproblem zu ihren Gunsten nutzen. Dafür müssen sie nah an der Belegschaft dran sein und verstehen, was sie bewegt. Und dies möglichst im Hinblick auf alle Belegschaftsgruppen und nicht nur diejenigen, die sie in ihren Sprechstunden aufsuchen oder die im Betriebsrat vertreten sind. Die Betriebsratskommunikation gilt es so zu gestalten, dass komplizierte Sachverhalte möglichst verständlich erläutert werden. Statt wie der Arbeitgeber auf politisch wachsweiche Formulierungen und unspezifische Aussagen zur Zukunft zu setzen oder aufgrund von Kapitalmarktrelevanz setzen zu müssen, sollte der Betriebsrat die Dinge beim Namen nennen und den Mitarbeitern die eigene Verhandlungsposition als Orientierungsmaß an die Hand geben. So kann die Betriebsratskommunikation zum Alleinstellungsmerkmal werden und den Rückhalt der Arbeitnehmervertretung in der Belegschaft deutlich stärken.
Gemeinsam statt einsam: #ZukunftsSchwärmer Gebäudeenergieberater (HWK)
5 JahreWie wahr, leider! Aber man kann sowohl Betriebsversammlungen anders aufziehen, als auch Kommunikation und Beteiligung. Letzteres habe ich bei Bosch sehr erfolgreich mit einer offenen Community im Intranet geschafft, den "ZukunftsSchwärmern". Sogar konzernweit...
Guter Punkt Patrick! Die Frage ist nur, wie bekommt man das in die Köpfe der Betriebsräte (und Vorsitzenden) rein?