Beziehungsstress: Die Frau hinter dem Karrieristen
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Beziehungsstress: Die Frau hinter dem Karrieristen

Stress! Nicht nur beruflich, sondern auch privat – das kennzeichnet das Leben vieler Manager. Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel eines ehrgeizigen Aufsteigers, der mir im Coaching gegenübersaß. Manchmal bleibt es in diesen vertraulichen Dialogen eben nicht nur bei beruflichen Themen…

Nennen wir ihn Klaus. Er ist ein ambitionierter Leistungsträger bei seinem Arbeitgeber, stets darauf bedacht, sich im Unternehmen für die nächstgrößere Aufgabe richtig zu positionieren. Er arbeitet hart, bei ihm steht der Beruf stets an erster Stelle. Daher interessieren ihn im Coaching besonders Fragen wie „Wo liegen meine Stärken, wie kann ich sie besser am Arbeitsplatz sichtbar machen?“ Oder: „Wie mache ich – ohne zu prahlen - meinen Chef darauf aufmerksam, dass ich der geeignete Kandidat für den Posten des Technischen Direktors bin“. Selbst das Privatleben wird von seinem Job beeinflusst. Bei dieser Gelegenheit erwähnt er beiläufig, dass bisher seine Frau seine beste Karriereberaterin war. War? Bisher??? Irritiert frage ich nach. Erstaunlich offen berichtet er aus dem Nähkästchen seiner Ehe.

Claudia, seine Frau, war seine engste Beraterin, wenn es um Themen ging, die im weitesten Sinne karriererelevant waren. Daher berichtete er ihr jeden Abend detailliert über seinen Arbeitstag, die Kollegen, Konkurrenten und Vorgesetzten, die sein Weiterkommen im Unternehmen irgendwie beeinflussen könnten. Sie hörte ihm aufmerksam zu und gewichtete seine Informationen aus ihrer Sicht – sozusagen weiblich-intuitiv. Sie kannte inzwischen sein berufliches Umfeld genauso gut wie er selbst. Ja, sie konnte sogar einschätzen, ob ihm z. B. jemand mit Absicht oder aus Versehen eine wichtige Information vorenthalten hatte, wie er auf das Fehlen seines Namens auf einem entscheidenden Meeting-Protokoll reagieren sollte oder gar, welche Krawatte, wenn überhaupt, zu welchem Geschäftstermin am besten passt und ob er zum Anzug doch lieber weiße Sneakers statt konservativer Lederschuhe anziehen sollte. Kurz: Bisher hatte seine Karriere vieles Claudias Beratung zu verdanken. Diese war gerade jetzt wieder sehr gefragt, als er bei der Beförderung zum Technischen Direktor übergangen wurde.

„Vielleicht bist Du einfach zu farblos“, sagte Claudia beiläufig. Klaus schaute an sich herunter. Die Krawatte konnte sie nicht meinen. „Oder Du arbeitest zu häufig im Home-Office, trittst zu selten im Büro in Erscheinung“, schob sie nach.

„Du trinkst nicht, rauchst nicht, hast keine Affäre“. Darauf er spontan: „Aber spricht das nicht eher für mich?“

Darauf Claudia: „Offenbar nicht in den Augen von Dr. Knirtzel, Deinem Chef“.

„Zugegeben, Knirtzel ist ein smarter Typ, etwas jünger als ich, schlank, sportlich. Er kommt bei den Frauen im Betrieb gut an. Aber ich kann doch wegen dem nicht anfangen zu saufen oder rumzuscharwenzeln“, protestierte Klaus daraufhin.

Claudia schüttelte den Kopf: „Nein, aber eine Affäre könntest Du ja auch vortäuschen“.

Klaus: „Und das würde Dir nichts ausmachen?“

„Wenn das Deine Ausgangslage bei Deinem Chef verbessert, habe ich ja auch was davon“, so ihre sibyllinische Antwort.

Klaus berichtet mir, dass ihm die Idee durchaus gefiel. So begann er mit Claudias Hilfe und viel Fantasie, eine Affäre vorzutäuschen, turtelte mit dieser im Büro vor Zeugen am Telefon, nannte sie „Schnucki“ und verabredete sich mit ihr "am Abend im Hotel". Dann rief er Claudia zuhause an – natürlich ebenfalls vor den gleichen Zeugen - und bat sie, mit dem Abendessen nicht auf ihn zu warten – ein „Meeting mit open end!“. Es dauerte nicht lange, bis sich seine „Affäre“ in der Firma herumgesprochen hatte. Besser noch: Eines Abends, nach Feierabend in der Tiefgarage fuhr Dr. Knirtzel mit seinem Porsche langsam an ihm vorbei und lächelt ihm augenzwinkernd zu: „Na, dann, schönes open end!“ raunte dieser ihm verschwörerisch durch das halboffene Seitenfenster zu. Klaus stutzte, konnte sich aber offenbar keinen Reim aus der süffisanten Bemerkung machen.

Er spürte (oder bildete sich zumindest ein), dass ab diesem Moment sein Verhältnis zu seinem Chef rasante Fortschritte machte. „Seine frühere Distanz ist plötzlich einer ungewöhnlichen Vertraulichkeit gewichen,“ berichtete Klaus stolz beim gemeinsamen Abendbrot mit Claudia. Klaus schwebte auf Wolke sieben. Einige Wochen nach der fingierten Affäre (und vielen sehr vertrauten Gesprächen mit seinem Boss über seine Ziele und Innovationsvorschläge) fühlte sich Klaus so sicher, dass er sein vorgespieltes Tete á Tete im Hotel am Freitagabend spontan abbrach und schon um 22 Uhr nach Hause fuhr.

Vor seiner Garage parkte der Porsche von Dr. Knirtzel.

Hoppala! Spätestens jetzt leuchtete mir ein, warum Klaus seine „Karriereberaterin“ Claudia durch einen neutralen Coach ersetzte.

Autor

Albrecht von Bonin

avb Management Consulting

www.avb-consulting.de

VON BONIN + PARTNER Personalberatung

www.von-bonin.de

Sascha Dalig

Revenue Management | Hotelier | Beratung | Technologie | Team-Motivation | Adaptive Strategien | Speaker | Moderator

1 Jahr

Eine spannende Story. Der Twist war nicht direkt zu erwarten und hoffentlich ist es nicht genauso passiert. Das Verstellen für die eigene Karriere kennen bestimmt viele Manager und ambitionierte Mitarbeitende, ich kann es mir nicht vorstellen. Mit Ehrlichkeit verliere ich vielleicht die ein oder Chance einen direkten Aufstieg zu machen, gewinne aber auch lange Sicht deutlich an Format.

Thomas Jana

Luxury - Resort - Hospitality Professional - General Manager Couple - Hotel Direktoren Paar

1 Jahr

Danke für's teilen. Wie wahr! Da hilft nur gemeinsam stark ! Wir denken speziell im " Boutique Hotel / Resort " können Manager Paare die Lösung sein. Wir sind froh das wir unsere single Karrieren abgegeben haben und nochmal als Manager Paar durchgestartet ist. Die Frage ist Deutschland bereit dafür ?

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