BI: Mehr Freiheiten für Fachbereiche

Oft ist für Auswertungen und Analysen in Unternehmen noch immer die IT zuständig. Der Trend ist ein anderer: Künftig stellt die IT „nur“ noch die Daten bereit, und der Fachbereich fährt eigenständig seine Analysen. Gartner bringt bereits neue Rollen wie den „Information Steward“ und „Citizen Data Scientist“ ins Gespräch.

Fachbereich und IT sind in Sachen Business Intelligence (BI) nicht immer einer Meinung. Besonders wenn es darum geht, wer künftig die Hoheit über Datenauswertungen bekommen soll, kommt immer häufiger Stress auf. Denn inzwischen gibt es geeignete Systeme und Tools, die den Fachexperten die Eigenanalyse möglich machen. Doch die IT-Lobby in den Unternehmen ist stark.

BI im Fachbereich: Bedarf an eigenen Analysen steigt

Traditionell hat die IT die Hoheit über sämtliche Daten im Unternehmen und definiert in Wasserfallprojekten, was der Fachbereich sehen darf und was nicht, übergibt auf Anforderung hoch aggregierte Daten in Form von Reports, die die fachlichen Experten dann konsumieren dürfen. Es wird immer mehr klar, dass sich die Fachbereiche nicht länger von der IT bevormunden lassen wollen. Ihr Bedarf, möglichst jedem in einer Abteilung eigene Auswertungen zu ermöglichen, steigt von Tag zu Tag.

Die Frage ist deshalb, wie sich dieser Übergang von der traditionellen BI-Rolle der IT zur neuen hinbekommen lässt. Laut Beratungshaus Gartner bedeutet das für die Unternehmen nicht weniger als ein Paradigmenwechsel. Wie Gartner kürzlich auf dem BI-Summit in München darstellte, bietet die IT ein „Information Portal“ auf Basis eines Data Warehouse an, wird aber künftig zumindest eine „Analytics Workbench“ zur Verfügung stellen oder gar ein so genanntes Data Science Laboratory, in dem Unternehmen beliebig Daten aus externen Datenbanken dynamisch in komplexe Analysen einbeziehen können.

Die Technik dafür ist bereits entwickelt. Die SAP-Lösung SAP BW4HANA bietet beispielsweise alle technischen Voraussetzungen dafür. Doch muss auch die Organisation mitziehen. Deshalb überlegen sich Unternehmen zunächst, eine neue Abteilung aufzubauen und sich an das Thema heranzutasten. Sie setzen ein Cloud-Open-Source-Tool ein, mit dem auch Fachbereiche eigene Analysen fahren können. Unternehmenskritische Finanz- und Kundendaten allerdings sind oft noch immer tabu und so bekommen die Fachbereiche lediglich Daten, mit denen sie nichts „kaputt“ machen können – etwa Maschinendaten, die für Geschäftsentscheidungen oder gar neue Geschäftsmodelle selten relevant werden. Die notwendige Entscheidung, nach der Bereitstellung der Daten die Regie den Fachbereichen zu überlassen, steht noch aus.

Citizen Data Scientist: Reports aus dem Fachbereich

Doch entstehen bereits neue Rollen, die voraussetzen, dass dem Business mehr Freiheiten eingeräumt werden. Allen voran der Citizen Data Scientist. Hinter der von Gartner geprägten Berufsbezeichnung verbirgt sich ein Mitarbeiter aus dem Fachbereich, der zwar eine gewisse Affinität für Analysen hat, aber nicht unbedingt eine ausgewiesene Expertise und die künftig anstehenden Auswertungen im Fachbereich übernimmt. Gartner sieht einen zunehmenden Bedarf an Citizen Data Scientists: Fünfmal so schnell soll ihre Anzahl demnach in den Unternehmen gegenüber „gewöhnlichen“ spezialisierten Data Scientists in 2017 wachsen. Klar ist: Mit dem Citizen Data Scientist ist der IT-Request Geschichte, den Fachbereiche bisher an die IT für nötige Reports stellen mussten. Denn er ist zentrale Ansprechstation für schnelle Analysen, übernimmt aber nun auch anstelle der IT die Funktion des „Bottle Necks“ und Prügelknaben. Von der „Analyse für Jedermann“ kann also noch nicht die Rede sein. Immerhin liegt die Verantwortung für die Analyse damit im Fachbereich.

Information Steward: Der „Auditor“ der Datennutzung

Über die nächsten Jahre hinweg werden Unternehmen nicht daran vorbei kommen, Fachbereichen ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt deshalb geht Gartner davon aus, dass im Jahr 2019 in jedem zehnten Unternehmen der „Operational Information Stewards“ zu finden sein wird. Er ist eine Art Kontrollinstanz des Fachbereichs, die erst aktiv wird, wenn der Fachbereich bereits Daten genutzt und Reports erstellt hat. Wie ein Steuerberater die Geschäftszahlen eines Unternehmens überprüft, legt der Information Steward die Lupe auf die Nutzung der Daten und bestätigt, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Der Fachbereich darf also seinen geschäftlichen Nutzen aus den Daten ziehen, muss sich allerdings an die Spielregeln halten, die der Daten-Auditor oder Information Steward regelmäßig überprüft.

Das sind Schritte in die richtige Richtung. US-Startups machen uns seit Jahren vor, wie man aus Daten Kapital schlägt. Deutsche Unternehmen sitzen oft noch zu sehr auf ihren Daten, ohne sie für neue oder auch bestehende Geschäftsmodelle in ausreichendem Maße einzusetzen.

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