Bin ich ein ‚Krimineller‘, ein ‚Massenmörder‘ und eine ‚Landplage‘?“ fragte sich Aba Lewit
KORREKTUR. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt einem 96-jährigen Holocaust-Überlebenden Recht, der von der Zeitschrift „Aula“ aufs Übelste beschimpft und von steirischen Gerichten nicht geschützt wurde.
„Mauthausen-Befreite als Massenmörder“ war 2015 eine Titelzeile der Zeitschrift „Aula“, einem Magazin, das sich jahrelang über Zuwendungen der FPÖ freuen durfte. Im Text des Beitrages las man unter anderem: „Die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der befreiten Häftlinge aus Mauthausen den Menschen zur Landplage gereichte, gilt für die Justiz erwiesen und wird heute nur noch von KZ-Fetischisten bestritten.“ „Bin ich ein ‚Krimineller‘, ein ‚Massenmörder‘ und eine ‚Landplage‘?“ fragte sich der in Wien lebende, aus Polen stammende Aba Lewit, der 1943 von den Nazis ins Konzentrationslager Mauthausen gesperrt worden war und nur mit Mühe dem Tode entrann.
Klagen in Graz
Harald Walser, Historiker und ehemaliger Nationalratsabgeordneter der Grünen organisierte eine Klage im Namen von insgesamt 11 KZ-Opfern gegen die „Aula“ – und bekam Recht. Was die „Aula“ nicht daran hinderte, in einem Nachfolgeartikel nochmals mit massiver Häme ins gleiche rechte Horn zu stoßen. Die neuerliche medienrechtliche Klage gegen das Magazin wurde mit der Begründung eingestellt, dass in dem Beitrag die Nazis nicht gelobt worden seien. Die Staatsanwältin schrieb weiter, es sei „nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte.“ NR-Abgeordneter Harald Walser richtete nach dieser bemerkenswerten Begründung eine parlamentarische Anfrage an den damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter, der sich zu einer eindeutigen Stellungnahme gegen die Diktion der Staatsanwältin veranlasst sah und Schulungen zum Grundlagenwissen der Justizgeschichte für angehende Richter ankündigte. Immerhin führten die parlamentarischen Diskussionen sowie die mediale Berichterstattung rund um das Thema dazu, dass die Freiheitliche Partei die „Aula“ nicht mehr unterstützte und das 1951 gegründete Magazin aus Geldmangel eingestellt werden musste.
Klage in Straßburg
Da die KZ-Überlebenden und Abgeordneter Walser der Meinung waren, der straf- und medienrechtliche Schutz der Betroffenen habe bereits mit der Einstellungsbegründung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Graz versagt wandten sie sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die dortigen Richter bestätigten mit Hinweis auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dass die Persönlichkeitsrechte von Aba Lewit eindeutig verletzt worden seien. Außerdem warf der Gerichtshof den Gerichten in Graz vor, sich „niemals mit den zentralen Fragen dieser Klage befasst“ zu haben, welche Auswirkungen die im Magazin geäußerten Diffamierungen auf die Betroffenen haben könnten. „Hoffentlich werden die Signale aus Straßburg bei uns und vor allem in der Justiz vernommen, denn zuletzt hat der rechtsextreme Terrorfall in Halle wieder gezeigt, dass hetzerischen Worten oft auch Taten folgen“ meint Harald Walser im „Standard“. Abgesehen davon, dass Justizminister Clemens Jabloner das Urteil begrüßte muss der Staat Österreich dem 96-jährigen Kläger rund fünfeinhalb Tausend Euro Schadenersatz und knapp siebentausend Euro Auslagen und sonstige Kosten überweisen.