«Bringen Sie auf den Punkt, weshalb genau Sie die richtige Person für diese Position sind»

«Bringen Sie auf den Punkt, weshalb genau Sie die richtige Person für diese Position sind»

Sibyl Schädeli* berät Frauen in Karrierefragen. Sie sagt: «Auf ein klares Profil kommt es an.» Was bedeutet dies genau? Sollte man sich auf einen 80-Prozent-Job bewerben, wenn nur 60 Prozent infrage kommen? Und weshalb ist es in Lohnverhandlungen so wichtig, ein klares Ziel vor Augen zu haben?

Redaktion/Interview: etextera, Agentur für Text und Design

Frau Schädeli, mit welchen Themen kommen Kundinnen zu Ihnen in die Beratung?

Zu mir kommen Frauen, die beruflich stecken geblieben sind und sich neu orientieren wollen. Sie suchen Unterstützung bei Bewerbungen, Lohnverhandlungen oder in Berufungsverfahren. Meist sind es Ärztinnen, Diplomatinnen, Politikerinnen oder Frauen, die an der Universität Karriere machen.

Angenommen, ich suche eine neue Stelle: Wie verkaufe ich mich am besten?

Sie brauchen dazu vor allem ein Netzwerk. Nur ein Drittel der Stellen wird heute durch Ausschreibungen gefunden, der Rest läuft über direkte Kontakte oder soziale Medien. Solch ein Netzwerk gilt es aufzubauen – mindestens zwei Jahre bevor man sich umorientieren will. Wichtig dabei ist es, auf Leute zuzugehen, sich ins Gespräch zu bringen, zu streuen, dass man auf der Suche ist.

Wann kommen Sie als Coach ins Spiel?

Idealerweise bevor sich Kundinnen konkret um eine Stelle bewerben. Denn beim Motivationsschreiben und CV lässt sich viel falsch machen.

An was denken Sie dabei genau?

Beim Motivationsschreiben ist es zum Beispiel wichtig, dass Sie sich direkt auf die Anforderungen in der Stellenausschreibung beziehen und überzeugend demonstrieren, dass Sie die richtige Person für die zu besetzende Stelle sind.

Stellenanforderungen lassen sich nie komplett erfüllen

Wenn ich die Anforderungen aber nur zu 80 Prozent erfülle?

Dann bewerben Sie sich trotzdem. Frauen tendieren dazu, sich nur ins Gespräch zu bringen, wenn sie 100 Prozent aller Stellenanforderungen erfüllen. Das ist ein grosser Fehler! Männer sind da viel selbstbewusster und bewerben sich auch bei lediglich 60 Prozent Übereinstimmung. Dabei lässt sich ein Anforderungsprofil nie komplett erfüllen – was Vorgesetzten ebenfalls klar ist. Dies gilt übrigens auch bei Stellen, die für 100 Prozent ausgeschrieben sind, die Kandidatin aber nur 80 oder 90 Prozent arbeiten möchte: Auf jeden Fall bewerben! Über eine Lösung lässt sich dann immer noch nachdenken.

Was ist beim Zusammenstellen der Bewerbungsunterlagen wichtig?

Dabei kommt es vor allem auf ein klares Profil an. Bringen Sie auf den Punkt, weshalb genau Sie die richtige Person für diese Position sind. Studien zeigen, dass Personalverantwortliche nur etwa sieben Sekunden auf ein Dossier schauen – deshalb müssen Ihre Fähigkeiten auf einen Blick ersichtlich sein. Verweisen Sie dabei nicht nur auf Sozialkompetenzen, sondern auch auf Leistungen wie etwa Führungserfahrung. Frauen tun sich oft schwer, sich diese zuzusprechen. Dabei wollen Unternehmen beim Besetzen einer Führungsposition genau das sehen.

Der Zivilstand «verheiratet» ist nur für Männer ein Pluspunkt

Ist der Zivilstand wichtig?

Bewerbungen werden heute möglichst neutral gehalten, um Diskriminierungen zu vermeiden. Als Bewerberin würde ich mich an den Anforderungen des Unternehmens orientieren und wenn gewünscht das CV mit Namen, Geburtsdatum und Foto versehen. Den Zivilstand würde ich nicht erwähnen, dieser lässt sich im Gespräch immer noch erfragen. Verheiratet zu sein, ist schliesslich nur für männliche Kandidaten ein Pluspunkt («Er hat ein stabiles Umfeld.»), bei Frauen hingegen wird dies zu oft mit «Sie wird vielleicht schwanger!» assoziiert.

Und Kinder? Im Lebenslauf erwähnen oder besser nicht?

Falls nicht explizit danach gefragt wird, würde ich Kinder ebenfalls nicht erwähnen oder bei jüngeren Kindern zumindest nicht die Jahrgänge dazu schreiben. Wollen potenzielle Vorgesetzte im Gespräch wissen: «Was tun Sie, wenn das Kind krank ist?», lautet die beste Antwort: «Die Betreuung ist gesichert.» Oder Sie verweisen auf Mann und Schwiegermutter – selbst wenn das nicht stimmt. Wenn man Sie schon diskriminieren will, ist dies zulässig.

Sollte man über einen schlechten Lohn hinwegsehen, wenn der Job inhaltlich spannend ist?

In den allermeisten Fällen drücken sich Frauen mit solchen Aussagen um Lohnverhandlungen und betrügen sich selbst – als ob spannende Inhalte und angemessene Bezahlung ein Widerspruch wären! Oft sagen Frauen auch: «Ich will mich nicht in den Vordergrund drängen», «Ich bin nicht besser als die Kolleginnen und Kollegen» oder «Der Chef kommt dann schon auf mich zu!» (Nein, kommt er nicht, und wenn, dann eher auf männliche Kollegen, wie Studien zeigen.) Bei externen Bewerbungen wiederum bedienen sich potenzielle Arbeitgebende gerne des alten HR-Tricks und behaupten: «Wir haben ein fixes Lohnsystem und können leider nicht verhandeln.» Das ist jedoch reine Abschreckung, verhandeln geht immer!

Anscheinend haben Frauen oft Angst vor der Reaktion des Gegenübers, wenn sie mehr Lohn fordern.

Ja, Frauen wollen Beziehungen nicht gefährden und glauben, diese geraten sofort in Gefahr, sobald es ein bisschen unbequem wird. Dabei stimmt das nicht.

Wenn Sie mutig sind, pokern Sie hoch!

Welche Fettnäpfchen gilt es zu vermeiden?

Bei externen Bewerbungen ist es wichtig, nie vor Ort einen Vertrag zu unterschreiben. Eine Nacht darüber schlafen liegt immer drin. Zur Not hilft die Ausrede: «Ich will mich noch mit meinem Partner besprechen.» Ausserdem sollten Sie Ihren bisherigen Lohn möglichst nicht erwähnen. Natürlich will die Gegenseite wissen, wie viel Sie bisher verdient haben. Hier gilt es, den Ball zurückzuspielen oder zur Not zu sagen: «Mein Arbeitgeber verbietet mir, über den Lohn zu reden.» Potenzielle Vorgesetzte werden zudem versuchen, Ihnen zuerst eine Zahl zu entlocken. Sind Sie unsicher, lassen Sie sich darauf nicht ein und fragen zurück: «Was bieten Sie mir?» Wenn Sie mutig sind, pokern Sie hoch!

Wie bekomme ich den Lohn, den ich verdiene?

Zeigen Sie auf, weshalb Ihre Leistungen speziell sind. Für interne Verhandlungen sammeln Sie dazu am besten permanent messbare Daten – dies erhöht zum einen Ihr Selbstvertrauen, zum anderen fällt es Ihnen dann auch leichter, auf Vorgesetzte zuzugehen und zu sagen: «Schau, was ich die letzten zwei Jahre alles geleistet habe, ich würde gerne mal über meinen Lohn reden.» Generell sollten Sie immer mit Leistungen argumentieren («Das gewinnt ihr, wenn ihr mich anstellt.») und Pakete verhandeln. Sind Sie etwa mit dem vorgeschlagenen Gehalt nicht einverstanden, lässt sich vielleicht eine Weiterbildung oder ein GA dazu verhandeln. Generell gilt: So viele Infos wie möglich für das Gespräch sammeln!

Würden Sie auch Online-Lohnrechner konsultieren?

Ja, warum nicht? Vorsicht allerdings bei Geschlechtsangaben! Hier sollten Frauen unbedingt die Kategorie «Mann» auswählen – Sie werden sehen, der angezeigte Lohn ist dann oft höher. Fragen Sie ausserdem Kolleginnen und Kollegen oder ehemalige Mitarbeitende, was diese verdienen. Am allerwichtigsten ist jedoch, dass sich Frauen vergegenwärtigen: Sie können genauso hart verhandeln wie Männer – wenn sie für andere kämpfen!

Wie meinen Sie das?

Studien zeigen: Egal, ob Frauen für ihren Hund oder den Nachbarn kämpfen – sie sind besser im Lohnverhandeln, wenn sie ein klares Ziel vor Augen haben. Überlegen Sie sich also vorher: Für wen will ich ein höheres Gehalt erreichen? Für meine Kinder? Um Eltern oder Freunden etwas Gutes zu tun? Um zu spenden? Das ist der allerbeste Trick. Ich nutze ihn selbst für meine Honorarverhandlungen.

Zur Person

* Sibyl Schädeli ist Coach, Autorin und Inhaberin von SIBYL SCHÄDELI Coaching.Workshops.Consulting. Seit vielen Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Leadership, Machtspielen in hierarchischen Organisationen und Frauenkarrieren.

Dinge auf den Punkt bringen und ein Ziel vor Augen haben ist nicht nur in Karrierefragen wichtig – etextera unterstützt Sie bei einer klaren Kommunikation in Text, Grafik und Webdesign.

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