Business Pivoting als notwendiger Bestandteil einer Restrukturierung
In unseren Überlegungen unterscheiden wir grundsätzlich zwischen einem Wettbewerb um Marktanteile und einem Wettbewerb um Chancenanteile. Der fokussierte Wettbewerb liegt bei der Mehrzahl der etablierten Unternehmen auf dem Wettbewerb um Marktanteile. Die Unternehmen haben sich Wettbewerbsvorteile erarbeitet und versuchen, diese Wettbewerbsvorteile möglichst lange zu nutzen. Im digitalen Hyperwettbewerb kommt nun aber dem Wettbewerb um Chancenanteile eine zunehmende Bedeutung zu, ohne dass das Management den Wettbewerb um Marktanteile hierbei vernachlässigen darf.
Krisensituation und klassische Sanierung mit Fokus auf den Wettbewerb um Marktanteile
Ist ein Unternehmen in eine Krisensituation geraten, dann steht zunächst die Stabilisierung und anschließende Verbesserung der Ergebnis- und Liquiditätssituation vor dem Hintergrund des Leitbilds des sanierten Unternehmens im Mittelpunkt. Dabei stehen im Rahmen einer Krisenstabilisierung zunächst die Maßnahmen im Mittelpunkt, die kurzfristig notwendig sind, um das Überleben zu sichern. Hier geht es dann um Liquiditätssicherung, um schnelle Kostensenkungsmaßnahmen und um die Beseitigung von Verlustbringern auf Produkt-, Kunden- und Geschäftsbereichsebene. Das ist auch wichtig, da andernfalls eine Sanierung bzw. Restrukturierung keinen Sinn machen würde. In der genannten Sichtweise geht es hier um eine Stabilisierung und Verbesserung im Wettbewerb um Marktanteile.
Aber auch die sich anschließende strategische Neuausrichtung fokussiert auf den Wettbewerb um Marktanteile. Hier geht es dann meist darum, das verbleibende profitable Produkt- und Kundenportfolio wieder zu stärken. Das Unternehmensmanagement konzentriert sich auf diese verbliebenden Produkte und auf die neu fokussierten Produktmärkte, in denen die zukünftigen Erfolgs- und Gewinnaussichten vergleichsweise gut sind. Gegebenenfalls werden hier auch weitere Anpassungen im Produkt- und Serviceangebot zur Profitabilitätssteigerung vorgenommen.
Dennoch hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass zunächst (scheinbar) erfolgreiche Restrukturierungsprojekte nicht nachhaltig erfolgreich waren. Dies kann z.B. daran liegen, dass das entsprechende Programm nicht mit der erforderlichen Konsequenz umgesetzt wurde und/oder bei den ersten Zeichen der wirtschaftlichen Erholung und noch vor einer strategischen Neuausrichtung weitgehend beendet wurden.
Es kann in unserem Verständnis aber auch daran liegen, dass man bei der Sanierung und Restrukturierung das Geschäftsmodell (weitgehend) unverändert belassen hatte. Die Sanierung oder Restrukturierung wäre somit nicht im Wettbewerb um Chancenanteile angekommen. Vor diesem Hintergrund wird hier vorgeschlagen, ein Business Pivoting auf der Basis des Geschäftsmodellkerns parallel zur klassischen Sanierung und Restrukturierung aufzusetzen.
Business Pivoting für den Wettbewerb um Chancenanteile
Das Business Pivoting ist ein neuer Ansatz aus der Startup-Szene und beschreibt die radikale Veränderung der Ausrichtung eines Geschäfts bzw. Geschäftsmodells an die veränderten Anforderungen der aktuellen und zukünftigen Kunden. Ziel ist es, einem Unternehmen zu gesteigerten Umsätzen oder zu einem Überleben in einem veränderten Markt zu helfen.
Das Business Pivoting fokussiert somit auf den Wettbewerb um Chancenanteile. Es werden bessere oder neue Zukunftsoptionen für das Unternehmen im Rahmen von schnellen und iterativen Lern- und Innovationsprozessen gesucht und ausprobiert. Es geht somit um schnelle iterative Prozesse, die lediglich das Ziel, die Erfolgswahrscheinlichkeiten und auch die Umsetzungshindernisse einer Opportunität zu beurteilen.
Das Business Pivoting betrachtet das Geschäftsmodell und nimmt hier entsprechende experimentelle Anpassungen vor, um bereits vorhandene Opportunitäten im Markt nutzen zu können. Dabei kann es beim Business Pivoting im Startup-Unternehmen um Anpassungen in allen bekannten Canvas-Elementen des Geschäftsmodells gehen.
Dies kann im Startup- oder im jungen Wachstumsunternehmen dazu führen, dass das Business Pivoting zu einem einen radikalen Kurswechsel des Unternehmens führt, welcher sich in neuen Produkten, Prozessen oder Geschäftsmodellen zeigt. Genau diese Freiheit ist im Sanierungs- bzw. Restrukturierungsunternehmen aber in den meisten Fällen nicht mehr gegeben. Das Business Pivoting muss für diese Fälle angepasst werden.
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Business Pivoting in der Sanierung und Restrukturierung: Geschäftsmodellkern und Geschäftslogik im Fokus
Unsere Untersuchungen zu unseren verschiedenen Veröffentlichungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass etablierte Unternehmen häufig keine radikalen Veränderungen vornehmen können. Ganz im Gegenteil, radikale Veränderungen und deren Potenziale und Risiken müssen bei etablierten Unternehmen genau analysiert, da diese Unternehmen im Allgemeinen einige stabile und schwer veränderbare Elemente im Geschäftsmodellherausgebildet haben. Das ist in unseren Untersuchungen der Geschäftsmodellkern. Zudem hat sich im Laufe der Jahre eine Geschäftslogik entwickelt, die den Erfolg einmal maßgeblich geprägt hat.
Die Geschäftslogik beschreibt in einer meist einfachen Weise, wie die Elemente des Geschäftsmodellkerns sich gegenseitig verstärken und damit zu einer sich selbst verstärkenden eigendynamischen Logik führen. Unternehmen sind häufig auch deshalb in der Krise, da sie durch falsche Opportunitäten diese Geschäftslogik über die Jahre Schritt für Schritt gestört oder zerstört haben. Ein Beispiel hierfür ist zum Beispiel Walt Disney. Hier kann man die Zerstörung der Geschäftslogik in der Forschung gut nachvollziehen. Als Visualisierung für eine Geschäftslogik soll hier INTEL genannt und gezeigt werden.
Aus diesem Grund muss das Business Pivoting in der Restrukturierung diese Geschäftslogik wieder herausarbeiten und die vorhandenen Störfaktoren beseitigen. Das bedeutet ein aktives Adjustieren des Geschäftsmodells vom Beginn des Restrukturierungprojekts an und ist eben nicht mit der bekannten strategischen Neuausrichtung vergleichbar. Vielmehr muss das Business Pivoting gleichzeitig zu den ergebnis- und liquiditätssteigernden Maßnahmen durchgeführt werden und vor einer möglichen strategischen Neuausrichtung zum Abschluss gebracht werden. In dieser Phase kann man aber auch versuchen, die Eigendynamik der Geschäftslogik durch die Verbindung mit den Geschäftslogiken anderer Unternehmen zu stärken. Auch hier kann INTEL genannt werden, die die eigene Geschäftslogik mit der Geschäftslogik von Microsoft verbunden haben. Das Ergebnis war eine deutliche Volumensteigerung und eine Erhöhung der Verkaufszahlen. Das funktioniert aber nur, wenn man, wie in diesem Fall, als Krisenunternehmen noch etwas zu bieten hat. Hier ist es eben das Markenimage.
Für den Einsatz in der Restrukturierung muss das Business Pivoting angepasst werden
Das Business Pivoting muss für die Anwendung in Krisenunternehmen angepasst werden. Dies bedeutet, dass die Schwerpunkte im Sanierungs- und Restrukturierungsprozess angepasst werden müssen:
Business Pivoting als integraler Teil der Restrukturierung - von Beginn an
Das Business Pivoting hat sich als guter Ansatz bei Startup- und jungen Wachstumsunternehmen gezeigt. Auch in der klassischen Sanierung und Restrukturierung kann das Business Pivoting einen wesentlichen Beitrag leisten. Hierzu muss aber die schlechtere Ausgangsituation des Krisenunternehmens und dessen geringere Anpassungsfähigkeit berücksichtigt werden. Hier kann ein angepasstes Business Pivoting, welches auf den Geschäftsmodellkern und die Geschäftslogik fokussiert in unserem Verständnis einen herausragenden Beitrag leisten.
Ich freue mich, wenn Ihnen der kurze Beitrag eine Idee geben konnte. Gerne können wir uns aber auch in einem Online-Meeting zum Business Pivoting, dem Geschäftsmodellkern im Unternehmen und der Herausarbeitung der unternehmensspezifischen Geschäftslogik für Ihr Unternehmen austauschen. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.
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Senior Vice President Software & Systems bei IAV GmbH
2 JahreHallo Herr Prof. Eckert, das ist ein toller und nachhaltiger Ansatz, der kontinuierlich zu justieren ist: Die Geschäftslogik beschreibt in einer meist einfachen Weise, wie die Elemente des Geschäftsmodellkerns sich gegenseitig verstärken und damit zu einer sich selbst verstärkenden eigendynamischen Logik führen. Die selbsterfüllende Prophezeiung, zumindest ist man als Unternehmen so sehr gut aufgestellt, wenn man hartnäckig dran bleibt😊 Danke 👍