China erobert Südostasien, während Europa noch zögert
Südostasien entwickelt sich zunehmend zu einem strategisch bedeutsamen Markt für chinesische Automobilhersteller, insbesondere im Bereich der New Energy Vehicles (NEV, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben).
Auf der Automechanika Shanghai 2024 bot Lily Zhou, Research Analystin im Global Automotive & Transportation Research Team von Frost & Sullivan, tiefgehende Einblicke in die Trends, Chancen und Herausforderungen dieser dynamischen Region.
Mit Ländern wie Indonesien, Thailand, Malaysia, Vietnam und den Philippinen umfasst Südostasien einige der weltweit bevölkerungsreichsten und derzeit wirtschaftlich aufstrebenden Staaten. Diese Märkte locken mit wachsender Nachfrage nach umweltfreundlicher Mobilität und unterstützenden politischen Rahmenbedingungen.
Dynamische Exporttrends: Chinas Fokus auf Elektroautos
Zhou begann ihren Vortrag mit einer Analyse der Exporttrends chinesischer Automobilhersteller in den ersten drei Quartalen des Jahres. Dabei wurde deutlich, dass die strategische Ausrichtung zunehmend auf elektrifizierten Fahrzeugen (Elektroautos und Plug-in-Hybride) liegt. Während der Anteil der Exporte von Elektroautos nach Europa mit 39,5 Prozent am höchsten war, zeigte Südostasien einen starken Fokus auf elektrische Modelle mit einem Anteil von 57,7 Prozent. Der Verbrenner bleibt in dieser Region zwar relevant, verliert jedoch zunehmend an Bedeutung.
Interessant ist der Vergleich zu anderen Regionen: In Afrika dominieren nach wie vor Verbrenner mit einem Anteil von 93,7 Prozent, während Nord- und Südamerika mit Anteilen von 37,1 Prozent bzw. 28,1 Prozent an Elektroautos in einer Übergangsphase verharren – wenn man den Export aus China in diese Regionen betrachtet.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass Südostasien eine Vorreiterrolle in der Elektrifizierung der Mobilität in Schwellenländern einnehmen könnte – ein Markt mit hohen Potenzialen für chinesische Hersteller, die weltweit als Vorreiter im Bereich der Elektromobilität gelten.
Trends, die den Markt prägen
Laut Frost & Sullivan beeinflusst eine Vielzahl von aktuellen und aufkommenden Trends die Automobilmärkte in Südostasien. Besonders relevante Entwicklungen lassen sich in deren Betrachtungsweise „Hoher Einfluss bei hoher Gewissheit“ finden.
Zhou hob hervor, dass die Lokalisierung ein Schlüssel zum Erfolg ist. Hersteller, die in Südostasien Produktionsstätten aufbauen, profitieren nicht nur von niedrigeren Herstellungskosten, sondern auch von Steuererleichterungen und einem besseren Zugang zu lokalen Märkten.
Subventionen als Türöffner Südostasiens
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg in Südostasien sind die politischen Rahmenbedingungen. Regierungen in Ländern wie Indonesien und Thailand setzen auf umfassende Förderprogramme:
Diese Anreize machen die Region besonders attraktiv für chinesische Hersteller, die bereits mit flexiblen Strategien auf diese Märkte reagieren.
Strategien führender chinesischer Marken: Ausbau und Differenzierung
Die Strategien chinesischer Automobilhersteller in Südostasien zeigen deutlich, wie flexibel und zielgerichtet die Marken auf lokale Gegebenheiten reagieren.
SAIC (MG, Wuling): Lokale Produktion und Markenvielfalt SAIC verfolgt eine zweigleisige Strategie, die auf Plug-in-Hybride und reine Elektroautos ausgerichtet ist. Mit einer Kombination aus lokalen Produktionsstätten und effizientem Vertriebsnetzwerk passt sich SAIC den spezifischen Anforderungen in Thailand und Indonesien an. Der Fokus liegt darauf, Kosten durch lokale Montage zu senken, während gleichzeitig durch gezielte Marketingstrategien eine breite Zielgruppe erreicht wird. MG bedient dabei das Premiumsegment, während Wuling mit erschwinglicheren Modellen die Mittelklasse anspricht.
Great Wall Motors: Starke Markenpositionierung durch Differenzierung Great Wall Motors setzt auf eine klar definierte Markenstrategie: Während Haval robuste SUVs und Pick-ups anbietet, konzentriert sich Ora vollständig auf Elektroautos. Diese Differenzierung erlaubt es, verschiedene Kundengruppen gezielt anzusprechen. Besonders beeindruckend ist die Übernahme ehemaliger Produktionsstätten von General Motors in Thailand, was nicht nur Produktionskapazitäten sichert, sondern auch symbolisch für die langfristigen Ambitionen von Great Wall in der Region steht.
BYD: Expansion mit Fokus auf Elektromobilität BYD ist nicht nur ein führender Anbieter von Elektroautos, sondern bringt seine Expertise auch in den Bereichen elektrische Busse und Taxis ein. Dies stärkt die Marke in urbanen Zentren, die auf nachhaltige Mobilitätslösungen angewiesen sind. Die Entscheidung, Produktionskapazitäten in Thailand auszuweiten, unterstreicht das Engagement von BYD in der Region. Zudem wird die Marke durch Partnerschaften mit lokalen Vertriebshändlern gestärkt, was die Marktdurchdringung erleichtert.
Geely: Synergien durch Partnerschaften und lokale Anpassung Geely verfolgt eine hybride Strategie, die sowohl auf lokale Produktion als auch auf den Export aus China setzt. Die Übernahme von Proton in Malaysia stellt eine Schlüsselkomponente dar, um Zugang zu einem etablierten Vertriebsnetz und einer lokalen Fertigungsbasis zu erhalten. Geely kombiniert diese Synergien mit einer starken Präsenz in Indonesien und Thailand, um seine Position in der Region weiter auszubauen.
Erfolgsfaktoren der chinesischen Marken
Die erfolgreichen Strategien der chinesischen Hersteller beruhen auf mehreren Schlüsselfaktoren:
Südostasien: Wachstumsperspektiven und Zukunftsaussichten
Die Zukunft des Automobilmarktes in Südostasien wird stark von der Integration der Automobilwertschöpfungskette, strategischer Differenzierung und technologischen Innovationen geprägt. Die zunehmende Elektrifizierung bietet sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile. Gleichzeitig wird die Nachfrage nach intelligenten, vernetzten Fahrzeugen steigen, was weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung erforderlich macht.
Zhou wies darauf hin, dass chinesische Hersteller mit gezielten Branding-Strategien und einem Fokus auf die Transformation hin zu intelligenten Fahrzeugen ihre Position weiter stärken könnten. Südostasien bietet nicht nur eine wachsende Konsumentenschicht, sondern auch die Chance, als Exportdrehscheibe für andere Märkte zu dienen.
Südostasien stellt eine der vielversprechendsten Regionen für die Expansion chinesischer Automobilhersteller dar. Mit wachsender Unterstützung durch lokale Regierungen, einem zunehmenden Interesse an Elektromobilität und dem Potenzial für technologischen Fortschritt bietet die Region zahlreiche Chancen. Chinesische Hersteller, die frühzeitig auf Lokalisierung, technologische Innovation und eine starke Markenpräsenz setzen, können diese Märkte prägen und gleichzeitig von den geopolitischen und wirtschaftlichen Vorteilen profitieren. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um die Weichen für nachhaltigen Erfolg zu stellen.
Ausblick: Was Europa tun kann
Die Dynamik in Südostasien zeigt, dass ein schneller und strategischer Marktzugang entscheidend ist, um in aufstrebenden Märkten erfolgreich zu sein. Für europäische Hersteller könnte es lohnenswert sein, stärker auf eine Lokalisierung ihrer Produktion zu setzen und Partnerschaften mit Regierungen und lokalen Unternehmen einzugehen, ähnlich wie chinesische Marken dies vormachen. Dabei sollten sie ihre traditionellen Stärken – innovative Technologien, nachhaltige Mobilitätslösungen und Premium-Qualität – mit einer stärkeren Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse dieser Märkte kombinieren.
Zudem könnte Europa seine Position in der globalen Elektromobilität durch einen verstärkten Fokus auf kosteneffiziente Modelle und den Ausbau eines umfassenden Vertriebs- und Servicenetzwerks in aufstrebenden Regionen stärken. Die Kombination aus Innovation, lokaler Präsenz und einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie könnte nicht nur helfen, in Südostasien Fuß zu fassen, sondern auch global wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der Artikel ist am 04.12.2024 bereits auf Elektroauto-News erschienen / Copyright Titelfoto: Holger Kleine / Shutterstock
🇨🇳 丹尼尔 🚀 Communications & Marketing Leader 🤖 Robotics, AI 🥇 BdKom LG Bayern, HubSpot, ESG and China Expert
1 MonatIch glaube nicht, dass Europa zögert. Europa hat einfach kein attraktives Angebot für den Markt.
Sales Manager
1 MonatWie kann das sein Deutschland kann doch nicht die Welt retten. Oder muß irgendwann die Welt Deutschland retten. (toller Beitrag Sebastian)
Die Steinzeit ging nicht zu Ende weil es keine Steine mehr gab! Management I Moderation I Keynotes I Network I Transformation I Contentcreation I Videoproduktion I Motorsport
1 MonatIch schau´zu Sebastian Henßler der mich nach der Atacama nun in den fernen Osten mitnimmt:)