6. Türchen - Clean Core: Was es ist, warum es wichtig ist und wie Sie dorthin gelangen

6. Türchen - Clean Core: Was es ist, warum es wichtig ist und wie Sie dorthin gelangen

In der heutigen digitalen Landschaft ist für Unternehmen eine flexible, leistungsstarke und wartungsfreundliche IT-Architektur entscheidend. Ein zentraler Ansatz in diesem Zusammenhang ist der sogenannte "Clean Core" in SAP-Systemen. Der SAP Clean Core beschreibt ein System, das möglichst frei von individuellen, kundenspezifischen Modifikationen im Kern bleibt. Durch den Verzicht auf tiefgreifende Anpassungen können Unternehmen ihr SAP-System leichter aktualisieren, optimieren und sicherstellen, dass die Innovationen von SAP ohne grossen Aufwand integriert werden können. Ein sauberer Kern ist besonders wichtig, um die Flexibilität und Agilität der IT zu gewährleisten, die Betriebskosten zu senken und die Anpassungsfähigkeit an künftige Entwicklungen sicherzustellen.

Die 5 Dimensionen von SAP Clean Core

Um den Clean Core umzusetzen und nachhaltig zu gestalten, werden hauptsächlich fünf Dimensionen betrachtet: Prozesse, Daten, Erweiterungen, Integrationen und der Betrieb. Auf diese gehe ich im Folgenden genauer ein.

 


Abbildung 1: Die 5 Dimensionen von Clean Core

 

Daten

Ein zentraler Bestandteil von Clean Core ist die Datenstrategie. Daten müssen klar strukturiert und standardisiert sein, um eine harmonisierte Datenbasis im gesamten Unternehmen zu gewährleisten. Dies umfasst die Definition von Datenmodellen und -standards, die Vereinheitlichung von Stammdaten und die Nutzung von SAP-integrierten Datenverwaltungsfunktionen. Eine saubere Datenbasis fördert die Effizienz, verbessert die Datenqualität und unterstützt datengetriebene Entscheidungen.

Tools wie SAP Master Data Governance schaffen ein einheitliches Stammdatenmanagement und verbessern die Datengenauigkeit. SAP Datasphere vereinfacht den Datenzugriff in hybriden und Cloud-Umgebungen und bewahrt dabei die geschäftliche Semantik der SAP-Daten. Dies sichert verlässliche Daten für fundierte Entscheidungen und strategische Planung. In Kombination mit der SAP Analytics Cloud unterstützt dieser Ansatz datenbasierte und operative Geschäftsentscheidungen.

 

Prozesse und Integration

Standardisierte Prozesse sind das Herzstück eines stabilen SAP-Kerns. Durch die Verwendung von Best-Practices und vorkonfigurierten Prozessen von SAP können Unternehmen ihre Abläufe optimieren, ohne den Kern des Systems zu modifizieren. Ein standardisierter Ansatz führt zu einer konsistenten und gut dokumentierten Prozesslandschaft, die sich bei Bedarf leicht skalieren oder anpassen lässt.

Um Geschäftsprozesse reibungslos von Anfang bis Ende abzuwickeln, ist die Integration verschiedener IT-Lösungsbausteine unverzichtbar. Der Clean-Core-Ansatz setzt dabei auf die von SAP bereitgestellten Standardintegrationsszenarien. Diese Szenarien sind darauf ausgelegt, umfassende Geschäftsprozesse mit vorkonfigurierten Best-Practice-Inhalten abzubilden und moderne Integrationstechnologien wie OData, SOAP oder Events zu nutzen.

Die Umsetzung einer Clean-Core-Strategie bedeutet, dass Organisationen ihre individuellen Integrationsanforderungen auf den Standardintegrationsszenarien und APIs von SAP basieren sollten. Unabhängig davon, ob die SAP-Standardintegrationen genutzt oder eigene Integrationen erstellt werden, ist die SAP Integration Suite auf der SAP Business Technology Platform (BTP) das empfohlene Tool.

Betrieb

Im Rahmen der Clean-Core-Dimensionen lässt sich das Betriebsmanagement in zwei zentrale Ziele gliedern: Zum einen ist es wichtig, dass der Kern möglichst bereinigt wird, gleichzeitig muss aber auch sichergestellt werden, dass ein bereinigter Kern auch beibehalten wird. Dies kann nur erreicht werden mit einer strengen Governance und der Anwendung von Best-Practices und gängigen Standards.

Erweiterungen


Im Mittelpunkt von Clean Core stehen jedoch fast immer die Erweiterungen, die mit ABAP in ERP-System implementiert wurden. Dies umfasst Modifikationen und Erweiterungen über entsprechende Konzepte aber auch eigenständige Entwicklungen wie beispielsweise Reports. Die Architektur des ABAP-Stacks bietet heute fast uneingeschränkte (und auch unkontrollierte) Möglichkeiten, was sich negativ auf die Upgrade-Fähigkeit von ERP-Systemen auswirken kann und zu einem nicht unerheblichen Mehraufwand bei jedem Upgrade führt. Im schlechtesten Fall führt ein Upgrade dazu, dass Erweiterungen oder sogar der SAP Standard nicht mehr wie erwartet funktionieren.

Um dem entgegenzuwirken, stellt SAP verschiedene Werkzeuge und auch das neue ABAP Programmiermodell «ABAP Cloud» bereit. In mehreren Fiori Apps, den sogenannten Key-User-Tools, können einfache Erweiterungen vorgenommen werden, die dem Clean-Core-Konzept entsprechen. Diese umfassen unter anderem Werkzeuge für die Anlage von kundenspezifischen Feldern (inkl. der Aktivierung für verschiedene Apps, Formulare, APIs und weitere), eine App für die Implementierung von einfacher Business-Logik (z. B. Validierungen), sowie die UI-Adaption, mit der Fiori-Anwendung nach Belieben und rollenspezifisch angepasst werden können. Dies ist grundsätzlich der präferierte Ansatz für Erweiterung im ERP-Stack.

Mit ABAP Cloud ist zudem eine neue ABAP-Sprachversion verfügbar, die für SAP S/4HANA Cloud Private Edition und On-Premise-Systeme seit dem Release 2022 bereitgestellt wird. Diese neue Sprachversion kann selektiv aktiviert werden, sodass bestehender Legacy Code weiterhin im klassischen ABAP betrieben und gewartet, Neuentwicklung hingegen bereits mit dem Clean-Core-Ansatz entwickelt werden können.

Mit ABAP Cloud wird das neue ABAP RESTful Programmiermodell eingeführt und verschiedene veraltete Technologien und Sprachkonstrukte entfernt. Dies betrifft insbesondere die UI-Technologien, denn mit dem Clean Core Ansatz existieren keine klassischen Dynpros und Reports mehr, sondern nur noch webbasierte Fiori Apps. Die wesentlichste Neuerung betrifft jedoch den Zugriff auf technische SAP-Objekte, wie z. B. Tabellen oder Klassen. Dieser ist mit ABAP Cloud nur noch möglich, wenn SAP die Objekte auch explizit für den Zugriff freigegeben hat. Mit der expliziten Freigabe stellt SAP sicher, dass die Schnittstellen der Objekte jederzeit stabil bleiben und bei einem Upgrade nicht zu Inkompatibilitäten führen. Die Kehrseite davon ist offensichtlich. Trotz der stetig wachsenden Zahl freigegebener Objekte, gibt es immer noch Objekte, die mit ABAP Cloud (noch) nicht adressiert werden dürfen. Hier sieht SAP ein klares Vorgehen vor, indem der Kern der Entwicklung mit ABAP Cloud und der Zugriff auf nicht freigegebene Objekte mit klassischem ABAP implementiert wird. 

Das 3-Tier-Modell teilt die Erweiterungen in drei Bereiche. Im ersten Bereich befinden sich Erweiterungen, die dem Clean-Core-Konzept entsprechen, während sich im dritten Tier der klassische ABAP-Code befindet, der angepasst, entfernt oder renoviert wird. Der zweite Tier wird ausschliesslich genutzt, um Clean Core mit Hilfe von Objekthüllen zu ermöglichen, indem primär im Tier 1 entwickelt und bei Bedarf der Zugriff auf nicht freigegebene Objekte über den Tier 2 erfolgt.

Mit der SAP Business Technology Platform steht dem ERP-System zudem eine starke Technologie- und Innovationsplattform zur Seite. Bei der Entwicklung von kompletten Anwendungen ist mit dem Clean-Core-Ansatz die BTP die präferierte Entwicklungsplattform, da damit die Entwicklungen vom Core vollständig entkoppelt werden und der Datenaustausch ausschliesslich auf freigegebenen APIs basiert. Die Option, komplette Apps On-Stack zu implementieren, steht mit ABAP Cloud weiterhin zur Verfügung und wird notwendig, wenn zum Beispiel Transaktionssicherheit gewährleistet sein muss oder die Anwendung mit grossen Datenvolumen umgangen werden muss.

Clean Core als Strategie

Die Erreichung von Clean Core Zielen ist nicht von heute auf morgen möglich. Eine Clean-Core-Strategie zielt darauf ab, ein möglichst „sauberes“ SAP-System zu entwickeln und langfristig beizubehalten. Die Strategie umfasst den Übergang von stark modifizierten On-Premise-Systemen hin zu einer modularen und cloud-basierten Architektur, bei der Anpassungen auf den Randbereichen erfolgen und nicht den Kern betreffen. Wichtig ist dabei, dass bereits jetzt Neuentwicklung einer solche Strategie folgen, um den Kern nicht noch mehr zu belasten. Eine gründliche Überprüfung der aktuellen Modifikationen und Eigenentwicklungen kann helfen, um deren Notwendigkeit und Nutzen zu bewerten und daraus eine Roadmap abzuleiten.

Für die strategische Umsetzung von Clean Core sind die 3 nachfolgenden Punkte wesentlich.

Vision und Zielsetzung festlegen Im Zentrum stehen eine klare Vision und Zielsetzung für einen Clean Core, die alle Stakeholder im Unternehmen verstehen und unterstützen. Setzen Sie das Ziel, den SAP-Core sauber, flexibel und zukunftssicher zu halten, um Innovationen und Updates problemlos integrieren zu können.

Roadmap und Governance etablieren Erstellen Sie eine Roadmap mit klaren Meilensteinen für die Transformation hin zum Clean Core. Etablieren Sie ein Governance-Modell, das definiert, wann Custom Code zulässig ist und welche Technologien für Erweiterungen genutzt werden sollen. Dies hilft, Eigenentwicklungen zu minimieren und den Kern von unnötigen Anpassungen freizuhalten.

Moderne Entwicklungsstrategie  Setzen Sie auf eine Cloud-First- und Side-by-Side-Architektur über SAP BTP, um Erweiterungen ausserhalb des SAP-Kerns umzusetzen und diesen stabil zu halten. Nutzen Sie vorrangig SAP-Standardlösungen und APIs, um Anforderungen zu erfüllen und den Kern zu entlasten. Verwenden Sie im Core primär die Key-User-Tools und stellen Sie sicher, dass alle Anpassungen den Clean-Core-Prinzipien entsprechen und zukunftssicher sind.

Clean Core bietet Unternehmen die Chance, ihre Systeme schlank, wartbar und innovationsfreundlich zu gestalten. Durch einen klaren Fokus auf Standardisierung und Cloud-basierte Erweiterung kann die Agilität und Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichergestellt werden.

Wir unterstützen Sie gerne mit unseren Core- und Cloud-Teams auf Ihrem Weg zu Clean Core.

 

Roland Angst

Account Management I RISE with SAP I SAP BTP I Business Transformation

1 Monat

Sehr interessanter Beitrag zum Clean-Core-Ansatz in SAP-Systemen! Es ist definitiv wichtig, den Kern des Systems möglichst frei von individuellen Anpassungen zu halten, um die Flexibilität und Agilität der IT zu gewährleisten und die Betriebskosten zu senken. Besonders die Datenstrategie spielt dabei eine wichtige Rolle, um eine harmonisierte Datenbasis im gesamten Unternehmen zu gewährleisten und datengetriebene Entscheidungen zu unterstützen. Auch die Verwendung von Best-Practices und vorkonfigurierten Prozessen von SAP ist ein wichtiger Faktor, um eine konsistente und gut dokumentierte Prozesslandschaft zu schaffen. Die neuen Werkzeuge und das ABAP-Programmiermodell ABAP Cloud" sind ebenfalls vielversprechend, um Erweiterungen im ERP-Stack entsprechend dem Clean

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