CO2-Gesetz-Abstimmung: die Edelweiss wichtiger als das Edelweiss?
Ging es nur mir so? Ich habe mir zunehmend verwundert die Augen gerieben, worum es im Abstimmungskampf zum CO2-Gesetz ging (was macht das CO2-Gesetz mit meinem Portemonnaie?) und worum nicht (was macht das CO2-Gesetz mit unserem Klima?). Das beschäftigt mich. Inspiriert hat mich dabei dieser Artikel:
Wie konnte es dazu kommen, dass im Abstimmungskampf die egoistisch-ökonomischen Werte (auch «extrinsisch» genannt) so im Vordergrund standen und vielleicht matchentscheidend waren? Weil wir Menschen halt so sind? – Wer das glaubt, dem empfehle ich dringend die Lektüre von «Im Grunde gut» von Rutger Bregmann (das empfehle ich sowieso 😉). Dieses Menschenbild ist zwar verbreitet aber nicht zutreffend. Oder weil nun mal in diesem spezifischen Abstimmungskampf vor allem die extrinsischen Werte die relevanten waren? Aber warum war das so? Warum ging es kaum um die Lebenschancen künftiger Generationen? den Schutz für klimabedrohte Arten? die Verbundenheit zur Natur? – die sogenannten intrinsischen Werte. Kurz: Warum war die Edelweiss (Umsatz bedroht von der Flugticketabgabe) wichtiger als das Edelweiss (Lebensraum bedroht von der Erderhitzung)?
An der ursprünglichen Ausrichtung der Ja-Kampagne hat es nicht gelegen. Anders als noch bei der Energiestrategie 2050 («Geld bleibt hier») hat sie sich primär den intrinsischen Motiven verschrieben. Drei von vier Botschaften stellen klar altruistische Werte in den Mittelpunkt: «Gemeinwohl steht über Sonderinteressen: Wir handeln gemeinsam und fair. Saubere Luft, weniger Lärm: Klimaschutz ist gut für unsere Gesundheit. Wir übernehmen Verantwortung für die künftigen Generationen.» Lag es gar daran? Haben wir damit die entscheidende Flanke offen gelassen? War das naiv?
Oder war das Kind schon in den Brunnen gefallen? Haben Kampagnen wie jene zur Energiestrategie 2050 erst den Boden bereitet dafür, dass die Gesellschaft heute schamlos alles in ökonomischen Kategorien bewerten darf – wenn ja selbst die Umweltverbände es tun? Jedenfalls scheint es gesellschaftlich völlig akzeptabel zu sein: Anstatt endlich erwachsen zu handeln und uns um den Dreck zu kümmern, den wir verursachen, fragen wir mit kindlicher Empörung, ob wir dann vielleicht weniger von dem Zeug kaufen können, das den Dreck verursacht. Dieser egozentrierte Aufschrei wird von den Medien gepampert und zum angemessenen Massstab für gute vs. schlechte Politik gemacht. (Um soziale Gerechtigkeit geht es dabei nur vordergründig, denn nur in wenigen Fällen hätten die vorgesehenen Massnahmen sozial schwächere tatsächlich stärker getroffen.)
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Egal, was die Umweltorganisationen dazu beigetragen haben, dass es primär ums Geld ging. Sobald einzig die Frage zählt, wieviel Geld jede/r einzelne von uns noch im Portemonnaie haben wird, haben wir sowieso keine Chance, die Deutungshoheit zu behalten. Unserer Behauptung, es bleibe am Ende für die meisten mehr auf dem Konto, wird vermutlich nie so viel Glaubwürdigkeit zugeschrieben wie der Klage der selbsternannten Anwälte des kleinen Mannes, dass künftig nur noch Reiche Auto fahren könnten (was ja global längst der Fall ist: in Äthiopien kann sich nicht mal einer von 1’000 Menschen (!) überhaupt ein Auto leisten). Deshalb hat es auch nichts gebracht, auf das Agenda-Setting der Gegenseite zu reagieren und im Kampagnenverlauf notgedrungen mit ökonomischen Werten zu argumentieren. Dieser Kampf war verloren, sobald wir den Boxring betreten hatten.
Es sind viele Gefühle zu fühlen (Wut, Trauer, Ohnmacht…), Analysen zu machen, Schlussfolgerungen zu ziehen. Eine davon lautet für mich: Das Kampagnen-Narrativ derer, die sich für Umweltschutz, Generationengerechtigkeit und Miteinander einsetzen, nicht auf extrinsisch-ökonomische Motive umstellen, bloss weil die Gegenseite damit erfolgreich war. Denn das würde dieser einseitigen Wertsetzung noch viel mehr gesellschaftliche Legitimation geben – wie mehrfach theoretisch hergeleitet und empirische belegt (siehe unten). Sondern beim nächsten Mal dem «Mein Geld soll hier (in meinem Portemonnaie) bleiben» der Gegenseite zum Beispiel ein selbstbewusstes «Edelweiss ist wichtiger als Edelweiss» entgegenstellen. Selbst wenn wir nicht sicher sein können, ob die Menschen dann mehrheitlich dafür empfänglich sind, legt es doch den Boden dafür, dass sie es einmal sein werden. Denn letztlich lassen wir uns alle von der Verbundenheit zu Natur und Kindern mehr berühren als von der Kreditkarte. Wenn das nicht so wäre, gäbe es sowieso keinen Grund zur Hoffnung mehr.
#CO2Gesetz
Mach mehr aus deiner Energie.
3 JahreAuch ich wundere mich noch heute darüber, wie man sich um Benzinpreis-Rappen und Abgaben auf viel zu billigen Flugtickets streiten kann, während der Dreck aus dem Verkehr die Zukunftsperspektiven unserer Kinder und Enkel verdüstert. Trotzdem zweifle auch ich nicht am guten Willen der Menschen, sondern nur am menschlichen Verstand. Der scheint aus prähistorischen Gründen so konditioniert zu sein, dass kurzfristige Verluste Panik auslösen. Heute bezahlen, um später etwas zurückzubekommen? Geht gar nicht. Unvorstellbar! Wer weiss, ob wir das noch erleben? Vielleicht müsste man da den Mechanismus ändern und den Menschen die Rückerstattung schon vorab aufs Konto überweisen. – Hier ist das Klimageld für Ihre Familie. Kaufen Sie sich damit Benzin fürs Wohnmobil, ein Flugticket nach Barcelona, eine Ladestation fürs E-Auto oder zwei Photovoltaik-Panels auf einem Stausee (jetzt Aktion!) ... Die Steuern bleiben unverändert, denn wir finanzieren das aus der CO2-Abgabe. Wir können die Menschen nicht ändern. Aber wir können ihnen sicher Angebote machen, die in ihrer Wahrnehmung deutlich motivierender aussehen.