„Constellatory Delivery“: Die Zukunft der Zustellung
In allen Lebensbereichen verbreitert und vertieft sich das Angebot: Mehr Sorten, mehr Varianten, mehr Größen, mehr zielgruppenspezifische Ausgestaltung. Bei Lebensmitteln. Bei Automobilen. Bei Abendveranstaltungen. Bei sozialen Netzwerken. Überhaupt. Wie sieht es in der Warenzustellung aus? Nun, in der ökonomischen Verkehrswissenschaft (die volkswirtschaftliche Betrachtungsseite von Mobilität & Logistik) steht oft der „Modal Split“ im Mittelpunkt. Damit ist gemeint, in welchem Umfang die unterschiedlichen Verkehrswege Schiene, Straße, Wasser, Luft ggf. auch in Untergruppen (Fahrrad, Auto, LKW), genutzt werden. Stadtplaner argumentieren jenseits gängiger digitaler Inspiration so mit Einfahrverboten, fixen Zonenplänen oder pauschaler Parkraumverknappung. Die einzelwirtschaftlich (betriebswirtschaftlich) ausgeprägte Verkehrswirtschaft hat in den letzten Dekaden mit dazu beigetragen, dass die Anbieter von Mobilitäts- und Logistikdienstleistungen an Effizienz gewinnen konnten. Stichworte sind „just in time“, „Logistik statt Transport“ usw. Aber: Die letzte Meile zum Kunden ist fast noch immer wie 1955. Die Alternativen lauten: A - Selber einkaufen im Laden und die Ware nach Hause bringen, B - Selber einkaufen im Katalog oder seit 1995 dem Internet und sich die Ware per Paket schicken lassen. Ok: Es gibt noch C - Mutti/Papi, Freund/in bringen es mir. Dennoch: A und B sind die Hauptalternativen.
So wird es nicht bleiben. Auch die „letzte Meile zum Kunden“ hat bereits begonnen, sich massiv zu verändern.
Die Differenzierung zwischen A und B (holen oder bringen lassen) ist schon durch Paketstationen leicht aufgehoben. Da wird hingebracht und abgeholt. Auch ist es möglich, die Ware online zu bestellen und am POS abzuholen. Oder umgekehrt: Wenn die gewünschte Ware im POS nicht verfügbar ist, führt ein guter Verkäufer mit dem Kunden die Online-Bestellung beratend im Geschäft aus, kassiert sofort und der Kunde erhält das Päckchen per Post. D.h. hier findet eine Kombination bestehender Verfahren statt, um die für den Kunden nach den Gesichtspunkten Zeit, Weg, Menge, Preis, Qualität optimierte Variante der Zustellung anzubieten. Doch es geht weiter. Die oben genannte Variante C („Mutti/Papi, Freund/in, usw.) könnte von der Crowd übernommen werden. Kürzlich hörte ich einen Verbandsvertreter der Paketzusteller sagen, eine „Frau, die ihr Brautkleid transportiert haben möchte, will doch sicher wissen, wer das macht. Und deshalb muss es häufig doch ein bekannter Marken-Paketzusteller sein.“ So ein Quatsch. Hat der Mann überhaupt schon einmal Uber ausprobiert? Sicher nicht. Sonst wüsste er, dass mit solchen Verfahren jeder im Vorfeld schon sieht, wer ihn transportieren wird. Welches Auto/Transportmittel er einsetzt. Wo er sich gerade befindet. In wieviel Minuten er mich zum Transport übernehmen wird. Sein Foto. Sein KFZ-Kennzeichen. Seine Anzahl bisher durchgeführter Transporte. Seine Bewertungen der letzten Jahre. Und da soll ich als Kunde noch „Taxiruf“ oder bei der Warenzustellung „DHL/UPS/Hermes/usw.“ bevorzugen? Nö. Vermutlich werden diese Unternehmen z.T. weiter bestehen. Ggf. in der Nische. Oder im Long-Distance Bereich. Aber selbst dort tauchen zunehmend clevere Intermediäre auf, die das Containerdistanzgeschäft als Agentur durchführen. Doch zurück zur Frage, wie ich meine Ware in der Zukunft erhalte. Die Differenzierung geht noch weiter. Zauberwort: 3D Printing. Warum muss Ware überhaupt noch als Ganzes zum Kunden transportiert werden? Dann ordere ich mir nur den Bauplan online und mein 3D Drucker zuhause oder der 3D Drucker im Shop unten an der Ecke stellt mir die Ware frisch, customized und genau zu dem Zeitpunkt (Abendessen) oder an dem Ort (Drive-In Geschenkabholservice bevor ich zur Einladung gehe) zur Verfügung. Auch die Mengen könnten anders gestaltet sein. Private Einkaufsgenossenschaften pro Transaktion erhalten größere Mengen und verteilen unter sich weiter. Zwischendienstleister veredeln oder kombinieren die Ware. Es müssen ja nicht Wertschöpfungsketten immer nur entfallen. Ich bin überzeugt davon, dass aufgrund der zunehmenden Komplexität und individueller Anforderungen neue Wertschöpfungseinheiten entstehen. Die Zukunft der Zustellung ist individuell. Mit X-Alternativen. Je nach benötigter Konstellation. Jeder erhält und bezahlt die Art der Zustellung, die sich nach ändernder Anforderung bei Zeit, Ort, Kosten, Qualität, Menge, usw. einzelfallbezogen lohnt. Es wird in der Zukunft der Zustellung, wie in anderen Lebensbereichen schon geschehen, nach Einzelbedarf mehr Varianten, mehr Sorten, mehr Größen und mehr zielgruppenspezifische Leistungen geben: Eben „Constellatory Delivery“.