„Copy paste“ ist kein Geschäftsmodell
Der Chatbot ChatGPT gilt als „Game Changer“ im Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. Künftig soll die künstliche Intelligenz auch im Kommunikationsbereich zum Einsatz kommen. Dabei wird gerne vergessen: Maschinen können Expert*innen ergänzen – aber niemals ersetzen.
Hinweis: Dieser Text wurde von einem Menschen geschrieben.
Doch, wirklich.
Dieser Tage fühlt man sich fast dazu verpflichtet, Texte mit derartigen Hinweisen zu versehen. Der Grund ist die derzeit omnipräsente Künstliche Intelligenz (KI) namens ChatGPT. Egal wie erfolgreich das Programm zukünftig werden wird, einen Rekord hat es jetzt schon aufgestellt: Nie zuvor übersprang eine digitale Innovation in so kurzer Zeit die Grenze von 100 Millionen Nutzer*innen – und es werden täglich mehr.
Nicht nur, weil sich inzwischen Student*innen für ihre Abschlussarbeiten mehr oder weniger heimlich der Software bedienen. Die Investmentbank Morgan Stanley nutzt es für ihre Vermögensberatung, die Online-Lernplattform Khan Academy für einen virtuellen Tutor. Der langjährige Google-Chef Eric Schmidt verglich ChatGPT neulich in einem Gastbeitrag für das „Wall Street Journal“ schon mit der Erfindung des Buchdrucks. Andere warnen davor, dass gewisse Routinejobs nun noch stärker vom Aussterben bedroht sind.
In gewissen Bereichen mag das zutreffen. ChatGPT ist bereits heute ziemlich gut darin, Nachrichtenartikel zu analysieren, Bücher zusammenzufassen oder Fragen zu allen möglichen Themen zu beantworten.
Da klingt es ziemlich verlockend, die KI auch im Kommunikationsbereich einzusetzen. Einschlägige Fachmagazine frohlocken bereits, dass ChatGPT Pressemitteilungen und Reden schreibt, Marktforschung betreibt, Baumdiagramme entwirft und Tabellen zeichnen könne.
Das ist einerseits sehr beeindruckend, andererseits aber vor allem eines: schrecklich unoriginell.
Sicher, die Dampfmaschine hat während der Industriellen Revolution Muskelkraft ersetzt. ChatGPT allerdings wird das Denken niemals komplett ersetzen – sondern immer nur ergänzen. Das zeigt auch der jüngst vorgestellte Copilot von Microsoft, der Open AIs Software direkt in Office 365 integriert. Damit sollen sich mit wenigen Befehlen PowerPoint-Präsentationen oder Excel- Analysen erstellen lassen. Wie der Name des Programms suggeriert, bleibt jedoch der Mensch, der die Befehle und somit Ideen gibt, der Pilot. Denn mit schlechten Ideen kann keine noch so gute KI brauchbare Ergebnisse liefern.
Empfohlen von LinkedIn
Wer körperliche Schmerzen empfindet, kann ChatGPT nach den Symptomen fragen. Früher oder später wird man um den Besuch beim Arzt oder der Ärztin aber nicht herumkommen. Und wer juristischen Rat braucht, kann ChatGPT nach den entsprechenden Gesetzespassagen befragen. Doch Vorsicht: Die KI hat schon beeindruckend klingende Gerichtsfälle zitiert – mit dem Haken, dass diese Fälle komplett erfunden waren. Vor Gericht sollte man daher immer noch auf anwaltliche Beratung bauen.
Und wer erfolgreich kommunizieren will, wird auch weiter auf menschliche Expertise setzen. Denn das erfordert heute mehr als nachdenkliche Selfies mit inspirierenden Texten bei LinkedIn. Es erfordert, sich immer wieder zu hinterfragen und nachzujustieren; Demut, Empathie und die Fähigkeit zur Selbstreflexion zu beweisen; das Richtige zu tun, auch wenn es nach der offiziellen Lesart das Falsche ist (oder das vermeintlich Falsche zu tun, auch wenn es nicht das Richtige ist).
Natürlich wird ChatGPT dabei helfen, Schreibhürden zu überwinden und Denkblockaden zu lösen. Solange aber Texte noch live zu Menschen in Präsenz gesprochen werden, braucht es Wesen, die die Gefühle des Publikums nachfühlen können. Die richtigen Worte, genauso zusammengesetzt, dass sie Menschen tangieren, motivieren oder inspirieren, erfordert Sinne, die ChatGPT niemals haben wird.
Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, sondern meistens grau. So liegt die Wahrheit selten am Rand, auch nicht in der viel zitierten Mitte, sondern sehr nah links oder rechts daneben. Die Mitte wäre für KI kaum ein Problem, die kleine asymmetrische Verschiebung aber schon.
Deshalb kann ChatGPT Kommunikation in vielen Bereichen zwar komplementieren, aber eben nicht substituieren.
Kaum jemand hat das so offen und ehrlich formuliert wie der Aufsichtsratschef des ChatGPT-Programmierers OpenAI: „Natürlich handelt es sich um eine Disruption, also fallen einige Arbeitsplätze weg und andere entstehen neu“, sagte Greg Brockman gegenüber der New York Times, „aber unter dem Strich wird dadurch die Eintrittsbarriere sinken und die Produktivität der Experten steigen.“
Oder anders: Wenn eine Idee nicht nützlicher, klüger oder dringlicher ist als das, was ChatGPT in weniger als zwei Sekunden erstellen kann, sollten wir niemanden damit belästigen.
Jede neue Technologie trägt anfangs dazu bei, menschliche Arbeit zu erleichtern. Darauf kann es nur eine Reaktion geben: Die menschliche Arbeit muss umso besser werden. „Copy paste“ war noch nie ein Geschäftsmodell – heute mehr denn je.
Umtriebig trotz Ruhestand - Generalsekretär i.R. / Senatsdirektor i.R.
1 JahrIn der Recherche könnte ChatGTP/KI durchaus Arbeitsplätze gefährden, z.B. im Anwaltsbereich, v.a.was die Aufbereitung der Regel betrifft. Das Denken ‚out of the box‘, das Finden der Ausnahme bedarf dann aber wohl des menschlichen Gehirns.
Founder and Managing Director bei Spies PPP
1 JahrReflektiert und nachdenklich- Danke Michael