Corona-Krise: Stresstest für die Business Continuity in der Telekommunikation
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Corona-Krise: Stresstest für die Business Continuity in der Telekommunikation

Wie sieht die Welt von morgen aus? Normalerweise konnten wir das mit großer Sicherheit sagen: Marktstudien, Trendanalysen, Business Forecasts haben uns in der Vergangenheit geleitet und die Richtung zur Entscheidungsfindung ermöglicht. Seit dieser Woche herrscht im gesamten deutschen, europäischen und weltweiten Raum die Unsicherheit, was mit unserer Wirtschaft in den kommenden Monaten passiert und wie stark die Auswirkungen auf die kommenden Jahre sind. Corona (Covid-19) bedroht nicht nur massiv unsere Gesundheit, sondern hat enorme Auswirkungen auf die Business Continuity[*].

Durch die Infrastruktur merken wir heute, wie wichtig es ist, eine stabile Konnektivität zu haben: Home-Office ermöglicht uns allen die Fortführung der Geschäftstätigkeit, die Steuerung und Überwachung digitaler Prozesse, Informationsflüsse und vieles mehr.

Telekommunikationsunternehmen sind darin geübt. Aber wie geht es dabei den Netzbetreibern selbst? Was passiert, wenn wir zusätzlich auch noch Netzstörungen hätten?

Eine reguläre Business Continuity Checkliste beinhaltet folgende Fragestellungen:

  • Werden geschäftskritische Prozesse weiter fortgeführt?
  • Ist bei einem Netz- oder Systemausfall eine Remote-Reparatur möglich?
  • Wenn kritische Geschäftskunden vom Netzausfall betroffen sind, kann der Betrieb zeitnah wiederhergestellt werden, ohne einen signifikanten Schaden zu erzeugen?

Für die Telekommunikation sind das Standardszenarien, welche regelmäßig innerhalb des Business Continuity Managements geübt werden. Allerdings stellt uns „Corona“ vor die Herausforderung, dass wir nicht wissen, wie lange der Krisenmodus andauern wird und wie lange eine reibungslose Geschäftsfortführung unter den Pandemie-Bedingungen möglich ist.

Dies sind die 6 zentralen Herausforderungen für Telekommunikationsunternehmen in der Corona-Krise

  1. Es besteht keine Verpflichtung eine gesonderte Business Continuity Management Organisation (eigenes Team) im Unternehmen zu haben. Die benötigten Kompetenzen können den operativen Teams zugeordnet werden. Potenzielles Risiko: Im Falle eines personellen Engpasses reicht die BCM und Krisenmanagement Expertise nicht aus.
  2. Es besteht keine Verpflichtung, eine bestimmte Struktur und Prozesse innerhalb des Unternehmens einzuhalten. Es werden lediglich Empfehlungen der internationalen Standardisierungsorganisationen ausgesprochen. Potenzielles Risiko: Unternehmenskritische Ressourcen werden nicht rechtzeitig identifiziert und auch nicht ausreichend geschützt.
  3. Der wichtigste Grundsatz besteht darin, dass das Top Management zu jeder Zeit verpflichtet ist, Business Continuity im Unternehmen sicherzustellen. Das bedeutet, dass die Vorarbeit für ein effektives BCM auch in der Verantwortung des Top Managements liegt. Dem entsprechend müssen die Prioritäten neben dem Tagesgeschäft auf eine hohe Wirksamkeit des BCM-Rahmens ausgerichtet sein. Potenzielles Risiko: Auf Grund der seltenen Aufmerksamkeit des Managements fehlt die BCM operative Organisation gänzlich oder sie wird stiefmütterlich behandelt. Viele Guidelines werden dokumentiert, welche in der Praxis aber untauglich sind. Das bemerkt man im Krisen- oder Notfall sofort daran, dass zunächst die Kommunikationsflüsse nicht richtig funktionieren sowie eine Panik und Chaos entstehen. Entscheidungen werden hierbei nicht konsequent und schnell genug getroffen. Zu beachten: Die Geschäftsführung eines Unternehmens ist nicht automatisch darauf vorbereitet, eine Krise zu leiten. Dies ist die Rolle eines Krisenstabs (das Prinzip der sog. Segregation of Duties), an dem auch die Geschäftsführer teilnehmen.
  4. Es gibt einen empfohlenen Katalog über Notfall- und Krisenfälle, welche in den Scope des Business Continuity Managements fallen, wie beispielhaft der Ausfall kritischer IT-Systeme, Netzelemente, Gebäude, Lieferanten, Personen, Brandfall, Naturkatastrophen, Pandemien etc. Hierfür bereiten die Unternehmen die BCM und Krisenpläne auf. Häufig sind BCM Pläne eindimensional gestaltet und fokussieren sich nur auf ein Problem. Potenzielles Risiko: In der Realität können mehrere Notfälle gleichzeitig eintreten. Dabei fehlen die Ressourcen und Prozesse für deren Wiederherstellung oder sie sind nicht gut auf einander synchronisiert, um die Wiederherstellung effizient und mit dem geringsten Schaden zu gewährleisten. Für die aktuelle Corona Situation ist das ein denkbares Szenario: (1) Eine globale Krise wird auf Grund der Pandemie ausgerufen. Die Standard-Krisenpläne für Pandemien treten in Kraft. (2) Weitere Ereignisse treten auf: Überschwemmung mit negativen Folgen für die Infrastruktur, was im Frühjahr nicht überraschend wäre; Ausfälle der kritischen IT-Systeme; Ausfall wichtiger Netzelemente; Ausfall kritischer Lieferanten; Erkrankung der Geschäftsführung und des Top Managements.
  5. Weitere offensichtliche Risiken für einen Telekommunikationsbetreiber sind mögliche Umsatzverluste aufgrund der reduzierten Nachfrage bei den privaten Neu-Kunden und Wegfall (temporär oder gänzlich) wichtiger Geschäftskunden-Projekte, weil sie selbst von der Corona-Pandemie massiv betroffen sind. Derzeit wird über den Anstieg von Daten und Telefonanrufen berichtet. Allerdings wird das im Zeitalter der Flatrates eher keinen Umsatzausgleich für die entgangenen Neukundengeschäfte bedeuten.
  6. Hinzu kommt noch, dass heute nicht klar ist, wie lange die Corona-Krise andauern wird. Wir können jetzt leider nicht sicher abschätzen, wie hoch der betroffene Anteil der Bevölkerung und der kritischen Mitarbeiter-Ressourcen sein wird. Potenzielles Risiko: Die Dauerbelastung aller Betroffenen wird uns alle auf eine harte Probe stellen.

Nur ein sofortiges Handeln sichert unsere wirtschaftliche Entwicklung

Die Telekommunikation gehört gerade in der Corona-Krise zu unserer absolut kritischen Infrastruktur, die uns jetzt hilft, diese Krise remote zu managen.

Für die Telekommunikationsgesellschaften ist das eine harte Probe und aber auch eine große Chance, sich als ein zuverlässiger Geschäftspartner und Lieferant zu beweisen.

Gerade jetzt müssen die Netzbetreiber die kommenden Monate in Bezug auf Risiken im Betriebserhalt und bei Schadensminimierung ganz genau analysieren und rechtzeitig notwendige Maßnahmen in Gang setzen. Mittelfristig werden sie eine finanzielle und organisatorische Auswirkung auch auf den 5G Netzausbau und die zukünftigen Services an die Kunden haben, weil wir jetzt alle aus dieser Krise sehr viel lernen werden. Nicht nur interne Möglichkeiten werden getestet, sondern gleichzeitig werden die Kundenanforderungen potenziell massiv steigen. Darauf müssen und sollten die Telekommunikationsbetreiber jetzt schon aktiv hinarbeiten.

Die Corona-Krise ist demnach keine Ruhe-Pause für die Telekommunikation, sondern gerade jetzt ist die Zeit zum Handeln gekommen.


[*] Begriffserklärung und Besonderheiten im Business Continuity Management in der Telekommunikation

BCM ist eine Disziplin, in der viel Übung den Erfolg im Krisenfall sichert.

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BCM Grundlagen sind historisch gewachsen und sind praxiserprobt.

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Aktuelle Meldungen aus der Branche:

In aktuellen internationalen Meldungen z.B. in Spanien und in der Schweiz wird bereits über Daten-Netzüberlastungen berichtet. Für Deutschland wurde am Montag (16.03.2020) offiziell eine Entwarnung gegeben, dass unsere Netze derzeit trotz des Anstieges der Datenflüsse auf Grund von Arbeiten im Homeoffice nicht überfordert sind. Die Vodafone-Zentrale in Düsseldorf meldete am Mittwoch (18.03.2020) in einem LinkedIn Artikel lediglich einen Anstieg von 10-15% an Datenverkehren, was vergleichbar mit einem sonntäglichen Netzbetrieb ist. Die Deutsche Telekom nennt einen 40%-igen Anstieg des Datenvolumens in den vergangenen Tagen.

Links zu weiterführenden Artikeln:



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