Crypto wird zum Hygienefaktor im Banking
So wie Banking-as-a-Service Finanzdienstleistungen kommodifiziert hat, und es praktisch jedem Unternehmen ermöglicht, Finanzdienstleistungen in das eigene Produktangebot zu integrieren, sehen wir nun eine ähnliche Entwicklung in der Crypto-Szene: Crypto-as-a-Service #CaaS. Im Grunde könnte jedes Unternehmen heute Crypto-Dienstleistungen anbieten.
Der häufigste Vergleich, der zur Beschreibung von Bitcoin verwendet wird, ist der des digitalen Goldes. Obgleich Gold nicht mehr als Währung verwendet wird, wird es dennoch als Reserveanlage genutzt, die gegen Inflation und wirtschaftliche Unsicherheit absichert. Diese Rolle wird auch mehr und mehr Bitcoin zugeschrieben, vor allem im Hinblick auf die Marktturbulenzen im Zuge der COVID-Pandemie. Ähnlich wie bei endlichen Ressourcen wie Gold, bezieht auch Bitcoin einen Teil seines Wertes durch seine Knappheit. So wie es eine begrenzte Menge an Gold gibt, die auf der Erde abgebaut werden kann, gibt es eine begrenzte Menge an Bitcoins, die auf der Blockchain geschürft werden kann; 21 Millionen um genau zu sein. Allein schon durch die Tatsache, dass beide Ressourcen knapp sind, sind Gold und Bitcoin stark nachgefragt und das weit über ihren praktischen Nutzen hinaus. Folglich kann der Wert von knappen Vermögenswerten nicht so leicht verwässert werden wie der von Euro oder anderem Fiat-Geld, das von den Zentralbanken nach Belieben geschaffen werden kann. Ein Blick auf die explodierenden Bilanzsummen von EZB und FED zeigen, dass das Prinzip Knappheit hier sicherlich nicht greift.
Bitcoin wird eine etablierte Assetklasse
Ich glaube jedoch, dass sich Bitcoin und damit auch digitale Assets zu einer eigenen Assetklasse entwickelt haben. Teilbar auf acht Dezimalstellen, ist Bitcoin im Vergleich zu beliebten Edelmetallen wie Gold weitaus liquider und kann wesentlich schneller und zu einem Bruchteil der Kosten übertragen werden.
Grayscale, der weltweit führende Bitcoin- und Digital-Asset-Manager, hält bereits Bitcoin im Wert von über 11 Milliarden Dollar in seinem Portfolio, wobei die überwiegende Mehrheit der jüngsten Zuflüsse von institutionellen Investoren stammt. Aber auch krypto-fremde Fonds mischen mittlerweile mit. Guggenheim hat sich erst kürzlich das Recht vorbehalten, 10% seines Macro Opportunities Funds (5,5 Mrd USD assets under management) in Bitcoin zu investieren. Gleichzeitig haben sich die globalen Finanz-Schwergewichte Larry Fink, Gründer und CEO des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, und Ray Dalio, CEO eines der erfolgreichsten Hedgefonds der Welt, optimistisch gezeigt, dass Bitcoin den Status einer globalen Anlageklasse erreichen wird.
Dies sind eindeutige Anzeichen dafür, dass digitale Assets und Kryptowährungen längst kein Nischenphänomen mehr sind, sondern eine begehrte Assetklasse, die sich in Hedgefonds-Portfolios rund um den Globus breit macht.
Doch nicht nur institutionelle Investoren suchen den Zugang zu den Chancen, die in Bitcoin und Co. stecken.
Globale Finanzdienstleister versuchen, den Zugang zu Krypto-Investitionen für Privatanleger mit praktischen und benutzerfreundlichen Angeboten zu erleichtern. Mit einer unkomplizierten User Experience hat der Mobile-Broker Robinhood bereits den US-Markt für traditionelle Privatkundeninvestitionen auf den Kopf gestellt; aber jetzt erweitert er sein Angebot mit provisionsfreiem Handel von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether. Die Cash-App von Square hat bereits 2018 damit begonnen, ihrer 30 Millionen starken Nutzerbasis das Investieren in Bitcoin zu ermöglichen. Das prominenteste Beispiel für die Krypto-Adoption in letzter Zeit ist jedoch Paypal. Die Ankündigung, Bitcoin zu ihrem Wallet-Produkt hinzuzufügen, schickte den Bitcoin-Preis auf eine starke Kursrallye.
All diese Unternehmen haben die enorme Chance erkannt, als erste einen Fuß in die Tür des Kryptomarktes zu bekommen. Und sie werden sicherlich nicht die letzten sein!
Mehr Kundenkontakte, eine höhere Kundenbindung und neue Einnahmequellen sind nur einige der Vorteile, die sich den Anbietern von Kryptowährungen auftun. In einem zunehmend umkämpften Mobile-Banking-Markt kann ein benutzerfreundliches Krypto-Angebot zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal werden. Die Preisrallye von Bitcoin im Jahr 2020 hat zusätzlich den Druck auf etablierte Marktteilnehmer erhöht, Kryptoangebote in ihr Produktportfolio aufzunehmen.
Während der Markt in den USA bereits eine gewisse Reife erlangt hat, haben europäische Anbieter noch die Chance, sich First-Mover-Vorteile zu sichern. Aber sie müssen schnell sein. Der Aufbau eines Kryptoangebots mit echter Breitenwirkung erfordert eine skalierbare und sichere Lösung, um die Private-Keys der Kunden zu verwahren. Wenn der Endkunde dem Anbieter die Verwahrung seines Krypto-Vermögens nicht zutraut, ist jeder Versuch, in diesen Markt einzutreten, vergeblich. Dabei gibt es einige herausfordernde Hürden, die die Akteure überwinden müssen, wenn sie mit einem wettbewerbsfähigen Angebot in den Markt eintreten wollen. Ich sehe drei Erfordernisse, die eine gute Custody-Lösung erfüllen muss, um echte Massentauglichkeit zu erreichen.
1. Nutzerfreundlichkeit
Damit der Verbraucher das neue Angebot von Kryptodienstleistungen nutzt, darf die User Experience in keiner Weise schlechter sein als die einer Neobank. Wenn der Prozess komplexer oder umständlicher ist als die Eröffnung eines digitalen Bankkontos oder die Durchführung einer Überweisung mit dem Smartphone, ist es unwahrscheinlich, dass das Unternehmen eine kritische Masse an Nutzern erreichen wird. Das bedeutet, dass Transaktionen in Echtzeit erfolgen müssen, der KYC-Prozess reibungslos ablaufen muss und die Krypto-Wallet direkt und ohne Umwege über Drittanbieter in die App integriert sein muss.
2. Compliance
Etablierte Marktteilnehmer werden nur dann in den Krypto-Markt einsteigen, wenn keine Compliance-Risiken bestehen. Mit der Reifung des Marktes entwickelt sich auch der regulatorische Rahmen rund um Blockchain-Dienstleistungen. Dies gibt neuen Markteilnehmern die gewünschte rechtliche Sicherheit, um in den Markt vorzustoßen. Mehr Regulierung bedeutet jedoch in der Regel auch regulatorischen Mehraufwand und steigende Kosten. Die in diesem Jahr in Deutschland eingeführte Kryptoverwahrlizenz schafft gleiche Bedingungen für den Markt und gibt Krypto-Pionieren deutlich mehr Planungssicherheit. Gleichzeitig bedeuten die Investitionen in die Beantragung und Aufrechterhaltung einer solchen Lizenz samt ihren Compliance-Anforderungen einen immensen Aufwand für neue Marktteilnehmer.
3. Sicherheit
Selbst etablierte Marktteilnehmer müssen das Vertrauen ihrer Kunden gewinnen und bewahren, wenn sie den Handel mit einer neuen Assetklasse anbieten. Und das gilt ganz besonders im Kryptogeschäft: Schon die kleinste Sicherheitslücke würde das Vertrauen der Kunden in das neue Krypto-Angebot erschüttern. Aus diesem Grund darf die Verwahrungsinfrastruktur keinen Single Point of Failure haben, der die Sicherheit der Private Keys der Nutzer gefährden kann. Es gibt mehrere Verwahrungsmethoden, die auf dem Markt konkurrieren, von Cold-Storage-Hardwaremodulen, die völlig vom Netz getrennt sind, bis hin zu mathematisch komplexen Multi-Party-Computation-Systemen. Bei letzterem werden die Private Keys in Bruchstücke aufgeteilt und auf mehrere Parteien verteilt, so dass keine Transaktion signiert werden kann, ohne dass alle Parteien gleichzeitig zustimmen. Die Herausforderung für Unternehmen, die Krypto-Services anbieten, besteht in der Balance zwischen der Verfügbarkeit der Vermögenswerte und der Sicherheit von deren Aufbewahrung. Konkret heißt das, dass ein bequemes Nutzererlebnis im Umgang mit digitalen Vermögenswerten nicht zu Lasten einer hohen Sicherheit kommen darf, und das gilt natürlich auch andersherum.
Diese technologischen und regulatorischen Barrieren stellen neue Marktteilnehmer sowohl vor erheblich Kosten als auch vor eine lange Implementierungszeit, die das Projekt im Keim ersticken können – sofern man alles in Eigenregie aufbauen möchte.
Selbst große Marktteilnehmer sind vorsichtig, die Entwicklung einer sicheren, leistungsfähigen und rechtlich konformen Custody-Lösung im Alleingang aufzunehmen. Custody-as-a-Service-Anbieter ermöglichen es Krypto-Pionieren, diese Hürden zu überwinden, was den Krypto-Markt grundlegend verändern wird. Einen lizenzierten Partner zu haben, der die regulatorischen Risiken übernehmen und den technologischen Aufwand für den Aufbau einer sicheren Custody-Infrastruktur schultern kann, ist eine äußerst attraktive Option für Krypto-Pioniere. Viele der bereits erwähnten Unternehmen, die die Verbreitung von Krypto-Assets vorantreiben, bauen auf API-basierte Custody-Anbieter. So können sie die Verwahrung der digitalen Vermögenswerte ihrer Kunden auslagern, und sich voll und ganz auf ihre Kunden konzentrieren. Der Zahlungsriese PayPal zum Beispiel sowie der Mobile-Banking-Champion Revolut beziehen beide die Verwahrungsinfrastruktur von spezialisierten Drittanbietern.
Diese Entwicklung spiegelt die gleiche Verschiebung wider, die wir bereits im Fiat-Bereich mit Banking-as-a-Service beobachtet haben.
Nichtbanken wie z.B. Samsung nutzen Banking-as-a-Service-Plattformen (BaaS), um digitale Finanzdienstleistungen wie Zahlungsverkehr und Kreditvergabe in ihr Ökosystem einzubetten. Die regulatorischen und technischen Anforderungen der Lizenzierung und des Aufbaus eines kompletten Banking-Stacks überlassen sie dabei den BaaS-Experten. Dasselbe Prinzip zeigt sich nun bei Akteuren mit starken Marken und treuen Kunden, die Krypto-Dienste über Crypto-as-a-Service-Plattformen in ihr Angebot integrieren (CaaS).
Durch Banking-as-a-Service sind Finanzdienstleistungen wie Bankkonten und Zahlungskarten zum Hygienefaktor geworden. Heute kann praktisch jedes Unternehmen Bankdienstleistungen in seine Websites und Anwendungen integrieren, um sein Produktangebot zu ergänzen. Nun beobachten wir, dass auch Kryptowährungen zum Hygienefaktor werden.
Solaris Digital Assets ist Vorreiter dieser Bewegung in Europa.
Mit einem rein API-basierten Ansatz wollen wir es jedem Unternehmen ermöglichen, seinen Kunden Krypto-Services anzubieten. Genauso wie unsere Muttergesellschaft Solarisbank es Unternehmen wie American Express, Samsung und Trade Republic ermöglicht, ihren Kunden Finanzdienstleistungen anzubieten, tut Solaris Digital Assets nun das Gleiche mit Krypto-Services. Mit unserer White-Label-Custody-Lösung ermöglichen wir es Unternehmen, die digitalen Vermögenswerte ihrer Kunden sicher und unter Einhaltung der deutschen Geldwäschebestimmungen aufzubewahren, seien es Bitcoin, Ether oder auf der Ethereum-Blockchain basierende ERC-20-Token. Auf diese Weise können sich unsere Partner, die ihre Produkte mit innovativen Krypto-Services erweitern möchten, in regulatorischen und technologischen Anforderungen auf die Solaris Digital Assets verlassen und sich voll und ganz auf die Gestaltung eines optimalen Nutzererlebnisses konzentrieren.
Da die Marktkapitalisierung digitaler Assets weiterhin ansteigt und institutionelle Akteure weiter in das Krypto-Territorium vordringen, bietet die Kommodifizierung von Krypto-Dienstleistungen eine einmalige Gelegenheit für europäische Marken, sich mit innovativen Finanzprodukten vom Wettbewerb abzuheben. Die Frage ist schlicht und einfach, wer wird der Nächste sein?
Hier geht es zu weiteren Blog-Posts von meinen Kollegen und mir.
Autor, Dozent & Senior Learning Consultant
3 JahreJulian Grigo, das ist ein sehr interessanter Artikel! Sag, siehst du Crypto-as-a-Service als alleinstehenden Zukunftsfaktor, oder ist es mehr eine "Portfolioergänzung" zu SaaS und BaaS, etc? Werden wir hier künftig spannende Kombinationen sehen, oder wird CaaS die klassischen API-Angebote ablösen?