CSRD: Kapazitätsengpässe bei Prüfungen oder mehr Prüfer?
Die CSRD, die aktuell in deutsches Recht übertragen wird, sieht nicht nur eine deutliche Ausweitung der Nachhaltigkeitsinformationen und der berichtspflichtigen Unternehmen vor, sondern zudem eine Prüfpflicht für diese Angaben. In Teil 2 dieser Artikelserie habe ich die Auswirkungen der CSRD vor allem für Unternehmen beleuchtet.
Die Prüfpflicht soll bereits ab dem Berichtsjahr 2024 für die ersten Unternehmen gelten. Das bedeutet einen enormen Anstieg an zu prüfenden Unternehmensberichten und bringt ganz eigene Herausforderungen mit sich.
Einseitige Prüfung durch Wirtschaftsprüfer?
Bisher liegt die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten ausschließlich in den Händen von Wirtschaftsprüfern. Eine Umsetzung der CSRD allein durch die Anpassung der Bilanzrichtlinie und der Abschlussprüferrichtlinie würde bedeuten, dass die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte zukünftig ausschließlich den Wirtschaftsprüfern vorbehalten wäre. Dies würde zu einer einseitigen Begünstigung der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften führen und dem erklärten Ziel der CSRD für eine Marktöffnung entgegenstehen. Kleinere Wirtschaftsprüfungskanzleien und Einzelpraxen werden jedoch den Aufwand für den Know-how-Erwerb, die Akkreditierungsvoraussetzungen und die Haftungsfolgen nicht in Kauf nehmen und dem Markt nicht zur Verfügung stehen.
Prüfmarkt liberalisieren
Die CSRD sieht vor, dass neben den klassischen Wirtschaftsprüfern auch unabhängige Erbringer von Bestätigungsleistungen, auch als "Independent Assurance Services Provider" (IASP) bezeichnet, die Bewertung von Nachhaltigkeitsinformationen durchführen dürfen (vgl. Erwägungsgrund 61 CSRD). Dies soll ausdrücklich den Markt für Prüfungsdienstleister liberalisieren, die Kosten für zu prüfende Unternehmen stabil halten, die Qualität der Prüfung weiter verbessern und einen offeneren, stärker diversifizierten Prüfungsmarkt schaffen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, der auch in Deutschland genutzt werden sollte. Die Länder haben die Autonomie, selbst zu entscheiden, ob sie IASPs zulassen. Frankreich und Österreich haben sich schon zur Liberalisierung als bevorzugte Option bekannt. Italien, Portugal und Spanien neigen wohl dazu.
Herausforderungen für berichtspflichtige Unternehmen
Die Öffnung des Prüfmarkts für IASP ist von entscheidender Bedeutung, um berichtspflichtigen Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Prüfdienstleistern zu helfen. Die Veröffentlichungs- und Prüfpflichten und -fristen müssen auch in Zukunft, trotz der deutlich umfangreicheren Berichterstattung, eingehalten werden. Da immer mehr Unternehmen berichtspflichtig werden, wird auch mehr Prüfungsleistung unter hohem Zeitdruck benötigt. Der Mangel an „Nachhaltigkeitsprüfern“ könnte dazu führen, dass insbesondere mittelständische Unternehmen Schwierigkeiten haben, Prüfungsdienstleister zu finden, da sich die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf die lukrativen Großunternehmen konzentrieren. Durch den Ausschluss unabhängiger Bestätigungsdienstleister droht ein Kapazitätsengpass und möglicherweise eine deutliche Preissteigerung bei den Prüfdienstleistungen.
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Die doppelte Wesentlichkeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die "doppelte Wesentlichkeit", die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach EU-Vorgaben gefordert wird. Diese beinhaltet zwei unterschiedliche Sichtweisen (Inside-out, Outside-in) und unterschiedliche Bewertungskriterien (Impact auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sowie finanzieller Impact auf das Unternehmen). Anerkannte Prüfunternehmen verfügen im Gegensatz zu den Wirtschaftsprüfern über die technische Expertise und Berufserfahrung, um die qualitativen und quantitativen zukunftsbezogenen Aussagen zu Nachhaltigkeitskriterien adäquat zu bewerten und Transitionspläne – wie zum Beispiel ein Dekarbonisierungspfad – zu beurteilen. Sie können diese Kompetenzlücke sofort schließen.
Die Notwendigkeit einer Öffnung des Prüfmarkts
Kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfer verfügen oft nicht über dieses komplexe, disziplinenübergreifende Know-how, das auch nicht kurzfristig aufgebaut werden kann. Sie sind daher auf die Zusammenarbeit mit Fachleuten angewiesen. Wenn der zukünftige Referentenentwurf keine Öffnungsklausel für unabhängige Bestätigungsdienstleister neben den Wirtschaftsprüfern vorsieht, würden kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfer von der Bewertung von Nachhaltigkeitsinformationen ausgeschlossen. Dies würde zu einer Konzentration des Prüfermarkts auf große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften führen. Bestehende Jahresabschlussprüfungsmandate könnten weiter von den bisherigen Wirtschaftsprüfern bedient werden, wenn die Unternehmen nicht indirekt gezwungen werden, für die Bestätigung der Nachhaltigkeitsinformationen zu einem „anderen“ Wirtschaftsprüfer zu gehen, der beide Prüfungen vornehmen könnte.
Bestehende Strukturen und Prozesse nutzen
Die Zulassung von weiteren Prüfunternehmen, die keine Wettbewerber in der klassischen Abschlussprüfung sind, wäre einfach umzusetzen. Dazu gibt es in der Zertifizierbranche bereits etablierte und gut funktionierende Anforderungen (bspw. ISO/IEC 17029), Prozesse und Strukturen (Deutsche Akkreditierungsstelle, DakkS), auf die zurückgegriffen werden könnte. Darüber hinaus hat der für Wirtschaftsprüfer zuständige International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) bereits im August 2023 einen wegweisenden verbindlichen Prüfungsstandard veröffentlicht, den International Standard on Sustainability Assurance (ISSA 5000), der erstmalig nicht nur für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, sondern explizit auch für Nicht-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften formuliert wurde. Dadurch wird auch die von der CSRD angestrebte Liberalisierung des Prüfermarktes unterstrichen.
Fazit: Tempo ist gefragt
Die Einführung der CSRD ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu stärken und die Transparenz zu erhöhen. Eine Öffnung des Prüfmarkts für unabhängige Prüfunternehmen, wie in der CSRD vorgesehen, ist aus meiner Sicht unerlässlich, um die steigende Anzahl von zu prüfenden Informationen zu bewältigen und eine nachhaltigere Welt zu fördern.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Berichtsanforderungen und die nationalen Gesetzgebungsverfahren (HGB, GmbH-Gesetz, Aktiengesetz, Publizitätsgesetz) zeitnah entsprechend angepasst werden, damit die dann bereits berichtspflichtigen Unternehmen wissen, was sie ab 2024 berichten müssen. Gleichzeitig sollten die Verfahren zur Akkreditierung der Zertifizierer angestoßen werden, um die Qualität und Unabhängigkeit der Prüfgesellschaften zu sichern.