Das erste Mal Geschäftsführer: Chancen und Herausforderungen für Führungskräfte aus der zweiten Reihe
Der nächste Karriereschritt zum Geschäftsführer ist für viele gestandene und erfahrene Führungskräfte ein spannender und herausfordernder Schritt. Nach Jahren als Bereichs- oder Abteilungsleiter verspüren viele den Wunsch, an der Spitze eines Unternehmens Verantwortung zu übernehmen und mit dem größtmöglichen Handlungsspielraum die Zukunft eines Unternehmens positiv zu gestalten.
Als Personalberater erlebe ich oft, dass Geschäftsführungspositionen im Mittelstand auch unternehmensseitig gerne mit Führungskräften aus der zweiten Reihe besetzt werden. Doch der Wechsel von der zweiten Führungsebene in die Geschäftsführerposition, insbesondere wenn dies auch mit einem Unternehmenswechsel verbunden ist, bringt nicht nur neue Verantwortungen und Möglichkeiten mit sich, sondern auch eine Reihe von Herausforderungen, die oftmals unterschätzt werden.
Ist der Auswahlprozess erfolgreich verlaufen, kommt es am Ende zu Vertragsverhandlungen. Regelmäßig stellen die Kandidaten ohne Geschäftsführererfahrung fest, dass sie in der neuen Rolle trotz Anstellung gar kein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne mehr sind. Ihnen ist teilweise, zumindest im Detail, nicht bewusst, welche Pflichten und Haftungsrisiken sie als Organ des Unternehmens tragen. Auch die Vertragsgestaltung als Dienstvertrag ist ihnen neu. Das führt am Ende des Prozesses teilweise zu erheblichen Verzögerungen, da Kandidaten sich vor Vertragsunterzeichnung erst intensiv informieren und juristisch beraten lassen wollen. Manch ein Kandidat hat auch schonmal kalte Füße bekommen und ist aus dem Prozess ausgestiegen.
Daher spreche ich mit Kandidat:innen für eine Geschäftsführungsposition diese Thematiken mittlerweile sehr früh im Prozess an und bitte sie, sich intensiv mit den vielfältigen Aspekten zu beschäftigen und bei Bedarf anwaltlich beraten zu lassen, um für beide Seiten einen effizienten und transparenten Prozess zu schaffen.
Welche typischen Herausforderungen sind mit der neuen Rolle verbunden?
Als Geschäftsführer tragen Sie die Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Dies umfasst eine Vielzahl von Aufgaben, darunter die strategische Entscheidungsfindung, die Führung der Bereichs- oder Abteilungsleiter und die Repräsentation des Unternehmens nach außen. Insbesondere Führungskräfte mit einem technischen oder vertrieblichen Werdegang tun sich oft schwer mit Themen, mit denen Sie bisher keine oder kaum Berührungspunkte hatten. Hier sind einige der größten Herausforderungen, auf die Sie vorbereitet sein sollten:
Sorgfaltspflichten: Als Geschäftsführer sind Sie verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden (§ 43 GmbHG). Sie müssen stets im besten Interesse der Gesellschaft handeln und Entscheidungen sorgfältig und informiert treffen.
Buchführung und Jahresabschluss: Sie sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Buchführung und die Erstellung des Jahresabschlusses. Dies schließt auch die Einhaltung aller steuerlichen Verpflichtungen mit ein.
Gesellschafterversammlung: Sie müssen regelmäßig die Gesellschafterversammlung einberufen und dort Bericht erstatten. Hierbei geht es um die finanzielle Lage der GmbH, strategische Entscheidungen und andere wichtige Themen.
Compliance und rechtliche Vorschriften: Sie müssen sicherstellen, dass alle rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, einschließlich Arbeitsrecht, Datenschutz und Umweltauflagen.
Vertragliche Pflichten: Es ist essenziell, die Verträge der GmbH zu kennen und sicherzustellen, dass alle vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden. Dies gilt auch für die Verträge des Unternehmens mit den Gesellschaftern (z.B. vGA)
Haftung: Geschäftsführer haften persönlich für Fehler, die dem Unternehmen oder Dritten schaden können. Dies kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Besonders in Fällen wie Insolvenzverschleppung, Verstöße gegen Steuer- und Sozialversicherungsgesetze oder Exportbeschränkungen/ Embargos sind die Risiken hoch. Doch auch bei alltäglichen Themen wie Produkthaftung, umwelt-, wettbewerbs- und kartellrechtliche Aspekte oder schlicht der Datenschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz bergen nicht zu unterschätzende Haftungsrisiken.
Die Haftung gilt übrigens für Mitgeschäftsführer, die oft nur einen Teilbereich des Unternehmens verantworten, gemeinschaftlich. D.h. konkret: Für Fehler eines Geschäftsführers stehen alle Geschäftsführer des Unternehmens in der Haftung – und zwar persönlich mit ihrem Privatvermögen.
Unternehmenskultur: Die Kultur im Unternehmen, insbesondere die Führungskultur ist entscheidend für langfristigen Erfolg und Profitabilität eines Unternehmens. Obwohl dies hinreichend bekannt sein sollte, scheint dieser Punkt noch immer zu wenig im Bewusstsein der verantwortlichen Personen verankert zu sein.
Die Unternehmenskultur ist eines der wenigen Themen, die top-down getrieben und beeinflusst werden. Der Geschäftsführer ist allein verantwortlich durch Vorleben der Werte und positive Beeinflussung der Organisation, z.B. durch Zusammensetzung und Weiterentwicklung des Führungskräfteteams und Schaffung eines entsprechenden Umfelds.
Welche persönlichen Aspekte gilt es im Vorfeld zu beachten
Eine der ersten großen Hürden für angehende Geschäftsführer sind die vertraglichen Verpflichtungen und Konsequenzen, die mit dieser Position einhergehen. Diese sind oft komplex und werden leicht unterschätzt. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Arbeitsvertrag wird Ihr Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer meist als Dienstvertrag geregelt, der mehr oder minder frei gestaltbar ist.
Hier einige wichtige Punkte, neben der Vergütung, die Sie beachten bzw. kennen sollten:
Vertragspartner: Ihr Vertragspartner sind die Gesellschafter bzw. die Gesellschafterversammlung und nicht das Unternehmen. Achten Sie also daher darauf, dass der Geschäftsführervertrag entsprechend formuliert ist und von den Gesellschaftern unterschrieben wird, nicht nur durch einen Geschäftsführer der Gesellschaft.
Fehlender Kündigungsschutz: Angestellte Geschäftsführer sind keine normalen Arbeitnehmer, sondern Organ der Gesellschaft. Dementsprechend genießen Geschäftsführer keinen besonderen Kündigungsschutz. Dies bedeutet, dass Ihr Vertrag grundsätzlich jederzeit gekündigt werden kann, was eine gewisse Unsicherheit mit sich bringt. Daher werden Geschäftsführerverträge meist befristet auf 3-5 Jahre geschlossen. Darüber hinaus können Möglichkeiten einer ordentlichen Kündigung sowie ggf. Abfindungen bei Kündigung unter gewissen Bedingungen vertraglich vereinbart werden.
Einzel- oder Gesamtvertretung /Zustimmungspflichtige Geschäfte: Es sollte geregelt sein, ob Sie das Unternehmen allein nach außen vertreten dürfen oder Verträge gemeinsam mit anderen Geschäftsführern unterzeichnen müssen.
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Bei manchen Geschäften behalten sich Gesellschafter ein Zustimmungsrecht vor, z.B. bei höheren Krediten oder Immobilien.
Reduzierung von Haftungsrisiken: Die generelle Haftung wurde schon angesprochen, die Risiken können aber vertraglich minimiert werden, so z.B. durch Ausschluss von fahrlässiger Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen gepaart mit einem Geschäftsverteilungsplan, der die Verantwortungen klar regelt. Zudem sollte ein Anspruch auf regelmäßige Entlastung durch die Gesellschafter vereinbart werden. Der wichtigste Punkt ist die vertraglich vereinbarte D&O-Versicherung für Geschäftsführer, deren Kosten das Unternehmen trägt.
Chancen und positive Aspekte
Trotz dieser Herausforderungen bietet die Position des Geschäftsführers zahlreiche Chancen und positive Aspekte:
Strategische Führung: Sie haben die Möglichkeit, die strategische Richtung des Unternehmens maßgeblich zu beeinflussen, Innovationen voranzutreiben, Märkte zu erschließen und das Gesicht für eine erfolgreiche Entwicklung zu werden.
Ultimativer Gestaltungsspielraum: Als Geschäftsführer können Sie die Unternehmenskultur und -struktur aktiv gestalten und entscheidenden Einfluss auf die Zukunft des Unternehmens und seiner Belegschaft nehmen.
Reputation und Netzwerk: Die Position des Geschäftsführers bringt eine höhere Sichtbarkeit und Wahrnehmung in der Branche aber auch in der Region mit sich, was Ihr berufliches Netzwerk erheblich erweitern kann. Auch Kontakte in Politik, Verbänden oder ggf. wissenschaftlichen Institutionen werden vereinfacht.
Praktische Tipps für angehende Geschäftsführer
Um sich optimal auf den Karriereschritt in die Geschäftsführung vorzubereiten, sollten Sie folgende Ratschläge berücksichtigen:
1. Informieren Sie sich frühzeitig über rechtliche Pflichten: Nutzen Sie Ressourcen wie Fachliteratur und spezialisierte Anwälte, um sich über die rechtlichen Aspekte Ihrer neuen Rolle zu informieren.
2. Netzwerken Sie intensiv: Nutzen Sie Ihr berufliches Netzwerk, um sich mit anderen Geschäftsführern auszutauschen und von deren Erfahrungen zu lernen.
3. Investieren Sie in Ihre Weiterbildung und Entwicklung: Nehmen Sie an Führungs- und Managementseminaren teil, um Ihre Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern. Idealerweise nehmen Sie sich einen professionellen Coach als Sparringspartner an Ihre Seite.
4. Holen Sie ALLE verfügbaren Informationen zum Unternehmen und Umfeld ein: In der Gesamtverantwortung als Geschäftsführer müssen Sie vorher wissen, auf was sie sich einlassen. Beschäftigen Sie sich mit Bilanzen, GuV, Gesellschafterstruktur, Historie, Organisation, Innovationen, Patenten, Marktpositionierung und zukünftigen Strategien des Unternehmens sowie auch externen Faktoren wie dem allgemeinen Marktumfeld und -potentiale, politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen.
5. Bereiten Sie sich auf Vertragsverhandlungen vor: Verstehen Sie die Besonderheiten eines Dienstvertrags und gehen Sie vorbereitet in die Verhandlungen. Auch hier kann ein Jurist helfen.
6. Planen Sie Ihr Pre- und Onboarding: Stellen Sie sicher, dass Sie einen klaren Plan für Ihre Einarbeitung und Übergabe der Verantwortungsbereiche haben, der Ihnen hilft, sich schnell in Ihre neue Rolle einzufinden. Ein Event oder gemeinsames Essen vor dem offiziellen Start mit Ihren zukünftigen Direct Reports in einem informellen Umfeld kann als „Ice-Breaker“ dienen und helfen, frühzeitig persönliche Beziehungen aufzubauen.
FAZIT:
Der Schritt zum ersten Mal Geschäftsführer zu werden, ist zweifellos eine bedeutende Herausforderung, aber auch eine einmalige Chance. Informieren Sie sich gründlich über Ihre neuen rechtlichen Pflichten und holen Sie sich unbedingt juristischen Rat und ggf. einen spezialisierten Coach/Berater an Ihre Seite.
Verstehen Sie das neue Unternehmen in seinem Umfeld und seien Sie sich der Risiken und Verantwortungen bewusst. Wenn Sie mit Überzeugung bereit sind, diese Verantwortung zu tragen, werden Sie auch die Chancen nutzen und das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft führen.
Geschäftsführender Gesellschafter bei ecco ecology + communication Unternehmensberatung GmbH
3 MonateDanke! Sehr interessant! Kurze Ergänzung: Ein GF haftet als Vertreter des Arbeitgebers auch bezüglich der Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeitenden. Das wird oft vergessen.
Redakteurin bei EO Executives
5 MonateSuper informativ und hilfreich! Vielen Dank!