"Das Risiko risikofreier Staatsanleihen" in Finanz und Wirtschaft
Artikel in Finanz und Wirtschaft vom 14. Dezember 2016

"Das Risiko risikofreier Staatsanleihen" in Finanz und Wirtschaft

INTERNATIONALE ANLEIHEN Der Sommer 2016 geht wohl in die Geschichte ein als Zeitpunkt, an dem die globalen Anleiherenditen ihren Tiefpunkt erreicht hatten. Die Märkte haben seit Juli eine Neubewertung erlebt. Die Preise sogenannter risikofreier Staatsanleihen aus Grossbritannien, den USA und Deutschland sind deutlich gefallen. Speziell länger laufende Papiere dieser Staaten zeigten sich in den vergangenen Monaten als volatile Anlagen – ohne dass eine der drei Zentralbanken die Leitzinsen angehoben hatte. Höchste Zeit, sich darauf zu besinnen, was Anleihenrenditen am langen Ende der Zinsstrukturkurve steuert. Es sind die Inflationserwartungen, der erwartete Pfad von Kurzfristzinsen sowie ein Laufzeitenaufgeld (Term Premium). In Grossbritannien sind die Renditen zehnjähriger Gilts vom Augusttief von 0.52% auf 1.4% gestiegen und haben ihren Investoren Kaptialverluste beschert. Die starke Abwertung des Pfunds hat die Inflationserwartungen in Grossbritannien wiederbelebt. Heute rechnen die Märkte eine Inflation für die nächsten fünf Jahre ein, die über dem Zielband der Bank von England liegt. Auch zehnjährige US-Staatsanleihen rentieren derzeit mit 2.38% über 1 Prozentpunkt höher als im Sommer. Die grössten Kursbewegungen gab es nach den US-Wahlen. Auch wenn sich Donald Trumps Pro-Busienss-Politik aus geplanten Steuersenkungen und Infrastrukturprojekten nur teilweise materialisieren wird, sollte die geplante fiskalische Lockerung der Wirtschaft schub geben und die US-Notenbank in Zugzwang bringen, die Zinspolitik zu normalisieren.

Auch zehnjährige deutsche Bundesanleihen werfen heute wieder positive 0.3% ab, nachdem sie zwischenzeitlich bei -0.18% gehandelt haben. Da diese Bundesanleihe keinen Coupon zahlt und somit keinen Cashflow aufweist, sind Investoren einer solchen Anleihe einer Zinssensitivität von beihnahe zehn Jahren ausgesetzt. Mit anderen Worten: Ein Renditeanstieg von gerade einmal 0.03% reicht bereits aus, um den Jahresertrag zu neutralisieren. Staatsanleihen aus Grossbritannien, den USA und Deutschland gelten als risikofrei, sind aber für Investoren definitiv nicht volatilitätsfrei.

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